Ein Verwaltungsakt, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen eines Asylverfahrens erlässt und in dem ausweislich des Tenors festgestellt wird, dass der Asylantrag unzulässig ist, schließt das Asylverfahren nicht ab, so dass die Wirkungen der Aufenthaltsgestattung (§ 55 AsylVfG) andauern. Eine Umdeutung eines solchen Verwaltungsakts in die Ablehnung des Asylantrags wegen Unzulässigkeit scheidet jedenfalls dann aus, wenn die gewählte Tenorierung der ständigen Verwaltungspraxis entspricht und auch auf ausdrückliche Anfrage des Gerichts keine Stellungnahme erfolgt, die dem Bescheid eine andere Bedeutung
beimisst als die, die sich aus dem Wortlaut ergibt.
(Amtlicher Leitsatz)
[...]
Wer (nach Einreise ins Inland) einen Asylantrag stellt, genießt von Gesetzes wegen eine Aufenthaltsgestattung für die Dauer der Durchführung des Asylverfahrens (§ 55 Abs. 1 AsylVfG). Während dieser Zeit ist eine Abschiebung unzulässig. Der Kläger hat unstreitig vor dem zuständigen Bundesamt einen Asylantrag gestellt (§ 14 AsylVfG). Das damit eingeleitete Asylverfahren dauert bis zu seinem Abschluss durch eine Entscheidung über den Asylantrag und die Zustellung dieser Entscheidung an den Antragsteller an. Eine das Asylverfahren abschließende Entscheidung beinhaltet die Feststellung, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird (§ 31 Abs. 2 AsylVfG). Sofern der Asylantrag hinsichtlich dieses Entscheidungsprogramms ganz oder teilweise erfolglos bleiben soll, ist der Antrag in entsprechendem Umfang abzulehnen. Das ergibt sich aus den Formulierungen in §§ 30 Abs. 3, 31 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4 und 6 AsylVfG. Es gilt insbesondere auch in dem Fall, dass nach den Dublin-Regelungen ein anderer Staat für die Durchführung des Asylantrages zuständig ist. Wie § 31 Abs. 1 Satz 4 und § 31 Abs. 6 AsylVfG zeigen, ist der Asylantrag auch in diesem Fall abzulehnen, und zwar wegen Unzulässigkeit (§ 27a AsylVfG).
Ausweislich der Begründung des angefochtenen Bescheides ist die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall zwar bei der Prüfung des Antrags zu dem Ergebnis gekommen, dass ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ausweislich des Tenors Nr. 1 hat sie daraus auch den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen, dass der Asylantrag unzulässig ist. Obwohl sie den Asylantrag folglich ohne Weiteres wegen Unzulässigkeit hätte ablehnen können, hat sie es bisher aber unterlassen, eine solche rechtsgestaltende Entscheidung zu treffen. Mangels einer solchen rechtsgestaltenden Entscheidung ist das Asylverfahren bisher nicht abgeschlossen worden, so dass die Wirkungen der Aufenthaltsgestattung fortdauern und eine Ausreisepflicht des Antragstellers nicht besteht. Folglich kommt auch die Anordnung der Abschiebung nicht in Betracht.
Statt eine verfahrensbeendende rechtsgestaltende Entscheidung über den Asylantrag zu treffen hat die Antragsgegnerin nur die Feststellung getroffen, dass er unzulässig ist (Tenor 1). Dabei handelt es sich offenbar um die durch Verwaltungsakt getroffene rechtsverbindliche Feststellung einer rechtlichen Zwischenfrage, also um eine Entscheidung, die mit einem Zwischenurteil im Sinne des § 280 Abs. 2 ZPO vergleichbar ist. Über den Asylantrag ist damit aber noch nicht abschließend entschieden.
Zu einem anderen Ergebnis könnte man nur dann kommen, wenn man es für sachgerecht und geboten halten müsste, sich über den an sich eindeutigen Wortlaut der Tenorierung des Bescheides hinwegzusetzen und den Tenor so zu verstehen dass er eine Regelung enthält, die mit folgendem Wortlaut adäquat wiedergegeben wäre: "Der Asylantrag wird als unzulässig abgelehnt". Für eine solche Auslegung des objektiven Erklärungswertes des Tenors Nr. 1 könnte sprechen, dass das Asylverfahrensrecht für eine bloße Entscheidung einer Rechtsfrage im Wege einer feststellenden Zwischenentscheidung überhaupt keine Rechtsgrundlage vorsieht. Indessen ist das Gericht nicht befugt, einen Verwaltungsakt, der mit dem Gesetz nicht vereinbar ist, dadurch rechtskonform zu machen, dass sie ihn gegen den Wortlaut einfach so interpretiert, dass es passt. Vielmehr müssten außer der Extralegalität noch andere Gründe für die Umdeutung vorliegen. Ein solcher Grund wäre etwa gegeben, wenn Anlass zu der Annahme bestände, dass es sich bei der von der Antragsgegnerin gewählten Tenorierung offensichtlich um eine irrtümlich unzulängliche Formulierung im Einzelfall handelt. Eine solche Annahme verbietet sich im vorliegenden Fall aber aus zwei Gründen: Zum einen entspricht die Tenorierung der durchgehenden Verwaltungspraxis der Antragsgegnerin, von der anzunehmen ist, dass sie auf entsprechenden zentralen Anweisungen oder auf innerbehördlichen Erlassen beruht, also bewusst so gewollt ist und damit dem bewusst gewollten Erklärungswillen der ausstellenden Behörde entspricht; zum anderen hat das Gericht die Antragsgegnerin auf die Problematik hingewiesen und ihr Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Dabei hätte sie Gelegenheit gehabt, darzulegen, dass der Wortlaut des Tenors zu 1 missglückt ist und etwas anderes geregelt werden sollte. Stattdessen hat die Antragsgegnerin jedoch auf diese Verfügung hin geschwiegen und damit die gerichtliche Interpretation, die sich am Wortlaut orientiert, bestätigt. [...]