OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 12.09.2014 - 2 A 191/14 - asyl.net: M22238
https://www.asyl.net/rsdb/M22238
Leitsatz:

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dargetan, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage in einem Berufungsverfahren stellen würde.

2. Die Rechtsfrage, ob das Tatsachengericht die Streitsache bei Annahme einer Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts spruchreif machen und "durchentscheiden" muss, reicht bei einem Anfechtungsantrag über den Streitgegenstand hinaus.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Afghanistan, Italien, Berufungszulassung, Grundsätzliche Bedeutung, Selbsteintritt, Durchentscheiden, Verpflichtungsklage, Dublinverfahren, Dublin II-VO, Dublin III-Verordnung,
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1,
Auszüge:

[...]

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat (vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 22.7.2014 - 2 A 325/14 - und vom 21.12.2012 - 3A 245/10 -) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da sich die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage, "ob das Tatsachengericht bei Annahme einer bestehenden Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach der Dublin-Verordnung und Übernahme der Asylverfahrensdurchführung die Streitsache dann auch spruchreif machen muss oder unter bloßer Bescheidaufhebung im Ergebnis an das beklagte Bundesamt zurückverweisen darf", im Berufungsverfahren nicht stellen würde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.9.2013 - 1 B 8.13 - bei juris).

Nach den Feststellungen in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren (sinngemäß) beantragt, den Bescheid vom 24.10.2012 aufzuheben. Dieser in Anwendung des § 88 VwGO erfolgten Auslegung des Klagebegehrens nach dem erkennbaren Klageziel (vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 13. Auflage, § 88 Rdnr. 3) ist der Kläger nicht entgegengetreten. Der im Urteil des Verwaltungsgerichts bezeichnete Anfechtungsantrag ist auch im vorliegenden Verfahren zu Grunde zu legen. Gegenstand eines etwaigen Berufungsverfahrens wäre somit die Überprüfung, ob der Bescheid der Beklagten vom 24.10.2012 aufzuheben ist oder nicht. Der angefochtene Bescheid beinhaltet lediglich die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, sowie die Anordnung der Abschiebung nach Italien. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen nach §§ 27a, 34a AsylVfG wäre in einem Berufungsverfahren zu prüfen.

Demgegenüber betrifft die von der Beklagten zur Begründung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung genannte Rechtsfrage, ob das Tatsachengericht bei Annahme einer bestehenden Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts die Streitsache spruchreif machen und demzufolge "durchentscheiden" muss, die Konstellation eines auf die Gewährung von Asyl, Flüchtlingsanerkennung oder subsidiärem Schutz gerichteten Verpflichtungsantrags, der indes nach den Feststellungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils von Seiten des Klägers gerade nicht gestellt wurde. Damit greift die von der Beklagten als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage über den allein von dem Kläger zu bestimmenden Streitgegenstand hinaus. Der Kläger muss sich von der Beklagten keinen (weitergehenden) Streitgegenstand aufdrängen lassen, den er nicht will. In seiner Erwiderung auf den Berufungszulassungsantrag hat der Kläger erneut zu erkennen gegeben, dass er eine Entscheidung über den von ihm gestellten Asylantrag nicht begehrt, sondern es ihm nur darum geht, dass von dem Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht wird.

Gegen die Aufhebung des Bescheides vom 24.10.2012 und die hierfür vom Verwaltungsgericht gegebene tragende Begründung, dass von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen ist, wenn ein Verwandter des minderjährigen Asylsuchenden, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, zum Vormund des Minderjährigen bestellt wurde, hat sich die Beklagte in ihrem Zulassungsvorbringen nicht gewandt. Vielmehr hat sie die Rechtsfrage, ob das Tatsachengericht die Streitsache spruchreif zu machen hat oder unter bloßer Bescheidaufhebung im Ergebnis an das beklagte Bundesamt zurückverweisen darf, ausdrücklich unter der Prämisse der "Annahme einer bestehenden Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach der Dublin-Verordnung" aufgeworfen. [...]