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LG Köln

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Zitieren als:
LG Köln, Beschluss vom 12.09.2013 - 34 T 148/13 - asyl.net: M21449
https://www.asyl.net/rsdb/M21449
Leitsatz:

Die Entscheidung über die Anordnung einer Hausdurchsuchung zum Zwecke der Ingewahrsamnahme und Abschiebung eines Ausländers ist in Nordrhein-Westfalen den Amtsgerichten zugewiesen.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist eröffnet.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Hausdurchsuchung, Wohnungsdurchsuchung, Ingewahrsamnahme, Abschiebung, Amtsgericht, sachliche Zuständigkeit, Zuständigkeit,
Normen: OBG NRW § 14, OBG NRW § 24, PolG NRW § 41, PolG NRW § 42, PolG NRW § 35, PolG NRW § 36,
Auszüge:

[...]

2) Die sofortige Beschwerde ist auch begründet, da die Antragstellerin bei der beantragten Hausdurchsuchung zur Gefahrenabwehr handelt und das nordrhein-westfälische Landesrecht die Entscheidung über die Durchsuchung und die Freiheitsentziehung den ordentlichen Gerichten zuweist (§§ 14, 24 OBG NRW in Verbindung mit §§ 35, 36 Abs. 2 S. 2 PolG NRW und 41, 42 Abs. 1 S. 2 und 3 PolG NRW).

a) Die beantragte Hausdurchsuchung stellt eine Maßnahme der Gefahrenabwehr dar, da sich die Betroffene als Ausländerin unter Verstoß gegen § 4 AufenthG ohne Aufenthaltstitel in Deutschland aufhält. Der Verstoß gegen das Aufenthaltsgesetz stellt gleichzeitig eine Verletzung der öffentlichen Sicherheit dar. Die Abschiebung der Betroffenen im Sinne von § 58 AufenthG, auf die die beantragte Hausdurchsuchung abzielt, führt zu einer Beendigung des illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet. Die Gefahr für die öffentliche Sicherheit wird abgewehrt.

b) Die beantragte Hausdurchsuchung und die beabsichtigte anschließende Ingewahrsamnahme zum Zwecke der Abschiebung finden ihre Rechtsgrundlage in den §§ 14, 24 OBG NRW in Verbindung mit §§ 41, 42, 35, 36 PolG NRW. Die Ausländerbehörde der Antragstellerin ist eine Ordnungsbehörde im Sinne von § 14 OBG NRW. Für diese gelten gemäß § 24 OBG NRW die vorgenannten Vorschriften des Polizeigesetzes entsprechend. Gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Variante 2 Polizeigesetz NRW kann damit die Ordnungsbehörde eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten und durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die nach § 35 PolG NRW in Gewahrsam genommen werden darf. Ob die Voraussetzungen der genannten Vorschriften im konkreten Einzelfall vorliegen, muss hier nicht entschieden werden, da es hier allein um die Frage der Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte geht.

c) Die Anordnung der Durchsuchung und der anschließenden Freiheitsentziehung sind gemäß §§ 42 Abs. 1, 36 Abs. 2 S. 1 PolG NRW den Amtsgerichten zugewiesenen. Das Handeln der Ordnungsbehörden zum Zwecke der Gefahrenabwehr ist zwar öffentlich-rechtlich. Mithin ist für einen Streit über eine Maßnahme der Gefahrenabwehr grundsätzlich gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die §§ 42 Abs. 1, 36 Abs. 2 S. 1 PolG enthalten jedoch eine abdrängende Sonderzuweisung im Sinne von § 40 Abs. 1 S. 2 VwGO (vergleiche dazu VG Oldenburg, Urteil vom 06.06.2012, NVwZ-RR 2012, 721 ff. Rn. 13; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 2.Auflage 2006, § 40 Rn. 628 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, neunzehnter Auflage 2013, § 40 Rn. 49 b; Haack in Gäditz, VwGO, 2013. §§ 40 Rn. 143; Reimer in Posser/Wolff, VwGO, 2008 Rn. 50 b, 202). Dies hat zum Hintergrund, dass der Gesetzgeber den Amtsgerichten – aufgrund ihrer Erfahrungen im Strafverfolgungsbereich – eine größere Sachnähe zutraut und sie ortsnäher sind (Vergleich Sodan a.a.O. Rn. 629 ff.).

d) Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist eröffnet. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. [...]