VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Beschluss vom 18.03.2014 - A 8 K 227/14 - asyl.net: M21689
https://www.asyl.net/rsdb/M21689
Leitsatz:

Es bestehen derzeit ernsthafte Zweifel an einem hinreichend funktionsfähigen Asylsystem in Zypern.

Schlagwörter: Zypern, systemische Mängel, Aufnahmebedingungen, Zypern, ernstliche Zweifel, unmenschliche Behandlung, erniedrigende oder unmenschliche Behandlung, Dublinverfahren, Dublin II-VO,
Normen: VO 343/2003 Art. 3 Abs. 2 S. 1, GR-Charta Art. 4, EMRK Art. 3,
Auszüge:

[...]

Es ist derzeit nach der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nur summarisch vorzunehmenden Prüfung noch als offen anzusehen, ob die Antragstellerin einen Rechtsanspruch darauf hat, dass die Antragsgegnerin von dem in Artikel 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO geregelten Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht, d.h. das dort geregelte Ermessen auf Grund eines drohenden erheblichen Eingriffs in Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta auf Null reduziert ist.

Die Frage, ob in Zypern "systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorliegen und ob eine Überstellung nach Zypern einen Verstoß gegen Artikel 4 der EU-Grundrechtecharta bzw. Artikel 3 EMRK darstellt, wird in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte unterschiedlich beantwortet (vgl. z. B. einerseits VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.08.2012 - 22 L 1158/12.A - und andererseits VG Stade, Beschluss vom 05.03.2014 - 1 B 168/14 -). Hinzu kommt, dass auch der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren umfangreiche Unterlagen vorgelegt hat, die zumindest ernsthafte Zweifel an einem derzeit hinreichend funktionsfähigen Asylsystem in Zypern aufwerfen. Eine Auswertung dieser Unterlagen im Einzelnen ist eben so wenig Sache des vorläufigen Rechtsschutzes wie eine weitere, insbesondere endgültige Beurteilung der Angaben, die die Antragstellerin zu ihrem Aufenthalt in Zypern gemacht hat. Danach sei sie dort als Asylbewerberin monatelang inhaftiert gewesen und habe eine unmenschliche Behandlung erlitten. Bei Berücksichtigung der gesamten Umstände sind die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung derzeit als offen anzusehen. Eine eingehendere Prüfung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Im Eilrechtsschutzverfahren ist jedenfalls bei der Abwägung das Interesse der möglicherweise auch psychisch kranken und vor allem traumatisierten Antragstellerin, bis zur Entscheidung über ihre Klage nicht zwangsweise nach Zypern rücküberstellt zu werden, angesichts der ihr nicht ausschließbar drohenden Gefahr einer weiteren menschenunwürdigen Behandlung höher zu bewerten als das öffentliche Interesse an einer möglichst umgehenden Rückführung der Antragstellerin aufgrund der Dublin-II-Verordnung. [...]