VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Urteil vom 16.04.2014 - A 2 K 409/13 - asyl.net: M22043
https://www.asyl.net/rsdb/M22043
Leitsatz:

War eine Person in Sri Lanka unter dem Verdacht der Unterstützung der LTTE bereits inhaftiert, droht ihr bei Rückkehr Folter, so dass sie als Flüchtling anzuerkennen ist.

Schlagwörter: Flüchtlingsanerkennung, Sri Lanka, LTTE, Tamilen, Haftstrafe, Vorverfolgung, Beweiserleichterung, Folter, Passlosigkeit, Identity Certificate Overseas Missions, Pass, Laissez-Passer, Auslandsaufenthalt, ICOM,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Insgesamt liegt damit zur Überzeugung des Gerichts eine Vorverfolgung des Klägers durch staatliche Kräfte wegen dessen tatsächlicher und womöglich auch als noch weitreichender vermuteten politischen Verbindungen zur LTTE vor.

c) Ausgehend hiervon kann sich der Kläger auf die Beweiserleichterung Art. 4 Abs. 4 QRL berufen, da er in Sri Lanka vorverfolgt war. Stichhaltige Gründe für eine Widerlegung der Vermutung des Art. 4 Abs. 4 QRL sind nicht erkennbar. Es besteht vielmehr die Gefahr, dass dem Kläger im Falle der Rückkehr nicht nur eine intensive Befragung, sondern auch eine Festnahme und Misshandlungen drohen. Er gehört zu dem Personenkreis junger, wehrfähiger Tamilen und Tamilinnen aus dem Norden des Landes und verfügt nicht über einen sri-lankischen Reisepass oder andere Identitätspapiere. Er müsste daher mit einem von der sri-lankischen Auslandsvertretung ausgestellten Reisedokument zur einmaligen Rückkehr nach, Sri Lanka (sog. Identity Certificate Overseas Missions - ICOM) einreisen. Einreisende mit diesem Dokument werden regelmäßig von der Einreisebehörde und auch der Kriminalpolizei einer Personenüberprüfung unterzogen und zu Identität, persönlichem Hintergrund und Reiseziel befragt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 30.10.2013, S. 23). Dabei ist davon auszugehen, dass eine Sicherheitsfreigabe erst nach Abklärung im Heimatort der betreffenden Person erfolgt. Hierbei bestünde die Gefahr, dass der Kläger zum Zwecke weiterer Befragungen festgenommen und im Zuge dessen erneut misshandelt wird, wenn bekannt wird, dass er vor der Ausreise aus der Haft geflohen ist. So geht die Schweizerische Flüchtlingshilfe davon aus, dass die Kombination eines Auslandsaufenthalts und einer realen oder vermuteten Verbindung mit der LTTE zu einem erhöhten Folterrisiko führen kann (vgl. SFH, Sri Lanka: Aktuelle Situation, Update, vom 15.11.2012, S. 21 f.). Die Regierung lanciere Kampagnen gegen diejenigen, die das Land verlassen und im Ausland um Asyl nachgesucht hätten. Hauptvorwurf gegen Auslandstamilen sei dabei, dass sie die LTTE finanziert und unterstützt hätten und dies immer noch tun würden (vgl. SFH, Sri Lanka: Situation für aus dem Norden oder Osten stammende Tamilinnen in Colombo und für RückkehrerInnen nach Sri Lanka, Bericht vom 22.09.2011, S. 6).

Das Gericht hält es unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände derzeit eine Rückkehr des Klägers nach Sri Lanka nicht für zumutbar. [...]