VG Schwerin

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Zitieren als:
VG Schwerin, Beschluss vom 02.05.2014 - 3 B 357/14 As - asyl.net: M21856
https://www.asyl.net/rsdb/M21856
Leitsatz:

Die Bestimmungen über Mutterschutzfristen im Mutterschutzgesetz können bei der Frage der Durchführbarkeit einer Abschiebung entsprechend herangezogen werden.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Mutterschutz, Mutterschutzgesetz, Mutterschutzfristen, Mutterschaft, Dublin III-Verordnung, Dublinverfahren, systemische Mängel, Schweiz, aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Schwangerschaft, Geburt,
Normen: VwGO § 80 Abs. 5, MuSchG § 3 Abs. 2, AsylVfG § 83a,
Auszüge:

3. Das Gericht hat seine Entscheidung in analoger Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO mit der Maßgabe versehen, dass die Antragsteller erst 8 Wochen nach Niederkunft der Antragstellerin zu 2) abgeschoben werden dürfen. Angesichts der - fachärztlich attestierten - bevorstehenden Niederkunft der Antragstellerin zu 2) (voraussichtlich am 4. Mai 2014) sind ihre Abschiebung und die Abschiebung des Antragstellers zu 1) nicht möglich. Die derzeit weit fortgeschrittene Schwangerschaft der Antragstellerin kann bei einer Reise zum jetzigen Zeitpunkt zu einer konkreten und ernsthaften Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit der Mutter oder des (ungeborenen) Kindes führen (zur Definition der Reiseunfähigkeit vgl. Bruns, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, AufenthG § 60a Rn. 10 (S. 737)).

Das Gericht geht davon aus, dass die Bestimmungen über Mutterschutzfristen im Mutterschutzgesetz bei der Frage der Durchführbarkeit einer Abschiebung entsprechend herangezogen werden können. Nach § 3 Abs. 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) dürfen werdende Mütter 6 Wochen vor der Entbindung grundsätzlich nicht mehr beschäftigt werden; das Beschäftigungsverbot dauert in der Regel bis 8 Wochen nach der Entbindung (vgl. § 6 Abs. 1 MuSchG). Die Vorschriften beruhen auf der allgemeinen Erkenntnis, dass im Falle einer erheblichen physischen oder psychischen Belastung der Schwangeren in dieser Zeit Gefahren für Mutter und Kind nicht von der Hand zu weisen sind. Diese gesetzgeberische Wertung zieht in aller Regel auch für Abschiebungen eine zeitliche Grenze (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG (Dezember 2012), § 60a Rn. 146; Bruns, aaO, § 60a Rn. 10; in diese Richtung auch Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 60a Rn. 29 m.w.N.).

Die psychische und physische Belastung durch eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung dürfte derjenigen, die beispielsweise eine Arbeit an einem Büroarbeitsplatz mit sich bringt, mindestens gleichkommen. Insofern besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Schwangere während der Mutterschutzfristen nicht gefahrlos abgeschoben werden kann (so auch VG Oldenburg (Oldenburg), Beschlüsse vom 29. Januar 2013, - 11 37/13 -, juris Rn. 10 und 01. November 2013 – 11 B 6467/13 –, juris 11).

Dies entspricht auch dem Inhalt des Erlasses des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 11. Mai 2011 - II 350c – 1300.1 – zur Frage landeseinheitlicher Regelung zur Abschiebung Schwangerer.

Dem Antragsteller zu 1) ist es als Ehemann und Vater nicht zuzumuten, seine Ehefrau allein zu lassen; daher darf auch er erst mit der Antragstellerin zu 2) abgeschoben werden (Art. 6 des Grundgesetzes [GG]).

4. Die Unterrichtung der Ausländerbehörden basiert auf § 83a AsylVfG.