VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Beschluss vom 30.07.2014 - A 4 K 100/14 - asyl.net: M22192
https://www.asyl.net/rsdb/M22192
Leitsatz:

Bevor die Überstellung nach Polen im Rahmen des Dublin-Verfahrens durchgeführt wird, ist durch das Bundesamt durch Einholung einer schriftlichen Zusage der für die Aufnahme der Antragstellerin zuständigen polnischen Behörde sicherzustellen, dass eine Familie nach der Überstellung menschenwürdig untergebracht, versorgt und nicht getrennt wird. Dies ist erforderlich, um dem Kindeswohl widersprechende oder möglicherweise zu Traumatisierungen führende Abschiebungsfolgen für die Betroffenen zu vermeiden.

Schlagwörter: Auflage, Polen, Inhaftierung, Kindeswohl, Traumatisierung, Dublinverfahren, Zurückschiebung, Kinder, Abschiebungsfolgen, Zusicherung, Geburtsurkunde,
Normen: VwGO § 80 Abs. 5 S. 4,
Auszüge:

[...]

4. Das Gericht verfügt jedoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO die dem Tenor zu entnehmenden Auflagen.

Die als erste aufgeführte Auflage soll verhindern, dass die Antragstellerin am Grenzübertritt mangels Möglichkeit zur Vorlage einer beglaubigten Geburtsurkunde gehindert wird und soll eine Trennung der Antragstellerin von ihrer Familie verhindern.

Die weitere Auflage soll eine Trennung der Familie und / oder einen vorübergehenden Ausfall der Versorgung in Polen verhindern.

Im Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24.10.2013, 33 L 450.13 A, wird der Bericht des Halina Nie? Legal Aid Center "Detention of migrant children in Poland" vom 25.03.2011 zitiert, der zeige, dass Dublin-Rückkehrer in der Regel (zwischen 15 % und 77 % je nach zuständigem Posten der Grenzpolizei) inhaftiert würden, da sie die Außengrenze nach Polen illegal überschritten hätten. Seien die Asylverfahren der betreffenden Personen (häufig ohne deren Kenntnis) bereits abgeschlossen, sei die Inhaftierung in einem Detention Center der Regelfall. Dabei gebe es keine ausreichende Unterbringung von Flüchtlingsfamilien mit kleinen Kindern, keine ausreichende Versorgung mit Essen und Trinken und keine ausreichende Anzahl von Dolmetschern. Es sei möglich, dass Familien vorübergehend - bis zu einer Entscheidung des Richters über den Haftantrag der Grenzpolizei - getrennt, würden (vgl. hierzu auch die Darstellung in: Die Zeit, Grenzen der Barmherzigkeit, www.zeit.de/2013/24/asyl-gesetze-abschiebung/seite-1).

Um dem Kindeswohl widersprechende und möglicherweise zu Traumatisierungen führende Abschiebungsfolgen bezüglich der Antragstellerin zu vermeiden, wird der Antragsgegnerin aufgegeben, vor der Durchführung der Abschiebung durch Einholung einer schriftlichen Zusage der für die Aufnahme der Antragstellerin zuständigen polnischen Behörde sicherzustellen, dass die Familie nach der Überstellung menschenwürdig untergebracht, versorgt und nicht getrennt wird. [...]