Geltendmachung der Kosten einer Vorführung zur Identitätsklärung und Passbeschaffung seitens der Ausländerbehörde bei Vorführung gegenüber einer aus Sierra Leone angereisten Delegation, deren Autorisierung Zweifeln begegnet.
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Danach darf das Oberverwaltungsgericht die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Verwaltungsgericht nur zurückverweisen, soweit das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt.
Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht leidet zum einen deshalb an einem wesentlichen Mangel, weil Gründe für die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung am 8. April 2011 gestellten Beweisantrages des Klägers weder in die Sitzungsniederschrift aufgenommen noch in den Entscheidungsgründen des Urteils des Verwaltungsgerichts dargelegt worden sind und dadurch gegen die Begründungspflicht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO verstoßen worden ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29.12.2010 - 7 B 6.10 - und 10.6.2003 - 8 B 32.03 -; OVG NRW, Beschluss vom 30.8.2011 - 13 A 1975/11.A -). Außerdem liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel auch insoweit vor, als dieser Beweisantrag zu diesem Zeitpunkt nicht oder jedenfalls nicht vollständig hätte abgelehnt werden dürfen, weil der Sachverhalt hinsichtlich der von dem Kläger aufgeworfenen Beweisfrage, ob er im September 2008 hinreichend ermächtigten Bediensteten des Staates Sierra Leone vorgeführt worden ist, nicht hinreichend geklärt gewesen ist. Jedenfalls als Folge des letztgenannten wesentlichen Verfahrensmangels sind eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme und eine weitere Verhandlung der Sache notwendig. Denn der Sachverhalt ist hinsichtlich der genannten Beweisfrage nach wie vor nicht hinreichend geklärt. Die Beklagte hat zwar in ihrer Berufungserwiderung das Verfahren der Einladung der Delegation aus Sierra Leone dargestellt und hervorgehoben, dass die Delegation vom Chief Immigration Officer des Landes Sierra Leone C. D. E. geleitet worden sei, der "fraglos autorisiert" und von hochrangigen Experten seines Immigration Departments begleitet worden sei, und hierzu auf eine in englischer Sprache verfasste Verbalnote der Botschaft der Republik Sierra Leone vom 27. Oktober 2011 verwiesen. Der Kläger hat insofern jedoch die Frage aufgeworfen, warum der sogenannte Chief Immigration Officer, über den die afrikanischen Tageszeitungen wegen Korruptionsvorwürfen berichteten, und die hochrangigen Experten des Immigration Departments des Landes Sierra Leone darauf angewiesen gewesen seien, sich ihre Dienstsiegel mit Hilfe der Bundespolizei bei einem Schlüsseldienst in Hamburg herstellen zu lassen. Hierzu hat die Beklagte nicht Stellung genommen, obwohl (auch) dieser von dem Kläger angeführte Umstand Zweifel an der Berechtigung der aus Sierra Leone angereisten Delegation begründet, weil erwartet werden kann, dass eine solche Delegation über eigene Dienstsiegel verfügt und diese (leicht transportierbaren) Gegenstände mit sich führt. Es ist daher der Sachverhalt insoweit weiter zu klären beispielsweise durch die Einholung einer Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums, nötigenfalls aber auch durch die Vernehmung eines oder mehrerer der von dem Kläger in seinem Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung am 8. April 2011 benannten Zeugen. Die von dem Kläger angeführte Beweisfrage ist auch entscheidungserheblich, da im Falle der nicht hinreichenden Berechtigung der Mitglieder der Delegation die angefochtenen Bescheide der Beklagten schon aus diesem Grunde rechtswidrig wären, ohne dass es insoweit noch auf die einzelnen Kostenpositionen ankäme.
Zum anderen ist der Sachverhalt unabhängig davon auch hinsichtlich weiterer wesentlicher Punkte, die der Kläger mit seiner Berufungsbegründung angeführt hat, ungeklärt und deshalb gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Gericht den Sachverhalt unter Heranziehung der Beteiligten von Amts wegen erforscht, weiter zu ermitteln. Diese im Hinblick auf die Berechtigung mehrerer erheblicher Kostenpositionen dem Grunde und der Höhe nach entscheidungserheblichen und daher klärungsbedürftigen Punkte hatte der Kläger bereits in seiner Klagebegründung im Einzelnen vorgetragen. Das Verwaltungsgericht hat den Sachverhalt insoweit gleichwohl nicht aufgeklärt, wozu es gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohnehin von Amts wegen verpflichtet gewesen ist, sondern lediglich in den Entscheidungsgründen seines Urteils festgestellt, dass die Leistungsbescheide der Beklagten rechtmäßig und die von der Beklagten geltend gemachten Aufwendungen "auch in der Höhe berechtigt" seien, ohne diese Feststellung zu begründen. Die erforderliche Begründung ergibt sich auch nicht aus der Begründung der angefochtenen Bescheide der Beklagten, auf die das Verwaltungsgericht Bezug genommen hat, da darin zu den einzelnen Kostenpositionen der Anhörungsgebühren nicht Stellung genommen worden ist. Es liegt daher auch insoweit ein wesentlicher Verfahrensmangel in Form des Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor. Auch aufgrund dieses Mangels des erstinstanzlichen Verfahrens sind eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme beispielsweise durch Einholung einer Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums, aber nötigenfalls auch durch die Vernehmung von Vertretern des Bundespolizeipräsidiums als Zeugen, wie dies die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren angeregt hatte, und eine weitere Verhandlung der Sache notwendig.
Es sind insbesondere folgende Punkte klärungsbedürftig: Gemäß dem Beleg Nr. 1 in dem von der Beklagten übersandten Verwaltungsvorgang (Beiakte B) ist am 17. September 2008 ein Betrag von 400 EUR einem Dolmetscher ausgehändigt worden. Diese Kosten sind dem Grunde und der Höhe nach nicht nachvollziehbar, da nicht ersichtlich ist, wofür diese "Dolmetschergebühren" gezahlt worden sind, wie viele Stunden der Dolmetscher an welchen Tagen tätig gewesen ist und nach welchem (Stunden-) Tarif er abgerechnet hat. Auch die Dolmetscherkosten in Höhe von 4.998 EUR, die gemäß dem Beleg Nr. 45 am 25. September 2008 "bar ausgezahlt" worden sind, sind nicht hinreichend nachvollziehbar, da auch insoweit unklar ist, wofür Dolmetscherkosten in dieser Höhe konkret angefallen sind, wie viele Stunden der Dolmetscher an welchen Tagen tätig gewesen ist (in der "Rechnung" ist lediglich von "14 Tage x 300 EUR" die Rede) und nach welchem Stundentarif oder sonstigem Tarif der Dolmetscher abgerechnet hat (in der "Rechnung" wird insoweit lediglich auf eine Vereinbarung Bezug genommen, die nicht vorgelegt worden ist). Auch die dem Kläger anteilig in Rechnung gestellten Kosten für "Arbeitsessen", "Abschlussessen" und "Mittagsverpflegung" sind dem Grunde und der Höhe nach teilweise nicht nachvollziehbar. Beispielsweise ist bei den Essen am 14., 15., 16. und 17. September 2008 (Belege Nr. 16, 19 und 22) und bei der "Mittagsverpflegung" (Belege Nr. 18 und 23) nicht ersichtlich, wer an diesen verschiedenen Essen teilgenommen hat. Soweit nach dem Beleg Nr. 31 ausweislich der Rechnung eines "China-Restaurants" vom 24. August 2008 an diesem Tag ein Essen zum Preis von 210 EUR (einschließlich "Tipp") stattgefunden hat, ist nicht nachvollziehbar, warum diese Kosten dem Kläger anteilig in Rechnung gestellt worden sind, da zu diesem Zeitpunkt die Delegation aus Sierra Leone noch nicht eingetroffen war. Völlig unklar ist auch, auf welcher Grundlage ein Betrag von genau 3.000 EUR für "Flugkosten Freetown - Brüssel / Frankfurt - Freetown f. C. E." bzw. für ein "prefinanced ticket" gemäß dem Beleg Nr. 42 am 25. oder 26. September 2008 ausgezahlt worden ist. Es dürfte unwahrscheinlich sein, dass das "pre-financed ticket" exakt 3.000 EUR gekostet hat. Auch ergibt sich aus dem Beleg Nr. 42 nicht, dass der Empfänger dieses Betrags die von ihm geltend gemachten Flugkosten durch die Vorlage des Flugtickets bzw. des "E-Ticket" - Ausdrucks oder in anderer Weise nachgewiesen hat. Der Kläger hat in seiner Klage- und Berufungsbegründung auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Taxikosten, Fahrtkosten, Parkgebühren und Tankkosten teilweise nicht hinreichend nachgewiesen sind, da aus den im Verwaltungsvorgang der Beklagten (Beiakte B) befindlichen Belegen größtenteils nicht ersichtlich ist, für wen bzw. welches Fahrzeug betreffend und im Zusammenhang mit welchen Fahrten bzw. Diensthandlungen diese Kosten angefallen sind. Der Hinweis der Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren, dass im Interesse der Mobilität der Teilnehmer der Anhörungsrunde unterschiedliche Fortbewegungsmittel hätten genutzt werden müssen und bei der Benutzung von Kraftfahrzeugen auch Parkgebühren und Tankkosten anfielen, trägt insoweit nicht zur Klärung bei. Der Zusammenhang mit den hier in Rede stehenden Diensthandlungen ist auch hinsichtlich der Kosten für die Handyaufladungen und die Prepaid-Karte auf der Grundlage der insoweit von der Beklagten vorgelegten Belege (Nr. 15, 17 und 40) nicht ersichtlich, zumal sich aus diesen teilweise auch nicht ergibt, für wen diese Kosten angefallen sind.
Nach allem leidet das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht an mehreren wesentlichen Mängeln und sind aufgrund dieser Mängel eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme sowie eine weitere Verhandlung der Sache notwendig.
Schließlich hat der Kläger auch die Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht beantragt, so dass die Sache gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts an dieses zurückverwiesen werden darf.