Der Tod des Asylberechtigten gehört nicht zu den Erlöschensgründen des § 72 Abs 1 AsylVfG. Dementsprechend bietet § 73 Abs. 2 b AsylVfG keine Grundlage dafür, dass Familienasyl anlässlich des Todes des Stammberechtigten zu widerrufen.
Der Widerruf des Familienasyls kann auch nicht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt werden, denn die Regelung in § 73 Abs. 2 b AsylVfG ist eine speziellere, abschließende Regelung.
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Gemäß § 73 Abs. 2 b Satz 1 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter nach den Vorschriften über das Familienasyl zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG vorliegen, d.h. wenn der Ausländer eine schwerwiegende Straftat begangen hat bzw. eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Diese Voraussetzungen liegen hier offensichtlich nicht vor, hierauf stützt auch die Beklagte den angegriffenen Bescheid nicht.
Die Anerkennung als Asylberechtigter ist gemäß § 73 Abs. 2 b Satz 2 AsylVfG ferner dann zu widerrufen, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten, von dem die Anerkennung abgeleitet worden ist, erlischt, widerrufen oder zurückgenommen wird und der Ausländer nicht aus anderen Gründen als Asylberechtigter anerkannt werden könnte. Vorliegend ist die Asylanerkennung des Stammberechtigen zu seinen Lebzeiten weder widerrufen noch zurückgenommen worden. Sie ist auch nicht erloschen. Der Stammberechtigte, der Ehemann der Klägerin, ist zwar am 19.08.1997 verstorben und dadurch hat sich dessen Asylanerkennung erledigt, jedoch gehört der Tod des Asylberechtigten nicht zu den Erlöschensgründen, die im Rahmen von § 72 Abs. 1 AsylVfG katalogartig aufgezählt werden (ebenso VG Schleswig, Urteil vom 10.08.2009 - 15 A 173/08 -, juris).
Die Frage, ob im Falle des Todes des Stammberechtigten eine analoge Anwendung des § 73 Abs. 2 b AsylVfG in Betracht kommt, ist zu verneinen. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift im Falle des Todes des Stammberechtigten würde voraussetzen, dass insoweit eine ungeplante Regelungslücke festzustellen ist. Zu einer solchen Annahme besteht kein Anlass. Das Familienasyl und nunmehr auch der Familienflüchtlingsschutz beruhen auf der Annahme der Erstreckung der Verfolgungsgefahr auf die weiteren Mitglieder der Kernfamilie des politisch Verfolgten. Eine solche Verfolgungsgefahr erledigt sich nicht notwendig, wenn sich der stammberechtigte Ehegatte von dem Familienasyl genießenden Ehegatten scheiden lässt, wenn die minderjährigen Kinder, denen Familienasyl gewährt wurde, volljährig werden, und wenn der Stammberechtigte stirbt. Dementsprechend kann ein fortbestehender Schutz in solchen Fällen durchaus gewollt sein. Gerade im Falle des Todes des Stammberechtigten besteht keine Veranlassung zu der Annahme, dass der Gesetzgeber einen insoweit typischerweise angebrachten Widerrufsgrund nur übersehen hat. Durch den Tod des Stammberechtigten erledigt sich nämlich die vermutete Verfolgungsgefahr für die Kernfamilie nicht in jedem Falle; nach dem Tod des Stammberechtigten ist es überdies schwierig, die verbleibende Gefahr für die Familie abzuklären. Selbst wenn keine Verfolgungsgefahr nach dem Tod des Stammberechtigten mehr besteht, kann es eine humanitäre Härte bedeuten, von der Witwe und den Waisen zu verlangen, nun allein ohne das Familienoberhaupt in den Heimatstaat zurückzukehren. Die Situation solcher Familien ist noch prekärer als die Situation der Familien, die nach einem rechtskräftigen Widerruf des Asyls für den Stammberechtigten gemeinsam in das Heimatland zurückkehren müssen (VG Schleswig, Urteil vom 10.08.2009 - 15 A 173/08 -, juris). Vor diesem Hintergrund ist auch der vorliegende Fall, dass der Stammberechtigte verstirbt, nicht mit dem Fall, in dem der Stammberechtigte eingebürgert wird und dadurch seine Asylanerkennung verliert, vergleichbar. Daher kann der Beklagten nicht beigepflichtet werden, wenn sie das fortbestehende Familienasyl im Fall des Versterbens des Stammberechtigten als nicht nachvollziehbare Besserstellung im Vergleich zu Familienasylberechtigten ansieht, deren Stammberechtigter noch lebt.
Soweit sich die Beklagte zur Begründung des angegriffenen Bescheids auf die Kommentierung von Bodenbender im Gemeinschaftskommentar (§ 26 Rn. 88) stützt, ergeben sich daraus keine weiterführenden Gesichtspunkte. In dieser Kommentierung wird der Standpunkt vertreten, der Tod des Asylberechtigten sei für sich genommen kein Grund für den Widerruf des Familienasyls und sei auch kein Grund für das Erlöschen der Anerkennung nach § 72 AsylVfG, gleichwohl gewinne das Familienasyl keine "Ewigkeitsgarantie" und könne nach § 73 Abs. 2 b AsylVfG widerrufen werden, wenn der Familienasylberechtigte nicht aus anderen Gründen anerkannt werden könnte und wenn keine zwingenden Gründe nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG vorliegen würden. Auf welchen rechtlichen Überlegungen diese These beruht und wie sie in Übereinstimmung mit § 73 Abs. 2 b AsylVfG zu bringen ist, bleibt allerdings offen, so dass die Auswertung dieser Kommentierung unergiebig ist.
Dementsprechend bietet § 73 Abs. 2 b AsylVfG keine Grundlage dafür, das Familienasyl anlässlich des Todes des Stammberechtigten zu widerrufen.
Der Widerruf des Familienasyls kann auch nicht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützt werden, denn die Regelung in § 73 Abs. 2 b AsylVfG ist eine speziellere, abschließende Regelung. Liegen ihre Voraussetzungen nicht vor, kann nicht ein Rückgriff auf § 73 Abs. 1 AsylVfG erfolgen (VG Schleswig, Urteile vom 17.11.2006 - 4 A 277/04 - und vom 10.08.2009 - 15 A 173/08 -, beide juris; Marx, AsylVfG, § 73 Rn. 203 ff.).
§ 73 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG regelt ausschließlich den Widerruf originärer Anerkennungen wegen des Wegfalls der politischen Verfolgung. Dies ergibt sich daraus, dass in § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG maßgeblich darauf abgestellt wird, ob sich der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Anerkennung als Asylberechtigter oder zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Der Widerruf der Asylanerkennung knüpft in diesen Fällen damit an das Prüfungsprogramm an, das auch der Anerkennung zugrunde gelegen hat. Bei der vom Stammberechtigten abgeleiteten Zuerkennung des Familienasyls wird eine eigene politische Verfolgung im Rahmen des Familienasyls dagegen grundsätzlich nicht geprüft. Anknüpfend an diesen Unterschied regelt das Gesetz im Rahmen von § 73 AsylVfG unterschiedliche Widerrufstatbestände (ebenso VG Schleswig, Urteil vom 10.08.2009 - 15 A 173/08 -, juris).
Ein anderer Standpunkt wird vom 12. Senat des Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 10.08.2000 (A 12 S 129/00) - allerdings zu einer früheren Gesetzesfassung - vertreten. Der VGH Baden-Württemberg hat sich zu der seinerzeitigen Fassung Gesetzes für eine ergänzende Heranziehung von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG für den Widerruf des Familienasyls ausgesprochen, und dies damit begründet, aus dem Begriff "... ferner ..." im Rahmen der damaligen Fassung von § 73 Abs. 1 S. 2 AsylVfG a.F. lasse sich ersehen, dass der Widerruf des Familienasyls nur ein Anwendungsfall des § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG sei (so auch - allerdings ohne Begründung - OVG Hamburg, Beschluss vom 19.06.2013 - 1 Bf 17/13.AZ -, AuAS 2013, 189; Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 73 AsylVfG, Rn, 17 ff.; im Ergebnis auch VG Karlsruhe, Urteil vom 21.09.2006 - A 6 K 11328/04 -, juris).
Nachdem die Vorschrift über den Widerruf des Familienasyls nicht mehr im Rahmen des § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG geregelt ist, sondern Gegenstand eines neuen Absatzes 2 b geworden ist, kann dieses vom VGH Baden-Württemberg hervorgehobene systematische Argument nicht mehr entscheidend sein. In 73 Abs. 2 b Satz 1 AsylVfG findet sich keine Verknüpfung der unterschiedlichen Widerrufstatbestände durch das Wort "ferner". Eine Verknüpfung durch das Wort "ferner" findet sich nun in § 73 Abs. 2 b Satz 2 AsylVfG, es ergänzt jedoch nicht mehr die Regelung über den Widerruf nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, sondern den in § 73 Abs. 2 b Satz 1 AsylVfG an erster Stelle genannten Grund für den Widerruf des Familienasyls (Widerruf des Familienasyls im Falle schwerer Straftaten). Ohnehin spricht in systematischer Hinsicht die Verlagerung der Vorschrift über den Widerruf des Familienasyls in einen eigenen Absatz mehr dafür, dass insoweit nun eine abschließende Regelung geschaffen werden sollte. Für eine solche Annahme spricht auch die einschlägige Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 23.04.2007 (Drucksache 16/5065, S. 219): "Abs. 2 b regelt den Widerruf des Familienasyls und des Familienflüchtlingsschutzes nach § 26, da die bisherige Regelung in Abs. 1 S. 2 nicht alle Fallgruppen abdeckt" Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die aktuelle Regelung über den Widerruf des Familienasyls somit "alle Fallgruppen" abdecken, ein Anlass für einen Rückgriff auf § 73 Abs. 1 AsylVfG als eine Art Grundtatbestand entspricht daher nicht der gesetzgeberischen Konzeption (VG Schleswig, Urteil vom 10.08.2009 - 15 A 173/08 -, juris). [...]