OVG Sachsen

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Zitieren als:
OVG Sachsen, Beschluss vom 30.09.2013 - A 3 A 463/13 - asyl.net: M21550
https://www.asyl.net/rsdb/M21550
Leitsatz:

1. Eine informatorische Anhörung innerhalb einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bedarf nicht der Protokollierung gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO.

2. Eine Protokollierung ist gemäß § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO nur bei einem entsprechenden Antrag der Beteiligten erforderlich.

Schlagwörter: Parteivernehmung, rechtliches Gehör, informatorische Anhörung, Anhörung, Protokoll, Protokollierung,
Normen: ZPO § 160 Abs. 3 Nr. 4, ZPO § 160 Abs. 4 S. 1, ZPO § 165 S. 1,
Auszüge:

[...]

a. So greift bereits die Rüge, das Verwaltungsgericht habe gegen die gemäß § 105 VwGO anwendbaren Vorschriften der ZPO über die Abfassung von Sitzungsprotokollen verstoßen, nicht durch. Denn wie sich aus § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO ergibt, sind hiernach im Protokoll festzustellen u. a. die Aussagen der vernommenen Parteien. Allerdings handelte es sich bei den während der Anhörung des Klägers gemachten Aussagen nicht um solche während einer Parteivernehmung gemäß §§ 445 ff. ZPO, die gemäß § 450 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur durch einen entsprechenden Beweisbeschluss angeordnet werden kann. Vorliegend handelte es sich vielmehr nur um eine informatorische Anhörung, die der Gewährung rechtlichen Gehörs dienen sollte und von der Vernehmung des Klägers zu unterscheiden ist (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 98 Rn. 20 m.w.N.). Eine solche informatorische Anhörung bedarf nicht der Protokollierung gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO; eine Protokollierung ist gemäß § 160 Abs. 4 Satz 1 ZPO nur bei einem entsprechenden Antrag der Beteiligten erforderlich. Ein solcher ist nicht gestellt worden.

b. Auch verkennt der Kläger, dass die Beweiskraft des Protokolls gemäß § 165 Satz 1 ZPO, die auch dessen Inhalt nach § 160 Abs. 1 ZPO und damit gemäß § 160 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Namen der erschienenen Bevollmächtigten erfasst (Stöber, in: Zöller, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 165 Rn. 2 m.w.N.), nur mit dem Nachweis der Fälschung gemäß § 165 Satz 2 ZPO erschüttert werden kann; ein solcher Nachweis ist mit dem schlichten Hinweis, seine Prozessvertreterin sei nicht anwesend gewesen, aber nicht erbracht worden.

c. Darüber hinaus reicht für die Darlegung eines Gehörsverstoßes allein nicht aus, die angebliche fehlende oder fehlerhafte Protokollierung einer Äußerung zu rügen. Es muss vorgetragen werden, dass und wenn ja welche Ausführungen vom Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen worden sind (Bergmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 78 AsylVfG Rn. 35 m.w.N.). Soweit der Kläger hierzu darauf abhebt, das Verwaltungsgericht habe sein Vorbringen zu seiner politischen Betätigung und die bei den Festnahmen erlittenen Misshandlungen nicht zur Kenntnis genommen, ist damit kein Anhörungsverstoß dargetan.

Das Verwaltungsgericht hat in dem Tatbestand des vom Kläger angegriffenen Urteils dessen Aussage bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 24. Mai 2011 sowie den Inhalt der Klagebegründung mit Schreiben vom 3. Februar 2012 im Einzelnen wiedergegeben; in diesem Rahmen wird die vom Kläger angegebene politische Betätigung in kurdischen Organisationen geschildert. Auch werden hier die damaligen Angaben des Klägers zu seinen Misshandlungen während seiner Inhaftierung aufgeführt. Darüber hinaus werden die vom Kläger während seiner informatorischen Anhörung dazu gemachten Angaben im Tatbestand wiedergegeben. Hierzu hat das Verwaltungsgericht festgehalten, dass der Kläger Zeitschriften und Zeitungen für die BDP verteilt und Demonstrationen mitorganisiert habe. Zudem habe sich der Kläger an der Organisation einer Feierlichkeit zum Gründungstag der PKK beteiligt und selbst als BDP-Mitglied daran teilgenommen. Zu den Umständen seiner mehrfachen Festnahmen hat das Verwaltungsgericht festgehalten, dass er während der Haft beschimpft und beleidigt und wie die anderen festgenommenen Personen auch ohne Verpflegung gelassen worden sei. Dafür, dass das Verwaltungsgericht dabei wesentliches Vorbringen des Klägers nicht aufgeführt haben könnte, ergeben sich schon mangels entsprechender Rüge keine Anhaltspunkte. Hieraus folgt, dass das Verwaltungsgericht sowohl die politische Betätigung des Klägers wie auch die Umstände seiner mehrfachen kurzfristigen Inhaftierungen zur Kenntnis genommen und in seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Dass es dem Vorbringen einen anderen Stellenwert und eine geringere Bedeutung als der Kläger beigemessen hat, beruht auf der abweichenden Bewertung des Vorbringens durch das Verwaltungsgericht. Dies kann jedoch nicht die Zulassung wegen eines Verfahrensmangels nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG rechtfertigen (Senatsbeschl. v. 5. Februar 2002 - A 3 B 4110.99 -, juris Rn. 4; jüngst Senatsbeschl. v. 26. Juni 2012 - A 3 A 347/11 -, Rn. 5). [...]