VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Beschluss vom 28.05.2014 - 4 L 263/14.A - asyl.net: M21940
https://www.asyl.net/rsdb/M21940
Leitsatz:

Eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet bei Roma aus Serbien kann dann keinen Bestand haben, wenn Aussagen einer Sachverständigen bekannt sind, die von der Verfolgung von Personen ausgeht, die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein solcher Sachverhalt ist weiter aufzuklären.

Schlagwörter: offensichtlich unbegründet, ernstliche Zweifel, Serbien, Roma, Auswärtiges Amt, Serbisches Strafgesetzbuch, Dr. Waringo, unerlaubte Ausreise, Asylantrag, Strafbarkeit, Ashkali, Ausreisefreiheit, Ausreise,
Normen: AsylVfG § 36 Abs. 3, AsylVfG § 36 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Es sprechen derzeit erhebliche Gründe dafür, dass die Entscheidung des Bundesamtes keinen Bestand haben wird.

Der Bescheid des Bundesamtes beruht maßgeblich auf der Prämisse, dass der Antragstellerin als Zugehörige der Volksgruppe der Roma im Falle ihrer Rückkehr nach Serbien offensichtlich keine im asylrechtlichen Verfahren relevanten Nachteile drohen. An dieser Einschätzung des Bundesamtes bestehen ernstliche Zweifel, deren Klärung dem Klageverfahren vorbehalten ist. Die Kammer hat mit Beschluss vom 22.05.2014 - 4 K 802/13.A - zur Frage einer eventuellen Verschlechterung der Situation der Roma und Ashkali in Serbien die Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes beschlossen und zur Begründung ausgeführt:

Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 18.10.2013 ist zur Lage der Roma und Ashkali u.a. ausgeführt, dass sich die Regierung bemühe, die Lage der Roma durch eine aktive Minderheitenpolitik zu verbessern. Die serbische Regierung habe am 10.06.2013 einen Aktionsplan zur Verbesserung der Lage der Roma u.a. in den Bereichen Bildung, Krankenschutz, Arbeitsaufnahme, Wohnbedingungen, amtliche Registrierung und sozialen Schutz verabschiedet. Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt würden, könnten nach ihrer Ankunft unbehelligt in ihre Heimatstädte fahren, Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gebe es bisher weder de jure noch de facto. Demgegenüber hat die vom Verwaltungsgericht Stuttgart in der mündlichen Verhandlung vom 25.3. 2014 vernommene sachverständige Zeugin Dr. Waringo ausgeführt, Ziel der Neufassung der §§ 350, 350 a serbisches StGB sei es, insbesondere Roma an der Ausreise aus Serbien zu hindern. Dies werde durch die Verwaltungspraxis belegt. Die Stellung eines Asylantrags sei strafbar, aufgrund der vorgenannten Vorschriften würden nach dem Fortschrittsbericht der EU 2013 sieben Strafverfahren gegen acht Personen betrieben. Die Situation der Roma in Serbien habe sich verschlechtert, insbesondere habe die Gewalt zugenommen. Die Polizei unternehme hiergegen nichts. Von Sozialleistungen seien Roma überwiegend ausgeschlossen. Das VG Stuttgart hat auf der Grundlage dieser Aussage im Urteil vom 25.03.2014 (A 11 K 5036/13) u.a. ausgeführt, dass Roma bei einer Rückkehr nach Serbien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit der Gefahr einer Verfolgung zu rechnen hätten, dass Roma in Serbien extrem benachteiligt würden, die Ausreise behindert bzw. verhindert würde und sie allein wegen der Stellung eines Asylantrags mit strafrechtlicher Verfolgung und Verurteilung zu rechnen hätten. Da der Lagebericht des Auswärtigen Amtes den Stand August 2013 aufweist, ist zu klären, ob sich zwischenzeitlich die Situation der Roma und Ashkali, wie oben von der sachverständigen Zeugin Dr. Waringo und dem VG Stuttgart ausgeführt, nachteilig wesentlich verschlechtert hat, wobei insbesondere die Anwendung der §§ 350, 350 a serbisches StGB auf Roma und Ashkali, die ihr Heimatland ohne Erlaubnis verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, darzustellen ist.

Die Auskunft des Auswärtigen Amtes liegt noch nicht vor. Offen ist außerdem, ob nach der Würdigung der Auskunft des Auswärtigen Amtes eine weitergehende Sachverhaltsaufklärung erforderlich ist. [...]