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OVG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 07.08.2013 - 4 LB 14/12 - asyl.net: M21538
https://www.asyl.net/rsdb/M21538
Leitsatz:

Eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG, die bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck als dem Familiennachzug zu einem ausländischen Ehegatten gilt, bezieht sich nicht mehr auf den Zeitraum der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Einbürgerung des Ehegatten.

Der Familiennachzug zu Deutschen stellt aus Sicht des sich Verpflichtenden einen eigenständigen Aufenthaltszweck gegenüber dem Ehegattennachzug zu einem Ausländer dar.

In der Einbürgerung des Ehegatten liegt darüber hinaus ein Umstand, der bei der Heranziehung eines Unterzeichners einer Verpflichtungserklärung eine Ermessensentscheidung gebietet.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Verpflichtungserklärung, Einbürgerung, deutsche Staatsangehörigkeit, Familiennachzug, Familiennachzug zu Deutschen, Sozialleistungen, Kostenerstattung, Kostenschuldner, deutscher Ehegatte, einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, Willenserklärung, Wechsel des Aufenthaltszwecks,
Normen: AufenthG § 68,
Auszüge:

[...]

Inwieweit die Leistungen, für die der Beklagte vorliegend eine Erstattung verlangt hat, und der von ihnen betroffene Zeitraum von der Erklärung abgedeckt sind, ist eine Frage des Inhaltes der nach wie vor wirksamen Verpflichtungserklärung.

Inhalt und Reichweite der Verpflichtungserklärung des Klägers sind durch Auslegung anhand objektiver Umstände (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Es ist durch Auslegung zu bestimmen, für welchen Aufenthaltszweck und welche (Gesamt-)Aufenthaltsdauer sie gelten soll. Der Geltungsdauer der dem Ausländer, für den die Verpflichtung eingegangen wurde, erteilten Aufenthaltsgenehmigung kommt in der Regel keine entscheidende Bedeutung zu. Die Unterhaltsverpflichtung endet, wenn sie nicht ausdrücklich befristet ist, nach Maßgabe der Auslegung im Einzelfall mit dem Ende des vorgesehenen Aufenthalts. Hängt die vorgesehene Aufenthaltsdauer - wie häufig - vom Aufenthaltszweck ab, kann auch der Zeitraum der Verpflichtung anhand des Aufenthaltszwecks bestimmt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.). Bei der Auslegung ist ferner zu berücksichtigen, dass die Verpflichtungserklärung auf einem Formular des Erklärungsempfängers abgegeben wurde. Grundsätzlich ist bei der Auslegung einer Willenserklärung auf den Empfängerhorizont abzustellen, doch kann es sich anders verhalten, wenn die Erklärung auf einem derartigen Formular abgegeben wird. In einem solchen Fall kommt es jedenfalls auch darauf an, wie der Erklärende die Eintragungen im Formular verstehen durfte, wobei Zweifel zu Lasten des Formularverwenders gehen (OVG Lüneburg, Beschl. v. 05.06.2007 m.w.N., juris; BayVGH, Urt. v. 26.04.2012 - 10 B 11.2838 -, Juris; zu allem vgl. Senatsurt. v. 10.08.2012 - 4 LB 8/12 und 4 LB 9/12 -).

Die vom Kläger 2006 abgegebene Verpflichtung bezieht sich ihrem Wortlaut nach nicht mehr auf den Zeitraum, in dem die im angefochtenen Bescheid geltend gemachten Aufwendungen entstanden sind. Die auf bundeseinheitlichem Vordruck (Bundesdruckerei Art.-Nr. 10150) abgegebene Erklärung bezeichnet den Zeitraum der Verpflichtung als "vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit am ... bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck". Beginn der Geltungsdauer der Verpflichtung sowie der Aufenthaltszweck sind in der Erklärung durch individuellen Zusatz in hervorgehobener Schriftgröße mit "ab Tag der Einreise zwecks Familiennachzug" festgehalten.

Für die Auffassung des Klägers, mit der Verpflichtungserklärung sei lediglich der Zeitraum der Geltungsdauer eines dreimonatigen Besuchsvisums abgedeckt worden, findet sich in der Erklärung auch aus Sicht des Verständnishorizontes des Erklärenden bei Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB allerdings kein Anhaltspunkt. Dass das Formular zuvor gegenüber dem Kläger im Zusammenhang mit kurzen Besuchsaufenthalten anderer Personen verwendet worden war, ist insoweit nicht maßgeblich. Ein Besuchsvisum für Frau C. stand nicht in Rede. Auch die Gültigkeitsdauer des dreimonatigen Einreisevisums von Frau C. begrenzt nicht die Wirksamkeit der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O. Rn. 34), zumal der ausdrücklich in seine Erklärung aufgenommene Aufenthaltszweck des Familiennachzuges längerfristiger Natur war und schon von daher eine Parallele zu einem vorübergehenden Besuchsaufenthalt ausschied.

Jedoch war die Erteilung eines Aufenthaltstitels an Frau C. ab dem 9. Februar 2009 nach der im August 2008 erfolgten Einbürgerung ihres Ehemannes mit einem Wechsel des Aufenthaltszwecks verbunden, der dazu führte, dass sich die Verpflichtungserklärung des Klägers nicht mehr auf den nach dieser Erteilung des Aufenthaltstitels liegenden Zeitraum bezog. Dem steht nicht entgegen, dass die Ausländerbehörde (wie sie auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt hat) trotz der deutschen Staatsangehörigkeit des Ehemannes von Frau C. im Februar 2009 erneut eine - bis Februar 2011 gültige - Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG für Ehegatten eines Ausländers und erst ab 2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 AufenthG für Ehegatten eines Deutschen erteilt hat, da es sich insoweit um einen offensichtlichen Irrtum in der Angabe der Rechtsgrundlage handelte, der nicht zu Lasten des Klägers gehen kann. Soweit für die Beendigung des Gültigkeitszeitraumes einer Verpflichtungserklärung aufgrund des Wechsels des Aufenthaltszwecks des betreffenden Ausländers gefordert wird, dass der neue Aufenthaltszweck aufenthaltsrechtlich anerkannt worden sein muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O. Juris Rn. 34; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.03.2013 - 12 S 1188/12 -, Juris Rn. 31) und deshalb nicht allein das Hineinwachsen in eine materiell-rechtliche Anspruchsposition maßgeblich sein könne, weil dem Erfordernis eines Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels und eines diesbezüglichen Verwaltungsverfahrens Rechnung zu tragen sei (VGH-Baden-Württemberg, a.a.O. m.w.N., entgegen Funke-Kaiser, in: GK zum AufenthG, § 68 Rn. 5, 22), so waren auch diese Voraussetzungen im Falle von Frau C. erfüllt. Der hier streitgegenständliche Leistungszeitraum liegt nach der ausländerbehördlichen Bescheidung ihres Antrages auf Verlängerung ihres Aufenthaltstitels, die rechtmäßig nur auf Grundlage des § 28 Abs. 1 AufenthG hätte erfolgen dürfen.

Bei dem Familiennachzug zu Deutschen i.S.v. § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG handelt es sich um einen gegenüber dem Familiennachzug in Gestalt des Ehegattennachzuges nach § 30 AufenthG eigenständigen Aufenthaltszweck im Sinne der vom Kläger abgegebenen Verpflichtungserklärung.

Nach dem in §§ 7 und 8 AufenthG verankerten Trennungsprinzip wird ein Aufenthaltstitel nur für einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt, an den das Gesetz unterschiedliche Rechtsfolgen - etwa hinsichtlich der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder der Verfestigung des Aufenthalts - knüpft. Ein Ausländer kann seine aufenthaltsrechtlichen Ansprüche nur aus den Rechtsgrundlagen ableiten, die der Gesetzgeber für die spezifischen, von ihm verfolgten Aufenthaltszwecke geschaffen hat. Die unterschiedlichen Arten von Aufenthaltserlaubnissen stellen daher jeweils eigenständige Regelungsgegenstände dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.03.2013 - 1 C 12/12 -, Juris Rn. 21; Urt. v. 09.06.2009 - 1 C 11/08 - BVerwGE 134, 124; Urt. v. 04.209.2007 - 1 C 43/06 -, BVerwGE 129, 226). Nach § 8 Abs. 1 AufenthG sind auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis dieselben Vorschriften anzuwenden wie auf die Erteilung. Richtet sich die Abgrenzung der unterschiedlichen Aufenthaltszwecke der Aufenthaltstitel maßgeblich nach ihren Rechtsfolgen (insbesondere für die Verlängerung, Aufenthaltsverfestigung, u.U. auch die Gestattung der Erwerbstätigkeit), so liegt in der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einbürgerung des Ehegatten eine relevante Zäsur, die ungeachtet des in den Überschriften zu §§ 27 bis 29 AufenthG (und vorliegend in der Verpflichtungserklärung des Klägers) verwandten Oberbegriffes "Familiennachzug" innerhalb des 6. Abschnitts des AufenthG "Aufenthalt aus familiären Gründen" einen Wechsel des Aufenthaltszwecks im Verhältnis der Titel nach § 30 und § 28 AufenthG begründet. Zwar ist die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft Voraussetzung für die Verlängerung beider Arten von Aufenthaltstitel. Unterschiede bestehen aber gerade hinsichtlich der für den Erklärenden einer Verpflichtung nach § 68 AufenthG bedeutsamen wirtschaftlichen Grundlagen für den Lebensunterhalt der Ehegatten. Während für die Verlängerung des Aufenthalts des Ehegatten eines Ausländers nach § 30 Abs. 1 und 3 AufenthG Ermessen hinsichtlich einer Abweichung vom der Regelerteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auszuüben ist, soll die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten eines Deutschen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 AufenthG in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt werden. Damit kommt es nur noch in einem atypischen Ausnahmefall auf die wirtschaftliche Absicherung des ausländischen Ehegatten eines Deutschen an. Des Weiteren begründet die deutsche Staatsangehörigkeit unter dem Schutz des Art. 6 GG, Art. 8 EMRK eine entscheidende Aufenthaltsverfestigung für den ausländischen Ehegatten, da seinem Ehegatten - anders als bei Ehen zwischen ausländischen Partnern - wegen des Grundrechts aus Art. 11 GG die Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland grundsätzlich nicht zugemutet werden kann und sich das Gewicht der privaten Interessen am Ehegattennachzug zur Führung der ehelichen Gemeinschaft im Bundesgebiet deutlich erhöht (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.09.2012 - 10 C 12/12 -, BVerwGE 144, 141 Juris Rn. 26 f. m.w.N.).

Für denjenigen, der eine Verpflichtungserklärung abgibt, kommt es vor allem auf die Überschaubarkeit des Umfangs und Dauer der potentiell auf ihn zukommenden finanziellen Belastungen an. In der Aufenthaltsverfestigung aufgrund einer deutschen Staatsangehörigkeit des Ehegatten des Ausländers, für dessen Lebensunterhalt die Verpflichtung abgegeben werden soll, wird regelmäßig aus Sicht des Erklärenden ein für seine Willenserklärung ganz wesentlicher Umstand liegen, weil sich durch sie der Familiennachzug von einem längerfristigen zu einem regelmäßig dauerhaften Aufenthaltszweck entwickelt. Auch aus objektiver Sicht des Erklärenden liegt daher in der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Einbürgerung des sich schon im Bundesgebiet aufhaltenden Ehegatten ein Wechsel des Aufenthaltszwecks, der die zeitliche Gültigkeit der von ihm abgegebenen Verpflichtung begrenzt. Zu berücksichtigen ist hierbei weiterhin, dass auch nach laienhafter Kenntnis eine Einbürgerung die grundsätzliche Fähigkeit zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie voraussetzt. Mit einer Fortdauer der Gültigkeit der übernommenen finanziellen Erstattungsverpflichtung für einen Familiennachzug über den Zeitpunkt der Einbürgerung des Ehegatten hinaus braucht der Erklärende nicht zu rechnen.

Selbst wenn man in der Änderung des Aufenthaltstitels vom Ehegattennachzug zu einem Ausländer hin zum Ehegattennachzug zu einem Deutschen keinen Wechsel des Aufenthaltszwecks sähe und damit die Verpflichtungserklärung Leistungen für den Lebensunterhalt von Frau C. auch noch nach Einbürgerung ihres Ehemannes umfasste, wären die ergangenen Bescheide rechtswidrig, weil es jedenfalls an einer erforderlichen Ermessensbetätigung des Beklagten über die Frage der Heranziehung des Klägers für den streitgegenständlichen Zeitraum fehlt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. Senatsurt. v. 10.08.2012 - 4 LB 8/12 -), ist der Verpflichtete im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedürfte. Ein Regelfall wird vorliegen, wenn der Aufenthalt des Ausländers in Deutschland allein oder überwiegend private Gründe hat und dementsprechend der Lebensunterhalt ausschließlich von privater Seite zu sichern ist. Zudem muss die Lebensunterhaltssicherung einschließlich der finanziellen Belastbarkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren voll und individuell geprüft worden sein und es darf nichts dafür sprechen, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung des Verpflichteten führen könnte. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten etwa eingeräumt werden. Wann in diesem Sinne ein Ausnahmefall vorliegt, ist anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden und unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung (BVerwG, Urt. v. 18.04.2013 - 10 C 10/12 -, Juris, sowie Urt. v. 24.11.1998, a.a.O.). Die Besonderheiten des Einzelfalls sind bereits bei der Geltendmachung der Forderung von rechtlicher Bedeutung und kommen nicht erst im vollstreckungsrechtlichen Verfahren, sei es durch Stundung, Niederschlagung oder Erlass der Forderung, zum Tragen.

Nach dem oben Dargelegten liegt in der zwischenzeitlichen Einbürgerung des Ehemannes von Frau Sevgi C., für welche der Kläger die Verpflichtung übernommen hatte, ein Umstand, der einen Ausnahmefall begründet, auch wenn der Aufenthalt von Frau C. weiterhin den privaten Grund der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft (wie auch der Lebensgemeinschaft mit ihren Kindern, von denen mindestens eines die deutsche Staatsangehörigkeit haben dürfte) hat. Durch die Einbürgerungsentscheidung zugunsten von Herrn C., deren genaue Rechtsgrundlagen hier dahinstehen können und aus dem Verwaltungsvorgang nicht ersichtlich sind, hat die Bundesrepublik eine entscheidende Ursache für einen dauerhaften Aufenthalt auch der vom Schutz der Art. 6 GG, Art. 8 EMRK erfassten Familienmitglieder gesetzt, bei der er gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG regelmäßig auch eine positive Prognose hinsichtlich der Lebensunterhaltssicherung des Einbürgerungsbewerbers für sich und seine Angehörigen zu treffen hatte. Die selbständige Unterhaltsfähigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG gehört zu den gesetzlichen Mindestvoraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit das den Einbürgerungsbehörden nach § 8 Abs. 1 StAG eingeräumte Ermessen eröffnet ist; ein besonderer Härtefall i.S.v. § 8 Abs. 2 StAG, bei dem von der Voraussetzung der selbständigen Unterhaltssicherung abgesehen werden kann, muss durch atypische Einzelfallgesichtspunkte bedingt sein (std. Rspr. des BVerwG, vgl. Beschl. - 5 PKH 13/12 - v. 06.02.2013 m.w.N., Juris). Somit geböte es im vorliegenden Fall der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz schon aufgrund der Einbürgerung des Ehemannes von Frau C., im Einzelfall darüber zu entscheiden, inwieweit dem Kläger eine Heranziehung zur Erstattung von öffentlichen Leistungen für den Zeitraum nach der Einbürgerung überhaupt zugemutet werden kann bzw. in welchem Umfang dies der Fall ist.

Eine Ermessensentscheidung wäre hier darüber hinaus wegen der nur überschlägig erfolgten Prüfung der Leistungsfähigkeit des Klägers bei Abgabe seiner Verpflichtungserklärung geboten, weil die Behörde angesichts des ihr aus der zusammen mit der Verpflichtung abgegebenen ergänzenden Erklärung des Klägers bekannten Umfangs seiner Unterhaltsverpflichtungen gegenüber vier weiteren Personen eine Risikoentscheidung getroffen und somit eine Mitverantwortung übernommen hat, indem sie keine eingehende und sorgfältige, sondern nur eine überschlägige Bonitätsprüfung des Erklärenden vorgenommen hat (vgl. dazu schon Senatsurt. v. 10.08.2012 - 4 LB 8/12 -). Die vom Kläger unterschriebene Bestätigung, zu der Verpflichtung aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Lage zu sein, ersetzt eine individuelle Bonitätsprüfung jedenfalls dann nicht, wenn die Ausländerbehörde die Geltungsdauer der Verpflichtungserklärung über den Geltungszeitraum des Einreisevisums hinaus begründen wollte. Eine solche Verpflichtung kann zu unabsehbar hohen Kostenerstattungsforderungen führen. Hat sich die Ausländerbehörde in einem solchen Falle mit einer bloßen Versicherung des Verpflichtungsgebers begnügt, bedarf es auch aus diesem Grunde gesonderter Ermessenserwägungen über die Heranziehung. Dass der Kläger hier seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht bestritten hat, macht eine Ermessensentscheidung nicht von vorneherein entbehrlich, da sich der Kläger auf Grundlage seiner Rechtsauffassung, seine Verpflichtungserklärung beziehe sich nur auf den Dreimonatszeitraum üblicher Besuchsvisa, hierzu nicht äußern musste. Hat die Ausländerbehörde zum Zeitpunkt der Abgabe der Verpflichtungserklärung für einen längerfristigen Aufenthaltszweck eine volle Bonitätsprüfung unterlassen, so ist eine solche bei der Entscheidung über die Heranziehung des Erklärenden zur Erstattung öffentlicher Aufwendungen nachzuholen (vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 05.06.2007 - 22 LC 88/06 -, Juris Rn. 12).

Bei der Bonitätsprüfung des Verpflichteten sind die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO zu berücksichtigen. Die Verpflichtungserklärung ist gemäß § 68 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes des Bundes vollstreckbar. Die sinngemäße Geltung der Vorschriften über den Vollstreckungsschutz nach §§ 850 ff. ZPO ergibt sich über die Verweisung des § 5 Abs. 1 VwVG auf § 319 AO (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.04.2013, a.a.O., Juris Rn. 33). Eine überschlägige Berechnung des pfändbaren Nettoeinkommens der Klägers zur Zeit der Abgabe der Verpflichtungserklärung anhand der Pfändungsfreibeträge des § 850c ZPO ergibt einen Betrag von monatlich lediglich ca. 125 €. Diese - anhand der Pfändungstabelle zu § 850c ZPO auch für die Ausländerbehörde rasch ermittelbare - geringe Höhe des für regelmäßige Unterhaltsleistungen für Frau C. einsetzbaren Betrages wäre bei der Frage, in welchem Umfang die Ausländerbehörde zum damaligen Zeitpunkt eine Mitverantwortung für die Unterhaltssicherung übernommen hat, im Rahmen der Ermessensentscheidung über eine Heranziehung des Klägers zu berücksichtigen.

Die gegenüber dem Kläger ergangenen Bescheide enthalten keine Ermessenserwägungen. Im Widerspruchsbescheid wird ausgeführt, aus der Verpflichtungserklärung ergebe sich keine zeitliche Beschränkung. Sachliche Gesichtspunkte für einen Ablauf der Verpflichtung seien nicht ersichtlich. Aus diesen Ausführungen lassen sich Erwägungen zur Ausübung eines Ermessens über die Heranziehung des Klägers, die sich mit dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, aber insbesondere auch mit der angemessenen Lastenverteilung angesichts der 2008 erfolgten Einbürgerung des Ehemanns von Frau C. und der dadurch bewirkten Aufenthaltsverfestigung befassen, nicht ableiten. [...]