VG München

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Zitieren als:
VG München, Urteil vom 19.02.2014 - M 17 K 13.31074 - asyl.net: M22037
https://www.asyl.net/rsdb/M22037
Leitsatz:

Kein Flüchtlingsschutz für einen homosexuellen Serben, der Drohungen, Beschimpfungen und Schmähungen von nichtstaatlichen Akteuren ausgesetzt war, da nicht zu erkennen ist, dass der serbische Staat generell die Übergriffe duldet.

Schlagwörter: Serbien, homosexuell, Homosexualität, soziale Gruppe, Diskriminierung,
Normen: AsylVfG § 3, AufenthG § 60 Abs. 1, AsylVfG § 3 Abs. 1 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

2. Der Kläger kein Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559, 560), § 3 AsylVfG.

Er wird nicht wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt, § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG. Er gehört als Homosexueller zwar einer als solche identifizierbaren sozialen Gruppe an. Als solche kann nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 HS 2 AsylVfG auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet.

Es wird aus seinem Vorbringen schon nicht deutlich, ob seine Homosexualität oder andere Unstimmigkeiten Anlass für die von seinem ehemaligen Arbeitgeber ausgehenden Bedrohungen waren.

Jedenfalls sind die von ihm geschilderten Vorfälle keine Verfolgungshandlungen im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 3a AsylVfG. Beschimpfungen und Schmähungen sowie die Vermittlung eines Gefühls des Unerwünschtseins, sind zwar unangenehm und geeignet, den Betroffenen vom Ausleben seiner sexuellen Orientierung in der Öffentlichkeit abzuhalten; diese Handlungen sind aber nicht so gravierend, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere Art. 3, 4, 7 EMRK darstellen. Auch unsubstantiierte Drohungen sind noch unterhalb dieser Schwelle anzusiedeln.

Der Kläger machte nicht geltend, wegen seiner Homosexualität Opfer diskriminierender oder in diskriminierender Weise angewandter gesetzlicher, administrativer, polizeilicher oder justizieller Maßnahmen, § 3a Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG, bzw. unverhältnismäßiger oder diskriminierender Strafverfolgung oder Bestrafung, § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG, geworden zu sein. Vielmehr trug er vor, bei Gericht frei gesprochen worden zu sein.

Zudem gehen die Maßnahmen nicht von einem tauglichen Verfolger i.S.v. § 3c AsylVfG aus. Der Kläger nennt weder den Staat Serbien selbst (Nr. 1), noch Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2) als Urheber der Schikanen, die ihm zuteil wurden. Insbesondere sind homosexuelle Handlungen dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Serbien vom 18.10.2013 (Lagebericht) zufolge, nicht strafbar (Lagebericht S. 15).

Maßnahmen nichtstaatlicher Akteure wären dem serbischen Staat nach § 3c Nr. 3 AsylVfG nur dann zuzurechnen, wenn die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens wären, Schutz vor Verfolgung zu bieten. Auch insoweit gilt, dass die Schikanen durch seinen ehemaligen Arbeitgeber in erster Linie auf die private Auseinandersetzung wegen des Einnahmenverlustes infolge des Überfalls zurückzuführen sind.

Zwar sind, wie auch das Bundesamt zutreffend festgestellt hat, Vorurteile und Vorbehalte gegenüber Homosexuellen weit verbreitet und die Schwelle verbaler oder physischer Übergriffe wird in Einzelfällen erreicht (Lagebericht S. 15 f.), jedoch besteht – wie auch der Kläger einräumt – insbesondere seitens der Polizei grundsätzlich Schutzbereitschaft. Der Lagebericht schildert, dass Gay-Pride-Veranstaltungen grundsätzlich polizeilicher Schutz gestellt wird, diese allerdings in mehreren Jahren wegen Sicherheitsbedenken – ebenso wie Gegenveranstaltungen dazu – verboten wurden (vgl. Lagebericht, S. 16). Es ist durchaus als problematisch zu bewerten, dass Homosexuelle sich nicht sicher fühlen können, wenn sie sich in der Öffentlichkeit zu ihrer Neigung bekennen. Der serbische Staat bleibt angesichts dieser Situation aber nicht tatenlos. Dass er der Gay-Pride-Bewegung keinen umfangreicheren Schutz bieten kann, als das Verbot ihrer Veranstaltungen, führt nicht zu einer Zurechnung. Entscheidend ist, dass überhaupt Maßnahmen ergriffen wurden. Dass über die Schutzwilligkeit hinaus auch die Fähigkeit dazu vorhanden ist, zeigt sich daran, dass eine Spontandemonstration von LGBTTI-(Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen)Aktivisten am Vorabend der verbotenen Versammlung am .... September 2013 erfolgreich von der Polizei abgeschirmt werden konnte und ohne Zwischenfälle verlief (Lagebericht S. 16).

Der Lagebericht gesteht zu, dass die Polizei nicht in allen Fällen mit der gebotenen Konsequenz gegen Übergriffe auf Minderheiten, v.a. auch auf Homosexuelle, vorgeht (Lagebericht, S. 16). Ein generell geduldetes bzw. angeordnetes Staatsversagen ist darin aber nicht zu erblicken. Rechtswidriges, da diskriminierendes Verhalten, von Polizisten in Einzelfällen wird als Unrecht geahndet, § 3d Abs. 2 AsylVfG. Das Gericht folgt im Übrigen den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheids, § 77 Abs. 2 AsylVfG. [...]