LSG Thüringen

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LSG Thüringen, Beschluss vom 25.04.2014 - L 4 AS 306/14 B ER - asyl.net: M22088
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Leitsatz:

1. Einstweiliger Rechtsschutz nach § 86b SGG wegen Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 2 kann mangels Rechtsschutzbedürfnis abzulehnen sein, wenn der Antragsteller vorrangig gegenüber dem Jobcenter vorläufige Leistungen § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB 2 i.V.m. § 328 SGB 3 erwirken kann. Nicht - mehr - verlangt werden darf das, wenn spätestens im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das Jobcenter zweifelsfrei zu verstehen gibt, zu vorläufigen Leistungen ohne gerichtliche Verpflichtung nicht bereit zu sein.

2. Für eine dem gewöhnlichen Aufenthalt gem § 7 Abs. 1 S .1 Nr. 4 SGB 2 entgegenstehende absehbare Beendigung des Aufenthalts (vgl. BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R = BSGE 113, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 34) liegen keine Anhaltspunkte vor, solange die Ausländerbehörde gegenüber einem Unionsbürger noch nicht einmal das Prüfverfahren nach § 5 Abs. 3 FreizügG/EU eingeleitet hat.

3. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 greift einfachrechtlich nur, wenn dem Unionsbürger ausschließlich ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche gem § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU zusteht. Das ist eigenständig im Bewilligungsverfahren nach dem SGB 2 zumindest solange fiktiv zu prüfen, bis die Ausländerbehörde eine Entscheidung im Überprüfungsverfahren nach § 5 Abs. 3 FreizügG/EU getroffen hat (vgl. BSG vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R = ZFSH/SGB 2014, 158). Ein Unionsbürger ohne Aufenthaltsrecht gem § 2 Abs. 2 FreizügG/EU ist vom Leistungsausschluss nicht erfasst (Anschluss an LSG Essen vom 10.10.2013 - L 19 AS 129/13 = ZFSH/SGB 2014, 167; LSG Darmstadt vom 27.11.2013 - L 6 AS 378/12; anderer Ansicht vgl. LSG Celle vom 26.3.2014 - L 15 AS 16/14 B ER).

4. Das einen gewissen Zeitraum tatsächlich ausgeübte Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche kann eine hinreichende Verbindung des Unionsbürgers zum nationalen Arbeitsmarkt begründen, um Leistungen erhalten zu können, welche der Erleichterung des Zugangs zum nationalen Arbeitsmarkt dienen (vgl. EuGH vom 4.6.2009 - C-22/08 ua = Slg 2009, I-4585, - Vatsouras, juris Rn 39; EuGH vom 23.3.2004 - C-138/02 = Slg 2004, I-2703, Collins, juris Rn 70).

5. Einstweiliger Rechtsschutz kommt im Rahmen einer gebotenen Folgenabwägung in Betracht, wenn europarechtlich unter Berücksichtigung der bisher veröffentlichten Rechtsprechung des EuGH zweifelhaft ist, ob im Einzelfall der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 europarechtskonform bestehen kann.

6. Der Geltungsvorrang des Europarechts ist bereits vor einer Vorabentscheidung des EuGH über ein anhängiges Ersuchen nach Art. 267 AEUV im nationalen einstweiligen Rechtsschutz zu berücksichtigen (vgl. EuGH vom 19.6.1990 - C-213/89 = NJW 1991, 2271, juris Rn 18 ff.; anderer Ansicht vgl. LSG Celle vom 26.3.2014 - L 15 AS 16/14 B ER).

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: einstweilige Anordnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Hilfebedürftigkeit, Unionsbürger, Einfärbungslehre, Aufenthaltsrecht, Aufenthalt zum Zweck der Arbeitssuche, Folgenabwägung, Menschenwürde, Existenzminimum, Grundsicherung, Sozialleistungen,
Normen: SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, SGB II § 8 Abs. 2, FreizügG/EU § 1, SGB II § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, SGB I § 30 Abs. 3 S. 2,
Auszüge:

[...]

Ob die Antragstellerin dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II unterliegt, lässt sich derzeit nicht vollständig klären.

Sollte der Antragstellerin ein anderes Aufenthaltsrecht als das zur Arbeitssuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 1. oder 3. Fall, Nr. 2 bis 7 FreizügG/EU) oder überhaupt kein Aufenthaltsrecht zustehen, greift der vorbenannte Leistungsausschluss ohnehin nicht.

Ist das für die erste Alternative offensichtlich (BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, a.a.O. Rn 23), gilt das auch wenn ein Aufenthaltsrecht nicht besteht (ebenso: LSG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - L 19 AS 129/13, LSG Hessen, Beschluss vom 27. November 2013 - L 6 AS 378/12, beide juris; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. März 2014 - L 15 AS 16/14 B ER, juris). Bei dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche handelt es sich nicht um einen Auffangtatbestand, der stets greift, wenn ansonsten kein Aufenthaltsrecht zur Verfügung steht. Vielmehr liegt aufenthaltsrechtlich eine Arbeitssuche über die ersten drei Monate nach der Einreise hinaus nur vor, wenn der Unionsbürger nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht - subjektives Moment - und begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden - objektives Moment - (Art. 14 Abs. 4 Buchst. b RL 2004/38/EG; EuGH, Urteile vom 20. Februar 1997 - C-344/95, 26. Februar 1991 - C-292/89, 23. März 2004 - C-138/02 - Collins; LSG NRW, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - L 19 AS 129/13; alle juris; Dienelt, a.a.O. § 2 FreizügG/EU, Rn. 62). Dabei ist einem Arbeitnehmer eine Zeit zur Arbeitsuche von mindestens sechs Monaten einzuräumen (vgl. auch OVG Sachsen, Beschluss vom 20. August 2012 - 3 B 202/12 Rn. 10; VG München Urteil vom 02. August 2010 - M 12 K 12.1882, M 12 S 12.1883; beide juris). Soweit diese Voraussetzungen zu verneinen sind, kann die Ausländerbehörde aufenthaltsbeendende Maßnahmen einleiten. Damit ist bereits aufenthaltsrechtlich eine unverhältnismäßige Inanspruchnahme von Sozialleistungen ausgeschlossen, ohne dass es zusätzlich eines leistungsrechtlichen Ausschlusses bedarf.

Vor diesem Hintergrund ist der Ausschlusstatbestand des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II so zu verstehen, dass er nur greifen soll, wenn wegen der Arbeitssuche der Aufenthalt nicht beendet werden kann.

Spricht hierfür bereits der Wortlaut der Regelung, der ausdrücklich die Voraussetzung "allein aus" und nicht "allenfalls aus" benennt, fallen dafür auch systematische Gründe und die Entstehungsgeschichte der Norm ins Gewicht.

Systematisch handelt es sich bei dem Ausschlusstatbestand um eine Ausnahmeregelung, die eng auszulegen ist, wenn keine besonderen Gründe dem entgegenstehen. Das gilt vor allem, wenn Personengruppen von einer grundrechtlichen Gewährleistung ausgenommen werden sollen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013, a.a.O. Rn. 26 m.w.N.; Janda ZFSH/SGB 2013, 453 f.).

Für eine erweiternde Anwendung auf Personen, denen kein Aufenthaltsrecht zur Verfügung steht, fehlt es zudem an der erforderlichen planwidrigen Lücke. Bereits benannt ist, dass der Zweck der Norm, eine unverhältnismäßige Inanspruchnahme der Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II auszuschließen, für diese Personengruppe nicht greift. Weiter ist die Regelung durch das Änderungsgesetz vom 24. März 2006 (BGBl I 558) eingefügt worden, um die Befugnis nach Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 RL 2004/38/EG aufzugreifen (BT-Ausschuss für Arbeit und Soziales, BT-Drucks 16/688 S. 13; BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 15). Die Vorschrift erlaubt Leistungseinschränkungen nur für die ersten drei Monate des Aufenthalts sowie darüber hinaus, wenn wegen nachgewiesener Arbeitssuche bei begründeter Einstellungsaussicht (Art. 14 Abs. 4b RL 2004/38/EG) weiterhin Ausweisungsschutz besteht (vgl. LSG NRW, a.a.O. Rn. 64). Eine Regelung für Personen, denen kein Aufenthaltsrecht zusteht, enthält sie gerade nicht (so auch Hessisches LSG, Urteil vom 27. November 2013 - L 6 AS 378/12, juris Rn. 60 m.w.N.).

Sollte hingegen die Antragstellerin nach den vorbenannten Kriterien sich zur Arbeitssuche im Bundesgebiet aufhalten, bleibt ohne die Vorabentscheidung durch den EuGH jedenfalls zweifelhaft, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II auch bei einer europarechtskonformen Auslegung erfüllt ist.

Dabei steht einer europarechtlich einschränkenden Auslegung nationalen Rechts bereits im einstweiligen Rechtsschutz nicht entgegen, dass eine mögliche Bedenken bestätigende Rechtsprechung des EuGH noch nicht vorliegt (so aber: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. März 2014, a.a.O. Rn. 5). Insoweit ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des EuGH bereits im nationalen einstweiligen Rechtsschutz sicherzustellen ist, dass bis zur Klärung einer europarechtlichen Frage im Vorabentscheidungsverfahren die betroffenen europarechtlichen Normen vorrangig gelten, wenn "unter Umständen" innerstaatliche Vorschriften entgegenstehen (EuGH, Urteil vom 19. Juni 1990 - C-213/89, juris Rn. 18 ff.; Tischler in jurisPR-SozR8/2014 Anm. 2).

Dabei hat ein letztinstanzliches Gericht i.S.d. Art. 267 Abs. 3 AEUV den EuGH nicht erst um Vorabentscheidung zu ersuchen, wenn es davon überzeugt ist, dass eine entscheidungserhebliche innerstaatliche Norm europarechtswidrig ist. Dieser Maßstab gilt nur für die konkrete Richtervorlage an das BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG für die Vereinbarkeit einer entscheidungserheblichen einfachrechtlichen Norm mit dem Grundgesetz. Die Pflicht zur Vorlage an den EuGH besteht schon, wenn das letztinstanzliche Gericht in einem schwebenden Verfahren insoweit nur Zweifel hegt, weil zu der entscheidungserheblichen Rechtsfrage Rechtsprechung noch nicht vorliegt oder vorliegende Rechtsprechung die Rechtsfrage nicht erschöpfend beantwortet und die Antwort nicht derart offenkundig ist, dass kein vernünftiger Zweifel verbleiben kann (zu Art. 177 Abs. 3 EWGVtr: EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 238/81 - CILFIT, juris Rn. 13 ff.; zu Art. 234 EGV, EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2005 - C-461/03 - Gaston Schul Douane-Expediteur, juris Rn. 16 m.w.N.; ebenso LSG Niedersachen-Bremen, Beschluss vom 26. März 2014, a.a.O. Rn. 5, allerdings mit dem falschen Schluss, deshalb keinen einstweiligen Rechtsschutz gewähren zu müssen). Insoweit kann aufgrund des Vorlagebeschlusses des BSG (Beschluss vom 12. Dezember 2013, a.a.O.) als letztinstanzliches Gericht i.S.d. Art. 267 Abs. 3 AEUV im einstweiligen Rechtsschutz nicht abschließend geklärt werden, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II unter einem vorliegend entscheidungserheblichen Gesichtspunkt mit europarechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass der vorliegende Sachverhalt nicht vollständig deckungsgleich mit dem ist, den das BSG zu entscheiden hat.

Soweit das BSG zunächst geklärt haben will, ob der ausnahmslose Leistungsausschluss im SGB II gegen das sekundärrechtliche strikte Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 verstößt (vgl. BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013, a.a.O., Rn. 31 ff.), ist die Frage hier gleichermaßen entscheidungserheblich. Auch die Antragstellerin kann sich auf das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 VO (EG) 883/2004 (VO) berufen, wenn sein sachlicher Geltungsbereich nicht nur die Rechtsvorschriften i.S. der Legaldefinition in Art. 1 lit I VO (EG) 883/2004 erfasst, die sich auf die im Einzelnen aufgeführten Zweige der sozialen Sicherheit nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 bezieht, sondern sämtliche beitragsunabhängigen besonderen Geldleistungen mit Ausnahme der in Art. 70 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 genannten einbezieht, zu denen auch die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gehören.

In jedem Fall unterliegt die Antragstellerin dem persönlichen Anwendungsbereich des vorbenannten Gleichbehandlungsgebots. Der persönliche Anwendungsbereich ist nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 selbst bei einer engen Auslegung bereits eröffnet, wenn die betreffende Person konkret-individuell den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 unterliegt oder unterlegen hat. Aus der Legaldefinition in Art. 1 Buchst. l S. 1 VO (EG) 883/2004 ersichtlich sind Rechtsvorschriften für jeden Mitgliedsstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit. Umfasst sind danach insbesondere Leistungen bei Krankheit (Buchst. a). Aufgrund dessen ist die Antragstellerin einbezogen, weil sie seit dem 1. September 2013 Mitglied bei einer gesetzlichen Krankenkasse im Bundesgebiet ist (vgl. zu dieser Voraussetzung: BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 32).

Selbst wenn in Anlehnung an die neueste Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19. September 2013 - C- 140/12 - Brey, juris) davon auszugehen sein wird, dass das Gleichbehandlungsgebot eine Einschränkung unter den Voraussetzungen des ebenfalls sekundärrechtlich verankerten Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38 EG erlaubt und das Arbeitslosengeld II eine Sozialhilfeleistung im Sinne dieses Artikels darstellt (vgl. BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 40 ff.,) bleibt fraglich, ob das ohne Einzelfallprüfung ausnahmslos einen Leistungsausschluss zu rechtfertigen vermag. Jedenfalls verdeutlicht der EuGH in der Sache B. hinreichend, dass ein Leistungsausschluss europarechtskonform nur gerechtfertigt sein kann, wenn - bei wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgern - im Einzelfall berücksichtigt ist, in welcher Höhe und Regelmäßigkeit diese über eigene Einkünfte verfügen, und in welchem Umfang insgesamt das nationale Sozialhilfesystem im Rahmen einer Gesamtbilanz durch die Einbeziehung von Unionsbürgern einer unzumutbaren Belastung ausgesetzt ist. Runtergebrochen auf Arbeitsuchende könnte bereits im Gegensatz zu wirtschaftlich inaktiven Unionsbürgern ins Gewicht fallen, dass diesen ein Aufenthaltsrecht nur zusteht, soweit sie in einem Zeitraum über drei Monaten hinaus die begründete Aussicht haben, in eine Tätigkeit als Arbeitnehmer vermittelt werden zu können.

Schließlich steht ebenso wie bei dem Vorlagebeschluss des BSG in Frage, ob den Leistungsausschluss im SGB II gegen das primärrechtliche Gleichbehandlungsgebot für Unionsbürger aus Art. 18 AEUV und Arbeitnehmer Art. 45 AEUV entgegensteht. Dabei wird auch die Antragstellerin wohl dem primärrechtlichen Gleichbehandlungsgebot für Arbeitnehmer unterliegen, da nach der Rechtsprechung des EuGH Arbeitsuchende voraussichtlich selbst dann einzubeziehen sind, wenn sie vor ihrer einen gewissen Zeitraum dauernden Arbeitsuche noch nicht als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen sind und sich nachhaltig um eine Arbeitsstelle bemühen (vgl. Brechmann in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl., Art. 45 AEUV Rn. 18 m.w.N. zur Rspr. des EuGH).

Dieser primärrechtliche Schutz könnte auch für die Antragstellerin bedeuten, bereits über eine hinreichende Verbindung zu Deutschland zu verfügen, weil hier bereits ihre Tochter mit ihren zwei Enkeln seit einem längeren Zeitraum als Alleinerziehende lebt.

Soweit dabei der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen ist, dass bei Leistungen, welche den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, ein Leistungsausschluss primärrechtlich gerechtfertigt ist, wenn eine tatsächliche Verbindung zum nationalen Arbeitsmarkt noch nicht besteht (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - C-22/08 u.a. - Vatsouras), führt das in der Person der Antragstellerin nicht zwingend zu einem europarechtskonformen Leistungsausschluss, selbst wenn es sich bei dem Arbeitslosengeld II um eine Leistung handelt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert (so BSG, Beschluss vom 12. Dezember 2013, a.a.O. Rn. 45 ff.).

Zwar ist sie im Gegensatz zu dem von dem BSG zu entscheidenden Fall, nicht bereits früher im Bundesgebiet wirtschaftlich aktiv gewesen. Auch ist eine langjährige Verbindung zu Deutschland ebenso zweifelhaft wie die Prognose alsbald eine berufliche Tätigkeit aufnehmen zu können. Eine hinreichende Verbindung zum Arbeitsmarkt kann aber bereits der Umstand begründen, dass der Unionsbürger während eines angemessenen Zeitraums tatsächlich eine Beschäftigung in dem Mitgliedsstaat gesucht hat (EuGH, Urteile vom 23. März 2004, a.a.O., Rn. 71; 4. Juni 2009, a.a.O. Rn. 39; a.A. wohl LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. März 2014, a.a.O., Rn. 8). Soweit der Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche zusteht, könnte diese Voraussetzung erfüllt sein, weil sie nachweislich sich bereits seit dem 1. September 2013 und damit knapp ein halbes Jahr vor Beginn der vorläufigen Leistungsverpflichtung des SG der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt und sich regelmäßig beworben hat.

Im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung ist jedenfalls derzeit der Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums der Antragstellerin Vorrang gegenüber dem Risiko für den Antragsgegner einzuräumen, im Falle ungerechtfertigter Leistungen Rückforderungsansprüche nicht durchsetzen zu können. Eine Kürzung, die grundsätzlich in Betracht kommt, wenn nur geringe Erfolgsaussichten bestehen, ohne sie völlig ausschließen zu können, scheidet hier derzeit aus, weil nur ein kurzer Leistungszeitraum von gut drei Monaten gegenständlich erfasst ist und ggf. die Antragstellerin eine vollständige Bedarfsdeckung benötigt, um seit dem 1. Dezember 2013 aufgelaufene Mietschulden, die erst seit dem 25. Februar 2013 ihr gegenüber und seit dem 1. März 2014 ihrem Ehepartner gegenüber übernommen werden, tilgen zu können.

Bis zum Ende der vorläufigen Leistungsverpflichtung sollte es auch möglich sein, die Frage, ob bereite Geldmittel aus Vermögen der Hilfebedürftigkeit entgegenstehen, abschließend zu klären. Einer Änderung der einstweiligen Anordnung bedürfte es ohnehin nicht, falls anrechenbares Vermögen zu berücksichtigen wäre. Die einstweilige Anordnung ist nur dem Grunde nach entsprechend § 130 SGG ergangen (zu dieser Möglichkeit: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 201 Rn. 2, 2a), so dass der fragliche Einsatz von Vermögen im Rahmen des vorläufigen Betragsverfahrens geklärt werden kann.

Letztlich gilt das auch für einen in Betracht kommenden anspruchserhöhenden Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aus § 21 Abs. 5 SGB II. [...]