VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 19.06.2014 - 14 KE 15.14 - asyl.net: M22234
https://www.asyl.net/rsdb/M22234
Leitsatz:

Zu den erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens zählen gemäß § 162 Abs. 1 VwGO die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Dabei sind auch Vorbereitungskosten, also solche Kosten, mit denen Tatsachen ermittelt und Unterlagen beschafft werden, erstattungsfähig, wenn sie sich konkret auf den Prozess beziehen. Notwendig und damit erstattungsfähig können danach auch die Kosten einer Reise sein, wenn diese aus der Sicht der Partei, also nach ihrem Erkenntnisstand und ihren Beurteilungsmöglichkeiten, nicht nur sinnvoll oder förderlich, sondern zumindest vorsorglich dringend ratsam ist.

Schlagwörter: erstattungsfähige Kosten, zweckentsprechende Rechtsverfolgung, Dublinverfahren, sachliche Zuständigkeit, Reisekosten, sparsame Prozessführung, Akteneinsicht, Vorbereitungskosten,
Normen: VwGO § 162 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Zu den erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens zählen gemäß § 162 Abs. 1 VwGO die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Dabei sind auch Vorbereitungskosten, also solche Kosten, mit denen Tatsachen ermittelt und Unterlagen beschafft werden, erstattungsfähig, wenn sie sich konkret auf den Prozess beziehen (Schmidt, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 162 Rn. 4). Notwendig und damit erstattungsfähig können danach auch die Kosten einer Reise sein, wenn diese aus der Sicht der Partei, also nach ihrem Erkenntnisstand und ihren Beurteilungsmöglichkeiten, nicht nur sinnvoll oder förderlich, sondern zumindest vorsorglich dringend ratsam ist. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem Gebot einer sparsamen Prozessführung ergibt sich jedoch auch bei Reisekosten die Pflicht, den Aufwand im Rahmen des Verständigen möglichst niedrig zu halten (VGH München, Beschluss vom 22. März 1996 – 23 C 96.463 – BeckRS 2005, 29612).

Die Kosten einer Flugreise nach Berlin, um hier Akteneinsicht zu nehmen, sind Teil der Vorbereitungskosten, weil die Akteneinsicht für den Kläger nicht nur sinnvoll oder förderlich, sondern notwendig war, um die für ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren gegen die Ernennung seines Konkurrenten erforderlichen Tatsachen zu ermitteln und die zur Glaubhaftmachung im beabsichtigten Prozess notwendigen Unterlagen zu beschaffen. Auch folgt hier nicht etwa aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und dem Gebot einer sparsamen Prozessführung, dass die Flugkosten nicht erstattungsfähig sind. Denn nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Erinnerungsführers hatte dieser am 17. Juni 2013 die zuständige Sachbearbeiterin bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft um eine Kopie der Akte (gegen Kostenerstattung) gebeten, was jedoch mit dem Hinweis abgelehnt wurde, dass eine Kopie der Akte nur einem Anwalt und nicht einer Privatperson zugesendet würde und der Erinnerungsführer einen Rechtsanwalt beauftragen könne. Es entsprach hier sogar gerade dem Gebot der sparsamen Prozessführung, dass der Erinnerungsführer keinen Rechtsanwalt – dessen Kosten gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO ohne weiteres hätten erstattet werden müssen – beauftragt hat, sondern die Akteneinsicht (sowie im Übrigen die Prozessführung dann auch) in eigener Person vorgenommen hat. Auch verstieß der Erinnerungsführer nicht dadurch gegen das Gebot der sparsamen Prozessführung, dass er selbst nach Berlin reiste. Die Übersendung einer Kopie der Akte wurde ihm verwehrt, auch wurde ihm von der zuständigen Sachbearbeiterin in diesem Zusammenhang nicht etwa das Angebot gemacht, dass die Akte an eine Behörde in Nähe seines Wohnortes zwecks dortiger Akteneinsicht versendet werden könnte. In einer derartigen Konstellation kann von einem Bürger – auch von einem nicht zwingend mit Fragen der Verwaltungspraxis vertrauten Volljuristen – nicht erwartet werden, dass er eine derartige Versendung der Akte selbst anregt (strenger insoweit für einen Diplomverwaltungswirt VGH München, Beschluss vom 22. März 1996 – 23 C 96.463 – BeckRS 2005, 29612). Darüber hinaus wäre eine derartige Aktenversendung an eine Stelle in Wohnortnähe des Erinnerungsführers eventuell auch mit einer für ihn angesichts der Eilbedürftigkeit der zugrundeliegenden Rechtsfrage unzumutbaren zeitlichen Verzögerung einhergegangen.

Ferner war es dem Erinnerungsführer nicht zuzumuten, gewissermaßen "ins Blaue hinein" einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu stellen, um dann erst in diesem Gerichtsverfahren Akteneinsicht zu nehmen. Vielmehr war ihm ohne weiteres zuzubilligen, im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens Einsicht in die entscheidenden Verwaltungsvorgänge zu nehmen. [...]