FG Hessen

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Zitieren als:
FG Hessen, Urteil vom 24.06.2013 - 3 K 134/10 - asyl.net: M21508
https://www.asyl.net/rsdb/M21508
Leitsatz:

Der Anspruch des Klägers auf Kindergeld für seine Kinder nach § 62 Abs. 2 EStG besteht auch dann fort, wenn er die Identität seines Bruders genutzt hat, denn die Wirksamkeit eines Aufenthaltstitels richtet sich nach dem materiellen Adressatenbegriff.

Schlagwörter: Kindergeld, Familienkasse, Täuschung über Identität, Anspruchsvoraussetzungen, materieller Adressatenbegriff, Kindergeldanspruch,
Normen: EStG § 62 Abs. 1, AufenthG § 101,
Auszüge:

[...]

18 Zwar besaß der Kläger keinen der in § 62 Abs. 2 EStG explizit genannten Aufenthaltstitel. Das liegt darin begründet, dass das AuslG zum 01.01.2005 durch das AufenthG abgelöst wurde und die in § 62 Abs. 2 EStG genannten Titel nur noch auf das AufenthG Bezug nehmen. Das heißt aber nicht, dass Ausländer, die seinerzeit einen Titel nach dem AuslG erhalten haben, vom Kindergeldbezug ausgeschlossen sind. Die bisherigen Aufenthaltsrechte gelten vielmehr nach Maßgabe von § 101 AufenthG fort. Die Familienkassen müssen in diesen Fällen selbst prüfen, ob die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 EStG durch die als Aufenthaltstitel nach dem AufenthG weitergeltenden früheren Aufenthaltsgenehmigungen erfüllt sind.

19 Die Familienkasse ist zu Recht davon ausgegangen, dass die dem Kläger im Streitzeitraum gewährten Aufenthaltstitel einen Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 2 EStG begründen. [...]

23 2. Der Ansicht der Familienkasse, der Kläger sei im Streitzeitraum nicht im Besitz eines zum Bezug von Kindergeld berechtigenden Aufenthaltstitels gewesen, weil die vorgenannten Aufenthaltsbefugnisse nicht auf seinen, sondern auf den Namen seines Bruders ausgestellt sind, schließt sich das erkennende Gericht nicht an.

24 a) An der Wirksamkeit der Aufenthaltstitel ändert es nichts, dass der Kläger im Streitzeitraum gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und der örtlichen Ausländerbehörde die Identität seines Bruders XY benutzt hat. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Es gilt der materielle Adressatenbegriff, wonach es unerheblich ist, wer nach den Regelungen des materiellen Rechts verpflichtet werden könnte und wer als Empfänger des Verwaltungsakts bezeichnet worden ist. Maßgeblich ist stattdessen derjenige, für den nach dem Inhalt der getroffenen Regelung unmittelbar Rechte oder Pflichten begründet werden (vgl. Kopp-Ramsauer, VwVfG Kommentar, 13. Aufl., § 43 Tz. 10). Voraussetzung für eine demnach wirksame Bekanntgabe ist lediglich, dass der Betreffende als Adressat wirklich existiert (vgl. Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 7. Aufl., § 43 Tz. 179). [...]