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VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Gerichtsbescheid vom 25.11.2013 - 3 A 6435/13 - asyl.net: M21325
https://www.asyl.net/rsdb/M21325
Leitsatz:

Die Verletzung der Zustellungsregelung des § 34a AsylVfG kann nicht gem. § 8 VwZG geheilt werden, wenn der Ablehnungsbescheid und die Abschiebungsanordnung nur an den Prozessbevollmächtigten zugestellt wird und der Inhalt des Bescheides mit dem Asylbewerber nur fernmüdlich erläutert werden kann.

Schlagwörter: Zustellung, Empfangsberechtigter, Heilung, Zustellungsmangel, Bekanntgabe, Bekanntgabewillen, Dublinverfahren, Ablehnungsbescheid, Abschiebungsandrohung,
Normen: AsylVfG § 31 Abs. 1 S. 4, AsylVfG § 31 Abs. 1 S. 6, VwZG § 8, AsylVfG § 34a,
Auszüge:

[...]

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist mit der Übersendung der Bescheide vom 15. Oktober 2013 an den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben des Bundesamtes vom 15. Oktober 2013 noch keine wirksame Zustellung erfolgt. Wird ein Asylantrag nur nach § 26a oder § 27a AsylVfG abgelehnt, ist die Entscheidung zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG dem Ausländer selbst zuzustellen. Sie kann ihm auch von der für die Abschiebung oder für die Durchführung der Abschiebung zuständigen Behörde zugestellt werden (§ 31 Abs. 1 Sätze 4 und 5 AsylVfG). Im Übrigen richtet sich die Zustellung nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG), soweit sich aus § 10 AsylVfG nichts anderes ergibt. Die wirksame Zustellung des Bescheides ist Voraussetzung für den Eintritt der Wirksamkeit des Bescheides gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird, und nach § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, wobei Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung gemäß § 41 Abs. 5 VwVfG unberührt bleiben.

Nach Maßgabe dessen sind die Bescheide den Klägern nicht durch den Zugang beim Prozessbevollmächtigten (nach dessen Mitteilung hat er die Bescheide am 18. Oktober 2013 erhalten) wirksam zugestellt und bekannt gegeben worden, weil der Prozessbevollmächtigte der Kläger wegen der Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG insoweit nicht Empfangsberechtigter i.S.v. § 8 VwZG ist. Dementsprechend soll, wenn der Ausländer durch einen Bevollmächtigten vertreten wird oder er einen Empfangsberechtigten benannt hat, diesem gemäß § 31 Abs. 1 Satz 6 AsylVfG lediglich ein Abdruck der Entscheidung zugeleitet werden.

Die Mängel der förmlichen Zustellung sind hier auch nicht gemäß § 8 VwZG geheilt worden. Nach dieser Vorschrift gilt ein Schriftstück, dessen formgerechte Zustellung sich nicht nachweisen lässt oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat. "Empfangsberechtigter" ist derjenige, an den die Zustellung des Bescheids nach dem Gesetz zu. richten war (BFH, Urteil vom 25. Januar 1994 - VIII R 45/92 - juris). Dies sind nach § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG die Kläger. Der Empfangsberechtigte hat das Schriftstück im Sinne von § 8 VwZG erhalten, "wenn es ihm vorgelegen hat und er die Möglichkeit hatte, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen; dass er es auch in Besitz genommen hat, ist nicht zu fordern" (BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 - juris). Zudem setzt die Heilung von Zustellungsmängeln voraus, dass die Behörde den Willen hatte, eine Zustellung vorzunehmen und den Bescheid bekannt zu geben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 6 B 65.05 - juris, Rn. 7). Voraussetzung dafür ist, dass der maßgebliche Bescheid mit Wissen und Wollen der Behörde in der Absicht, Rechtsfolgen auszulösen, aus dem internen Bereich herausgegeben worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 43.95 - juris, Rn. 29).

Hier liegen zwar hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass das Bundesamt und damit die Beklagte einen Bekanntgabe- und Zustellungswillen gegenüber den Klägern hatte, als es die Bescheide dem Prozessbevollmächtigten per Einschreiben übermittelt hat, da in dem Anschreiben die Namen der Kläger in der Betreffzeile ausdrücklich genannt worden sind und zugleich der Hinweis erfolgt ist, dass die zuständige Ausländerbehörde einen Abdruck der Entscheidung erhält. Da das Bundesamt nicht zugleich darauf hingewiesen hat, dass die Kläger persönlich ebenfalls die Bescheide zugestellt bekommen, ist von einer Absicht, die Bescheide jedenfalls dem Prozessbevollmächtigten als - aus Sicht des Bundesamts Empfangsberechtigtem - für die Kläger zuzustellen, auszugehen. Das Bundesamt und damit die Beklagte hatte zugleich einen Bekanntgabewillen, weil die Bescheide vom 15. Oktober 2013 am selben Tag mit Wissen und Wollen sowie in der Absicht, Rechtsfolgen auszulösen (hierauf weist beispielsweise die zeitgleich erfolgte Übermittlung des Bescheides an die Ausländerbehörde hin), aus dem internen Bereich herausgegeben worden sind. Selbst wenn davon ausgegangen werden müsste, dass die Beklagte systematisch und bewusst die Zustellungsvorschrift missachtet (wofür Überwiegendes spricht, weil die Beklagte mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 mitgeteilt hat, die Zustellung an den Bevollmächtigten verbessere die effektive Wahrnehmung des Rechtsschutzes nach § 34a AsylVfG n.F., verletze den Ausländer nicht in seinen Rechten und dieser könne sich nicht mit Erfolg auf eine unwirksame Zustellung berufen), würde ein Bekanntgabe- und Zustellungswille nicht in Frage gestellt, sofern - wie hier - davon auszugehen ist, dass ein Wille zur Auslösung von Rechtsfolgen gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 6 B 65.05 - juris, Rn. 8).

Allerdings haben die Kläger die Bescheide vom 15. Oktober 2013 nach Auskunft ihres Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 4. November 2013 nicht von diesem per Post übermittelt bekommen oder diese zumindest gegenständlich inhaltlich zur Kenntnis nehmen können - zum Beispiel im Rahmen eines Gespräches - , sondern ihnen ist der Inhalt der Bescheide von ihrem Prozessbevollmächtigten lediglich am 19. Oktober 2013 fernmündlich erläutert worden. Dieses Verfahren genügt nach den dargelegten Heilungsvoraussetzungen nicht, um eine wirksame Bekanntgabe der Bescheide gegenüber den Klägern als Empfängern der Verwaltungsakte annehmen zu können. Da die Kläger, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, jedoch bereits am 23. Oktober 2013 Klage erhoben haben, haben sie zu einem Zeitpunkt um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht, in welchem die angefochtenen Bescheide noch nicht wirksam erlassen worden waren. Ein Rechtsbehelf gegen einen noch nicht existenten Verwaltungsakt ist nicht zulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 58 Rn. 16). [...]