VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Beschluss vom 18.10.2013 - 2 L 1483/13.TR - asyl.net: M21583
https://www.asyl.net/rsdb/M21583
Leitsatz:

Bei der EURODAC-Datei handelt es sich um eine öffentliche Datei, die bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft eingerichtet wird und die dafür zuständig ist, im Namen der Mitgliedsstaaten eine zentrale Datenbank zu beschreiben. Werden in einer solchen Datenbank entsprechende Daten gespeichert, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese Daten auch zutreffend sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch einen entsprechenden substantiierten Vortrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Eintragung begründet werden bzw. wenn konkret entsprechend Berichtigungsanträge gestellt worden sind.

Derzeit bestehen im Anwendungsbereich der Dublin-II-Verordnung grundsätzlich keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Überstellung eines Asylbewerbers nach Ungarn.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: EURODAC, öffentliche Datei, zentrale Datenbank, Dublin II-VO, Ungarn, ernstliche Zweifel,
Normen: VO 343/2003 Art. 16 Abs. 1, AsylVfG § 27a,
Auszüge:

[...]

Zunächst ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass Ungarn gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin-II-VO für das Asylverfahren des Antragstellers zuständig ist. Im vorliegenden Verfahren ist nämlich davon auszugehen, dass der Antragsteller in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat. Die Einzelheiten zur Erfassung von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergeben sich aus der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von "EURODAC" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens (im Folgenden: EURODAC-VO). Art. 5 der EURODAC-VO regelt die Datenspeicherung, insbesondere den Umfang der zu speichernden Daten. Näheres wird durch die Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von "EURODAC" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens geregelt (im Folgenden: DurchführungsVO). In Art. 2 Abs. 3 der DurchführungsVO sind im Einzelnen die Anforderungen an die von dem jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat verwendete Kennnummer im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. d der EURODAC-VO geregelt, wobei die Kennbuchstaben der Mitgliedstaaten nach der ISO-Norm ISO 3166-2-Buchstabencode erfolgen. Entsprechend Art. 2 Abs. 3 Satz 2 der DurchführungsVO beginnt die Kennnummer mit dem oder den Kennbuchstaben, mit dem oder denen gemäß der im Anhang 1 genannten Norm (o.g. ISO-Norm), die die Daten übermittelnden Mitgliedstaaten bezeichnet werden. Dem oder den Kennbuchstaben folgt die Kennung für die Personenkategorien. Dabei werden Daten von Asylbewerbern mit "1", von Personen nach Art. 8 der EURODAC-Verordnung mit "2" und von Personen nach Art. 11 der EURODAC-Verordnung mit "3" gekennzeichnet.

Der aufgrund der vom Antragsterller in Ungarn abgenommenen Fingerabdrücke im EURODAC-System gefundene Treffer lautet: "HU 1……". Hieraus folgt, dass der Antragsteller in Ungarn (Buchst. HU) einen Asylantrag ("1") gestellt haben muss, denn gemäß Art. 2 Abs. 3 S. 3 der DurchführungsVO werden, wie bereits oben zitiert, Daten von Asylbewerbern mit "1" gekennzeichnet. Hat der Antragsteller aber in Ungarn einen Asylantrag gestellt, dann ist gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin-II Ungarn für die Entscheidung über den klägerischen Asylantrag zuständig. Insofern liegen die Voraussetzungen des § 27 a AsylVfG vor, womit ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig ist.

Nach Auffassung des Gerichts vermögen auch die Einwände des Antragstellers daran nichts zu ändern. Soweit in Abrede gestellt wird, einen Asylantrag gestellt zu haben, kann das Gericht dem nicht folgen. Insoweit ist zu beachten, dass es sich bei der EURODAC-Datei um eine öffentliche Datei handelt, die bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaft eingerichtet wird und die dafür zuständig ist, im Namen der Mitgliedstaaten eine zentrale Datenbank zu betreiben (vgl. Art. 3 Abs. 1 der EURODAC-VO). Werden in einer solchen Datenbank entsprechende Daten gespeichert, so ist grundsätzlich davon auszugehen, dass diese Daten auch zutreffend sind. Etwas anderes gilt nur dann, wenn durch einen entsprechenden substantiierten Vortrag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Eintragung begründet werden bzw. wenn konkret entsprechende Berichtigungsanträge gestellt worden sind (vgl. Art. 15 EURODAC-Datei). Der Vortrag des Antragstellers wird diesen Anforderungen jedoch nicht gerecht.

Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO glaubhaft gemacht. Dabei kann dahinstehen, ob bzw. inwieweit die Selbsteintrittskompetenz eines EU-Mitgliedsstaates nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO überhaupt ein subjektives Recht eines Asylbewerbers zu begründen vermag oder ob es sich dabei um ein bloßes Recht des einzelnen Unterzeichnerstaates des Dubliner Übereinkommens im Verhältnis zu den anderen Unterzeichnerstaaten handelt, denn jedenfalls sind Gründe, die die Antragsgegnerin verpflichten könnten, im Falle des Antragstellers von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen, im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011 (C 411/10 und C 493/10 - juris) "muss die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (RdNr. 80). Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Dennoch kann daraus nicht geschlossen werden, dass jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Verpflichtungen der übrigen Mitgliedstaaten zur Beachtung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 343/2003 berühren würde (RdNrn. 81 Charta implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (RdNr. 86)."

Soweit der Antragsteller unter Bezugnahme auf einen nicht näher bezeichneten Bericht des UNHCR die Auffassung vertritt, dass angesichts der Verhältnisse in Ungarn eine Überstellung dorthin nicht zulässig sei, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Zur Begründung kann hier zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in der Antragserwiderung vom 15. Oktober 2013 verwiesen werden. Das Gericht macht sich die dortigen Ausführungen mit den entsprechenden Rechtsprechungshinweisen vollinhaltlich zu Eigen. [...]