Unzulässige Ablehnung eines Beweisantrages auf Sachverständigengutachten.(Leitsatz der Redaktion)
Die Beschwerde ist mit der Rüge eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) begründet.
Die Beschwerde rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft die Erhebung von Sachverständigenbeweis zur Klärung der Frage abgelehnt hat, ob der nach seinen Angaben im Juni 1984 in Kinshasa geborene Kläger noch "kräftig wachsen", deshalb Narbengewebe aufplatzen und eine weitere medizinische Behandlung erforderlich werden könne, die für ihn bei einer Rückkehr in sein Heimatland (Demokratische Republik Kongo) nicht erlangbar wäre. Das Berufungsgericht hat die dahingehenden mehrfachen Beweisbegehren des Klägers - zuletzt mit Schriftsatz vom 13. Juli 2001 - mit der Begründung abgelehnt (BA S. 7), für die hier geltend gemachte Gesundheitsgefahr sei im Rahmen des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG erforderlich, dass eine konkrete Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintreten werde, wofür "tatsächliche Anhaltspunkte" fehlten "und auch in keinem der gutachterlichen Bestätigung hierfür nicht einmal ansatzweise erwähnt " sei. Auch der zuletzt vorgelegten Stellungnahme der Universitätsklinik E. vom 29. August 2001 könne nicht entnommen werden, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben im Falle seiner Rückkehr in den Heimatstaat ausgesetzt wäre.
Der Senat versteht die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs so, dass dieser in dem Beweisbegehren des Klägers zwar einen an sich erheblichen, aber deshalb unzulässigen Beweisermittlungs- oder Ausforschungsbeweisantrag sieht, weil keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gesundheitsgefahren im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG drohen. Die Ablehnung des Beweisbegehrens und das Unterlassen weiterer eigener Sachverhaltsaufklärung mit dieser Begründung wäre indessen nur gerechtfertigt in Bezug auf Tatsachenbehauptungen, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Die Behauptungen müssten mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "aufs Geradewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt werden, obwohl tatsächliche Grundlagen fehlen (vgl. zuletzt etwa Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 m. w. N. ).
So verhält es sich hier jedoch nicht. Die Beschwerde macht insoweit zu Recht geltend, dass der Verwaltungsgerichtshof selbst dem Kläger mit Schreiben vom 17. Januar 2001 aufgegeben hatte, ein amtsärztliches Attest über seinen aktuellen Gesundheitszustand vorzulegen "insbesondere unter Berücksichtigung weiterer wachstumsbedingter erforderlich werdender Operationen und des sich daraus evtl. ergebenden gesundheitlichen Risikos (Prognoseentscheidung)". Nachdem in dem amtsärztlichen Zeugnis vom 13. März 2001 ausgeführt war, der inzwischen fast 17-jährige Kläger habe "bereits die Größe und Konstitution seines Vaters erreicht, so dass weitere wachstumsbedingte Operationen nicht mehr erforderlich sein dürften", hat der Kläger eine Stellungnahme der Universitätsklinik E. vom 11. Mai 2001 vorgelegt, nach der bezüglich des Wachstums des Klägers "keinerlei Aussage" getroffen werden könnte. In der vom Berufungsgericht hierzu eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Amtsarztes vom 25. Juni 2001 heißt es dann, ob das Wachstum abgeschlossen sei, "müsste, sollte diese Frage bei dem kräftigen gut entwickelten Patienten derzeit noch relevant sein, von einem entsprechenden Fachgutachter beurteilt werden". Ob der Kläger noch so sehr wachsen wird, dass die Gefahr eines wachstumsbedingten Aufbrechens des instabilen Narbengewebes fortbesteht, war mithin nach dem Inhalt der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen medizinisch nicht abschließend geklärt. Dann aber durfte das Berufungsgericht die vom Kläger aufgestellte Behauptung, ihm drohten trotz seines inzwischen fortgeschrittenen Alters immer noch wachstumsbedingte Beeinträchtigungen - und damit verbunden Gefahren für Leib und Leben bei der Rückkehr in sein Heimatland - nicht als völlig unsubstantiierte, gleichsam aus der Luft gegriffene Tatsachenbehauptung abtun, die eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht erfordere. Auch der Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs auf die nach dem Gesetz erforderliche beachtliche Wahrscheinlichkeit rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn ob eine konkrete Gefahr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann, kann der Verwaltungsgerichtshof unter den angegebenen Umständen des Falles erst dann rechtlich beurteilen, wenn aus medizinischer Sicht geklärt ist, ob bei dem Kläger - wie von ihm geltend gemacht - auch weiterhin noch erhebliche wachstumsbedingte Hautveränderungen mit gesundheitlichen Risiken auftreten oder nicht. Sollte der Hinweis daher so gemeint sein, dass allenfalls die Möglichkeit, aber nicht die erforderliche Wahrscheinlichkeit einer Gefahr im Sinne des § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG prognostiziert werden könne - dafür spreche die Ausführungen zuvor (BA S. 6 Abs. 2), für den Senat stehe auf Grund der amtsärztlichen Stellungnahmen fest, "dass weitere wachstumsbedingte Operationen beim Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich sein werden" -, so läge darin eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Die Ablehnung der beantragten Beweiserhebung mit der gegebenen Begründung findet mithin im Gesetz keine Stütze; sie verletzt den Kläger in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) und verstößt zugleich gegen die Pflicht des Berufungsgerichts zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO).