SG Bremen

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Zitieren als:
SG Bremen, Beschluss vom 01.04.2014 - S 4 KR 45/14 ER - asyl.net: M21869
https://www.asyl.net/rsdb/M21869
Leitsatz:

Für eine Familienversicherung nach § 10 SGB V ist kein Aufenthaltstitel erforderlich.

Medizinische Versorgung ist Teil des Existenzminimums, welches nur zeitnah gewährleistet werden kann. Daher besteht ein Anordnungsgrund für den Antrag auf Familienversicherung.

Schlagwörter: Familienversicherung, Krankenversicherung, gewöhnlicher Aufenthalt, medizinische Versorgung, Existenzminimum, Aufenthaltstitel, Aufenthaltserlaubnis, Krankenkasse, tatsächlicher Aufenthalt,
Normen: SGB V § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, SGB V § 2 Abs. 1 S. 1, SGB I § 30 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

Ein Anordnungsanspruch ergibt sich danach aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 1. Alternative i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 30 Abs. 3 Sozlalgesetzbuch 1. Buch (SGB I). Danach hat als Familienversicherter Anspruch auf Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB V, wer als Ehegatte des Mitglieds einer Krankenkasse seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, wobei jemand einen Wohnsitz dort hat, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird sowie den gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Vorliegend steht mit hoher Wahrscheinlichkeit fest, dass die Antragstellerin ihre Wohnung unter solchen Umständen bei ihrem Ehemann, dem Herrn ..., innehat, die darauf schließen lassen, dass sie diese behalten und benutzen wird und sich dort gleichzeitig unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie [an] dort nicht nur vorübergehend verweilt. Zunächst bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin nicht tatsächlich mit dem Herrn ... verheiratet ist. Weiter ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin zwar aus dem Ausland exakt an den Ort des Wohnsitzes ihres Ehemarines begeben, sich dort angemeldet und seit Monaten aufgehalten hat, aber dennoch nicht vorhätte, die gemeinsame Wohnung weiter zu benutzen und dort weiter zu verweilen.

Die Einwände der Antragsgegnerin greifen nicht durch. Zwar mag es zutreffen, dass eine Meldebestätigung unabhängig vom Vorliegen eines Aufenthaltstitels erteilt wird. Jedoch ist weder in rechtlicher Hinsicht ein Aufenthaltstitel erforderlich - sondern eben gerade auch nach der von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Rechtsprechung nur ein tatsächlicher Aufenthalt, der einem beständigen ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus vergleichbar ist - noch ergibt sich der Anordnungsanspruch vorliegend allein aus einer Meldebescheinigung - sondern eben gerade aus der Gesamtschau der tatsächlichen Umstände des tatsächlichen Aufenthalts der Antragstellerin.

Ein Anordnungsgrund ergibt sich hinsichtlich der tenorierten Verpflichtung aus der aktuell mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegenden Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin sowie der Tatsache, dass Zugang zu medizinischer Versorgung Teil des Existenzminimums ist, welches grundsätzlich nur zeitnah gewährleistet werden kann.

Angesichts der hohen Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines Hauptsacheanspruchs war schließlich in Abwägung des Interesses der Antragstellerin an einer umfassenden Leistungsgewährung mit den rein fiskalischen Interessen der Antragsgegnerin auch keine Begrenzung der Leistungspflicht der Antragsgegnerin etwa auf einzelne, besonders dringliche Leistungen vorzunehmen. [...]