VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 20.03.2014 - 19 L 72.14 (= ASYLMAGAZIN 7-8/2014, S. 262) - asyl.net: M21927
https://www.asyl.net/rsdb/M21927
Leitsatz:

1. Dass im Streit steht, wo der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, ändert nichts an der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts, in dessen Bezirk sich die dem Ausländer zunächst benannte Aufnahmeeinrichtung befindet.

2. Eine Inobhutnahme nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII hat keine Auswirkungen auf die örtliche Zuständigkeit nach § 52 Nr. 2 S. 3 VwGO.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Inobhutnahme, örtliche Zuständigkeit, unbegleitete Minderjährige, Asylantrag, Verteilungsverfahren,
Normen: SGB VIII § 42 Abs. 1 Nr. 3, VwGO § 52 Nr. 2 S. 3,
Auszüge:

[...]

Gegenstand des Rechtsstreits ist die "Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BÜMA)" vom 25. Februar 2014 mit der das Landesamt für Gesundheit und Soziales als Zentrale Aufnahmeeinrichtung des Landes Berlin für Asylbewerber (ZAA) dem Antragsteller nach §§ 22 Abs. 1, 46 Abs. 2 AsylVfG mitgeteilt hat, dass die für ihn zuständige Erstaufnahmeeinrichtung (EAE) Karlsruhe ist.

Da somit eine Streitigkeit nach dem Asylverfahrensgesetz im Sinne von § 52 Nr. 2 S. 3 VwGO vorliegt – über die nach § 76 Abs. 4 S. 1 AsylVfG die zuständige Berichterstatterin als Einzelrichterin entscheidet – ist das Verwaltungsgericht Berlin örtlich unzuständig, und es war die Verweisung des Rechtsstreits auszusprechen.

Das Verwaltungsgericht Berlin ist für das Begehren des asylsuchenden gambischen Antragstellers örtlich unzuständig (vgl. Beschlüsse der Kammer vom 7. September 2011 - VG 19 L 171.11; vom 30. November 2010 - VG 19 L 292.10; vom 15. April 2011 - VG 19 L 88.11; vom 9. Januar 2013 - VG 19 L 362.12; vom 23. Januar 2014 - VG 19 L 399.13). Die örtliche Zuständigkeit in Asylstreitigkeiten ist in § 52 Nr. 2 S. 3 VwGO abschließend geregelt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 2006 - 1 AV 1/06 - juris, Rn. 4; BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 1997 - 9 AV 3/97 - juris; s.a. BVerwG, Beschluss vom 9. September 1980 - 9 ER 402/80 - NJW 1981, 537 und BVerwG, Urteil vom 16. August 1983 - 9 C 853/80 - juris). Nach § 52 Nr. 2 S. 3 Halbs. 1 VwGO ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat. Dies ist der Bezirk des Verwaltungsgerichts Karlsruhe, denn der Antragsgegner hat dem Antragsteller mit der "Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (BÜMA)" vom 25. Februar 2014 mitgeteilt, dass die für ihn zuständige Erstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe ist.

Dass vorliegend im Streit steht, wo der Antragsteller seinen Aufenthalt zu nehmen hat, ändert daran nichts (VG Hamburg, Beschluss vom 4. Juni 2010 - 19 E 1074/10 - juris, Rn. 4; a.A. VG Berlin, Beschluss vom 6. Mai 2011 - 30 L 861.10 - juris; VG Berlin, Beschluss vom 14. Januar 2011 - VG 15 K 86.10; VG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 2011 - VG 21 L 465.10).

Die örtliche Zuständigkeit wird schließlich auch nicht durch § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII bestimmt, wonach das Jugendamt berechtigt und verpflichtet ist, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Die Vorschrift, die vorliegend deshalb einschlägig sein könnte, weil der Antragssteller behauptet, minderjährig zu sein und er daher zunächst im Land Berlin in Obhut genommen wurde, enthält keine Regelung zur örtlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts. Die Inobhutnahme im Land Berlin bedeutet überdies nicht, dass der Antragsteller seinen Aufenthalt im Sinne von § 52 Nr. 2 S. 3 VwGO im Land Berlin zu nehmen hat, denn nach dieser eindeutigen Zuständigkeitsregelung ist in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz – wie die vorliegende – das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylverfahrensgesetz (und gerade nicht nach dem SGB VIII) seinen Aufenthalt zu nehmen hat. [...]