VG Trier

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Zitieren als:
VG Trier, Urteil vom 06.10.2014 - 6 K 1144/14.TR - asyl.net: M22297
https://www.asyl.net/rsdb/M22297
Leitsatz:

Anders als im Falle eines Asylfolgeantrags im Sinne des § 71 AsylVfG besteht in den Fällen, in denen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den ersten Asylantrag eines Asylbewerbers bislang noch nicht in der Sache beschieden hat, kein Raum für eine Untätigkeitsklage dahingehend, dass die Beklagte zur Asylanerkennung sowie Feststellung der Flüchtlingseigenschaft oder von Abschiebungsverboten verpflichtet werden könnte.

Schlagwörter: Asylverfahren, Untätigkeitsklage, Arbeitsüberlastung, sachlicher Grund, Spruchreife, Durchentscheiden, Asylantrag,
Normen: VwGO § 75 Abs. 2, VwGO § 113 Abs. 5 S. 1,
Auszüge:

[...]

1. Die Klage ist als Untätigkeitsklage zulässig.

Die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 75 Satz 2 VwGO, wonach die Klage nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Antragstellung erhoben werden kann, ist erfüllt, denn die Kläger haben ihren Asylantrag, über den bis heute nicht entschieden worden ist, vor fast drei Jahren gestellt.

Es liegt auch kein sachlicher Grund für die Untätigkeit im Sinne von § 75 Satz 1 VwGO vor. Die Beklagte hat zwar unter Angabe der jeweiligen Zahlen nachvollziehbar erläutert, dass die Zahl der Erst- und Folgeanträge seit dem Jahr 2008 enorm angestiegen sei. Sie hat hingegen nicht hinreichend konkret erläutert, welche Maßnahmen sie ergriffen hat, um diesem erhöhten Geschäftsanfall zu begegnen. Sie hat vielmehr lediglich erklärt, derzeit seien alle Entscheider, Prozesssachbearbeiter und für den Asylbereich reaktivierte, im Asylrecht versierte Regionalkoordinatoren mit dem Abbau des weiter steigenden Antragsanfalls beschäftigt; darüber hinaus hätten Personalgewinnungsmaßnahmen Im Bundesamt oberste Priorität. Das allein lässt noch nicht den Schluss zu, die Beklagte habe alles ihr Zumutbare unternommen, um dem gestiegenen Antragsaufkommen zu begegnen. So lässt sich ihren Ausführungen nicht entnehmen, inwieweit sie zusätzliches Personal zur Bewältigung der Verfahren einsetzt bzw. ob und in welchem Umfang sie bereit und in der Lage [ist], weiteres Personal in dem betreffenden Bereich einzusetzen. Ihren Darlegungen lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, welche Vorkehrungen sie getroffen hat, um Verfahren grundsätzlich in der Reihenfolge der Antragstellung abzuschließen, und lediglich besonders eilbedürftige Verfahren einer schnelleren Erledigung zuzuführen. Sie hat auch keinerlei Angaben dazu gemacht, welche Zeit für ein Verfahren der vorliegenden Art zu veranschlagen ist.

Schließlich weist auch der Ablauf des vorliegenden Asylverfahrens keine Besonderheiten auf, die als sachlicher Grund für die Untätigkeit der Beklagten anzusehen wären. Die Kläger haben bereits bei ihrer Anhörung im Jahre 2011 geltend gemacht, zum Christentum konvertiert zu sein, und Taufurkunden der Evangelischen Kirchengemeinde Trier vorgelegt. Darüber hinaus haben sie mit Schreiben vom 5. März 2013 eine Bestätigung des Katholischen Pfarramtes St. ... über Aktivitäten im kirchlichen Umfeld vorgelegt. Zwar hat das Bundesamt daraufhin im Juni 2013 eine ergänzende Anhörung angekündigt. Es ist aber weder zu erkennen, aus welchem sachlichen Grund nicht bereits vor dem 5. März 2014 eine Entscheidung ergangen ist, noch weshalb die angekündigte weitere Anhörung immer noch nicht durchgeführt wurde.

Nach alledem lassen die bisherigen Erklärungen der Beklagten nur den Schluss zu, dass ihre Untätigkeit im vorliegenden Fall die Folge einer seit mehreren Jahren zu verzeichnenden Arbeitsüberlastung des Bundesamtes ist. Dies ist kein sachlicher Grund im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO (Dolde/Porsch, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 26. Ergänzungslieferung 2014, § 75 Rn. 8 m.w.N.).

Zweifel an der Zulässigkeit der Untätigkeitsklage ergeben sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt vom 26. März 2009 - 3 O 422/08 -, da es darin, anders als im vorliegenden Fall, um eine Klage auf Erlass eines Widerspruchsbescheides geht. Dass beide Fallgestaltungen rechtlich gleich zu behandeln sein sollen, erschließt sich der Kammer nicht und wird von der Beklagten auch nicht näher dargelegt.

2. Die Klage ist auch begründet.

Das Verwaltungsgericht ist nämlich wegen der Besonderheiten des Asylverfahrens nicht gehalten, Spruchreife nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO herzustellen. Die Kammer schließt sich insoweit im Interesse einer einheitlichen Entscheidungspraxis der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts an (vgl. VG Trier, Urteil vom 30. Mal 2012 - 5 K 967/11.TR -, Urteil vom 5. Dezember 2012 - 5 K 770/12.TR -; ebenso z.B. VG Ansbach, Urteil vom 7. April 2014 - AN 1 K 13.30840 -, jeweils juris). [...]