VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 15.01.2014 - 5 K 1574/13.TR - asyl.net: M21582
https://www.asyl.net/rsdb/M21582
Leitsatz:

Ein Asylantrag ist wirksam erst dann gestellt, wenn er entsprechend §§ 13, 14 AsylVfG beim Bundesamt gestellt wurde, eine vorherige Äußerung eines Asylbegehrens bei der Bundespolizei oder Ausländerbehörde ist insoweit rechtlich nicht von Bedeutung.

Ein Asylbewerber kann in den Fällen, in dem ein Mitgliedstaat seiner Aufnahme unter Bezugnahme auf Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO zugestimmt hat, dem nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht. Darauf, ob im Verfahren in den Vorschriften der Dublin-II-VO genannte Fristen beachtet wurden kommt es insoweit nicht an, da diesen Fristen keine ihn schützende Wirkung zukommt.

In Italien bestehen keine systemischen Mängel im vorstehenden Sinn.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Wiederaufnahme, Aufnahme, systemische Mängel, Asylverfahren, Aufnahmebedingungen, Dublin II-VO, Frist, Italien, subjektives Recht, Übernahmeersuchen, Asylantrag, wirksame Antragstellung, Haft, Schutzbegehren,
Normen: AsylVfG § 13, AsylVfG § 14, VO 343/2003 Art. 10 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Ein Asylverfahren ist bei der Beklagten nicht schon dadurch anhängig geworden, dass der Kläger ausweislich des Inhalts der Verwaltungsakte der Beklagten am 25. Januar 2013 gegenüber der Bundespolizei bzw. Ausländerbehörde des Landratsamts Rosenheim zu erkennen gegeben hat, dass er Asyl begehre. Ein Asylverfahren wird nämlich nicht durch die Äußerung eines Schutzbegehrens vor der Ausländerbehörde oder einer Polizeidienststelle eingeleitet, sondern erst durch die Stellung eines ordnungsgemäßen Asylantrags. Ein solcher liegt gemäß § 14 Abs. 1 AsylVfG grundsätzlich erst vor, wenn eine inhaltlich dem § 13 Abs. 1 AsylVfG entsprechende Willenserklärung gegenüber dem Bundesamt abgegeben worden ist. Dabei entspricht die Unterscheidung zwischen Asylbegehren und Asylantrag auch dem Unionsrecht. So ist in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes geregelt, dass die Mitgliedstaaten eine Asylbehörde benennen, die für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Regelung zeigt deutlich, dass die erste Äußerung eines Schutzbegehrens gegenüber einer für das Asylverfahren unzuständigen Behörde noch nicht als Asylantrag qualifiziert werden kann (vgl. hierzu auch VG Frankfurt, Urteil vom 18. September 2013 - 7 K 2661/13.F.A -, juris).

Da gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ein Asylantrag bei der Außenstelle des Bundesamtes, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, zu stellen ist, ist der Asylantrag des Klägers erst am 3. Juni 2013 rechtswirksam gestellt worden, als er ausweislich der Verwaltungsakte dort förmlich gestellt wurde. Soweit der Kläger der Auffassung ist, dass in seinem Fall aufgrund der im Zusammenhang mit seiner Inhaftierung stehenden Besonderheiten ein früheres Datum als maßgeblich angesehen werden müsse, teilt das Gericht diese Auffassung nicht. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 AsylVfG enthält zwar Sonderbestimmungen hinsichtlich einer Asylantragstellung durch einen sich in Haft befindlichen Ausländer, verpflichtet die Ausländerbehörde jedoch nur, einen bei ihr eingereichten schriftlichen Antrag dem Bundesamt zuzuleiten, wobei der Asylantrag auch dann erst zu dem Zeitpunkt gestellt ist, in dem er bei dem Bundesamt eingeht. Vorliegend hat der Kläger indessen keinen schriftlichen Asylantrag gestellt, so dass kein Raum dafür ist, als Zeitpunkt der Asylantragstellung ein früheres Datum als den 3. Juni 2013 anzusetzen, da es nicht entscheidungserheblich, aus welchen Gründen es nicht zu einer früheren Asylantragstellung kam. Von daher hat die Beklagte in ihrem an Italien gerichteten Zuständigkeitsklärungsersuchen kein unzutreffendes Datum genannt hat.

Im Übrigen kann das Gericht auch nicht erkennen, dass der Kläger eine Bearbeitung seines Asylantrags in Deutschland beanspruchen könnte, wenn Italien seine Zuständigkeit tatsächlich rechtsfehlerhaft bejaht hätte. Insoweit muss nämlich Berücksichtigung finden, dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. Urteil vom 10. Dezember 2013 - C-394/12 -, juris) ein Asylbewerber in den Fällen, in dem ein Mitgliedstaat seiner Aufnahme unter Bezugnahme auf Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO zugestimmt hat, dem nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden.

Darauf, ob im Verfahren in den Vorschriften der Dublin-II-VO genannte Fristen beachtet wurden kommt es vorliegend nicht an, denn die Bestimmungen dieser Verordnung richten sich als zwischenstaatliche Regeln vorrangig an die Mitgliedstaaten und begründen von daher regelmäßig keine subjektiven Rechte von Asylbewerbern. Insoweit kann auch Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO grundsätzlich nicht als Öffnungsklausel zur Durchsetzung individueller Ansprüche interpretiert werden (vgl. Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, Bd. 3, B2, § 27a Rdnrn. 26 und 60 ff.; Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG, Bd. 2, I, § 27a Rdnr. 25). [...]

Von daher ist die Kammer der Überzeugung, dass in Italien keine systemischen Mängel des Asylverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des EuGH vorliegen. Diese Auffassung wird im Übrigen auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geteilt (vgl. Beschlüsse vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10 – und vom 18. Juni 2013 – Nr. 53852/11 -) und zahlreichen weiteren deutschen Verwaltungsgerichten geteilt (vgl. VG Regensburg, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - RN 6 S 13.30720 -, juris, mit umfangreichen Nachweisen). Der gegenteiligen Auffassung (vgl. entsprechende Nachweise im vorstehend zitierten Beschluss des VG Regensburg und VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 11. April 2013 - 5a L 258/13.A -, VG Braunschweig, Urteil vom 21. Februar 2013 – 2 A 126/11 –, beide veröffentlicht bei juris) vermag sich die Kammer unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen nicht anzuschließen.

Soweit das OVG Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 19. Juni 2013 – 10 B 10627/13.OVG – und die beschließende Kammer mit Beschluss vom 23. September 2013 – 5 L 1274/13.TR – vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich einer von der Beklagten angeordneten Abschiebung von Asylbewerbern nach Italien gewährt haben, betrafen diese Entscheidungen atypische individuelle Sachverhalte, die mit demjenigen des Klägers des vorliegenden Verfahrens ersichtlich nicht vergleichbar sind. [...]