VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 26.02.2014 - 23 K 5187/11.A - asyl.net: M21867
https://www.asyl.net/rsdb/M21867
Leitsatz:

Bestehen stichhaltige Gründe dafür, dass bei einem Betroffenen bei seiner Rückkehr nach Pakistan die Todesstrafe droht, ist subsidiärer Schutz zu gewähren.

Schlagwörter: Pakistan, Todesstrafe, interner Schutz, interne Fluchtalternative, subsidiärer Schutz, ernsthafter Schaden, unmenschliche Behandlung, Meldewesen, Moratorium, Meldesystem,
Normen: AufenhtG § 60 Abs. 2, AsylVfG § 4 Abs. 1 S. 1, AsylVfG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat jedoch Anspruch auf subsidiären Schutz i.S.v. § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 AsylVfG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe. Vorliegend gibt es stichhaltige Gründe dafür, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Pakistan die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht.

Seit Juli 2013 müssen zum Tode Verurteilte in Pakistan wieder mit ihrer Hinrichtung rechnen. Denn die Regierung hat die seit 2008 geltende Aussetzung der Todesstrafe auslaufen lassen (vgl. Kölner Stadt-Anzeiger, "Todesstrafe – Pakistans Regierung beendet Moratorium", 05.07.2013).

Hiervon ist auch der Kläger betroffen. Laut der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 15.11.2013 haben die Ermittlungen der Deutschen Botschaft in Islamabad ergeben, dass der FIR vom 23.11.2007 sowie der Haftbefehl vom 06.09.2012 echt sind. Ebenso echt ist demnach das Gerichtsurteil vom 05.10.2011, wodurch zwei angeklagte Personen zum Tode verurteilt, drei Angeklagte frei gesprochen werden und ein Angeklagter, nämlich der Kläger, zum dringend Tatverdächtigen erklärt wird. Der Richter hat demzufolge auch angeordnet, dass die zuletzt vom Verstorbenen getragene Kleidung, die sichergestellten Tatwaffen und andere Beweismittel bis zum Gerichtsverfahren nach der Festnahme des Klägers aufbewahrt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens verwiesen. Den in der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2013 gestellten Antrag zu 1., Beweis zu darüber zu erheben, dass der Kläger in Pakistan mit Haftbefehl gesucht wird und ihm bei Verurteilung im entsprechenden Strafverfahren die Todesstrafe droht, hat das Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung unanfechtbar abgelehnt. Auf die Gegenvorstellung des Klägers war eine erneute Entscheidung nicht geboten.

In Bezug auf die ihm drohende Todesstrafe kann der Kläger auch nicht auf internen Schutz i.S.v. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylVfG verwiesen werden. Ihm kann insbesondere nicht entgegen gehalten werden, dass in Pakistan kein funktionierendes Meldewesen bestehe und er sich deswegen einer strafrechtlichen Verfolgung entziehen könne. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es in Pakistan ein derartiges Meldesystem nicht gibt, gerade unter Berücksichtigung der Einschätzung der Beklagten in anderen von der Kammer entschiedenen Verfahren. So schrieb sie etwa in einem Bescheid vom 04.04.2013 – Az. 5537659-461 –, der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens 23 K 2414/13.A war, "(...) dass Pakistan über ein modernes Melderegister verfügt. Die Identifizierung eigener Staatsangehöriger dürfte für pakistanische Behörden deshalb regelmäßig unproblematisch sein. Ab einem Alter von 18 Jahren kann sich jeder Pakistaner einen Personalausweis ausstellen lassen. Dieser Personalausweis enthält folgende Daten: Fingerabdrücke, digitales Foto, Name, Elternname, Adresse, Registriernummer und die Familiennummer der Eltern. Diese Personalausweise werden in Pakistan in verschiedenen Bereichen des Zivillebens benötigt. Zum Beispiel bei der Eröffnung eines Bankkontos, bei der Aufnahme einer Arbeit, beim Studium, bei der Ausstellung eines Reisepasses und bei der Aufnahme in das Wählerverzeichnis. Bislang hat die Melderegisterbehörde 91 Mio. sogenannte ID-Karten (Personalausweise) für 96 % der erwachsenen Bevölkerung ausgestellt. Pakistan hat diese Datenbank bereits sehr erfolgreich zur Identifizierung und Unterstützung von Opfern von Gewalttaten und Naturgewalten genutzt."

Selbst wenn man annehmen würde, dass in Pakistan ein funktionierendes Meldewesen fehlt, so bedeutete dies nicht, dass dem Kläger dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit keine Strafverfolgung droht. Denn von der Ineffektivität eines Meldewesens oder auch von dessen Nichtexistenz – wie z.B. in Frankreich oder Großbritannien – kann nicht ohne Weiteres auf die Ineffektivität eines Strafverfolgungssystems geschlossen werden (so aber VG Aachen, Urteil vom 27.12.2012 – 6 K 2443/12.A –, juris, Rz. 67 ff. unter Verweis auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes).

Auch die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 15.11.2013 bietet keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan aus derartigen oder anderen Gründen nicht mit einer Verhaftung und gegebenenfalls Verurteilung zum Tode rechnen müsste. Den in der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2013 gestellten Antrag zu 4., Beweis zu erheben über die Tatsache, dass dem Kläger bei Rückkehr nach Pakistan bereits wegen der computermäßigen Erfassung seiner Identitätsdaten und Fingerabdrücke wegen des gegen ihn ausgesprochenen Haftbefehls die Verhaftung droht, hat das Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung unanfechtbar abgelehnt. Auf die Gegenvorstellung des Klägers war eine erneute Entscheidung nicht geboten.

Infolge des Abschiebungsverbots war die Abschiebungsandrohung in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids insoweit aufzuheben, als dass dem Kläger die Abschiebung nach Pakistan angedroht wurde. Die Bezeichnung des Zielstaats in der Abschiebungsandrohung erweist sich im Hinblick auf § 59 Abs. 3 S. 2 AufenthG als rechtswidrig (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 – 10 C 8.07 –, juris, Rz. 25). [...]