VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 29.04.2014 - 2 K 552/13.A - asyl.net: M22301
https://www.asyl.net/rsdb/M22301
Leitsatz:

1. Das Hindernis im Rahmen der Wiedereinsetzung gilt grundsätzlich als behoben, sobald das Fortbestehen der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist. Dies ist in dem Zeitpunkt der Fall, in dem ein verantwortlicher Anwalt bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Versäumnis hätte erkennen können.

2. Ergeht keine Benachrichtigung über den Klageeingang, muss der Bevollmächtigte spätestens nach Ablauf von 4 Wochen nach Absenden der Klageschrift bei Gericht nachfragen, um dem erforderlichen Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Rechtsanwalts zu genügen.

Schlagwörter: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Fristversäumnis, Eingangsmitteilung, Eingangsbestätigung, Klage, Rechtsanwalt, Prozessbevollmächtigte, Sorgfaltspflichten,
Normen: VwGO § 60 Abs. 1, AsylVfG § 74 Abs. 1, VwGO § 60 Abs. 2 S. 1,
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat die zweiwöchige Klagefrist des § 74 Abs. 1 2. Halbsatz AsylVfG versäumt. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ist seinem Prozessbevollmächtigten versehen mit einer zutreffenden Rechtshelfsbelehrung am 10. Dezember 2012 ordnungsgemäß mittels Einschreiben (§ 4 VwZG) zugestellt worden. An diesem Tag ist der Bescheid in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten nach dessen eigenen Angaben auch eingegangen. Die Klagefrist endete damit mit Ablauf des 24. Dezember 2012. Klage eingereicht hat der Kläger hingegen erst am 1. Februar 2013.

Dem Kläger kann auf seinen Antrag keine Wiedereinsetzung in diese versäumte Frist gewährt werden. Dabei kann offen bleiben, ob er im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 74 Abs. 1 AsylVfG einzuhalten. Sein Wiedereinsetzungsantrag vom 1. Februar 2013 entspricht nämlich nicht den formellen Erfordernissen des § 60 Abs. 2 VwGO. Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz VwGO ist der Wiedereinsetzungsantrag binnen 2 Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Diesen Anforderungen genügt das Wiedereinsetzungsgesuch nicht.

Das Hindernis im Sinne von § 60 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz VwGO gilt grundsätzlich als behoben, sobald das Fortbestehen der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist. Dies ist in dem Zeitpunkt der Fall, in dem ein verantwortlicher Anwalt bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt die eingetretene Versäumnis hätte erkennen können (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 9. Dezember 1992 –VIII ZB 30/92, NJW 1993, 1333).

Die Verwaltungsgerichte in Nordrhein-Westfalen unterrichten den Kläger regelmäßig über den Zeitpunkt des Klageeingangs. Mit dem Zugang dieser Eingangsmitteilung durch das Gericht, die aus diesem Grund von einem Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege immer zu prüfen ist, beginnt die Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO (vgl. nur Schmidt in Eyermann, Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Auflage 2010, § 60 Rdnr. 26 mit weiteren Nachweisen). Fehlt eine derartige Eingangsmitteilung innerhalb eines üblichen Zeitrahmens, so ist ein Prozessbevollmächtigter grundsätzlich verpflichtet, sich durch Nachfrage bei Gericht zu vergewissern, ob das von ihm rechtzeitig abgesandte Schriftstück dort auch fristgerecht eingegangen ist (s. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Dezember 1994 -1 S 3532/94-, NVwZ–RR 1995, 377).

Diesen Anforderungen genügt das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Klägers im vorliegenden Fall nicht. Der Prozessbevollmächtigte hat hier geltend gemacht, die Klageschrift sei von seiner Angestellten am 17. Dezember 2012, einem Montag, zur Post gegeben worden und zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten vorgelegt. Bei normalem Lauf der Post wäre die Klageschrift dann am 19. Dezember 2012 bei Gericht eingegangen und der Prozessbevollmächtigte hätte noch in der Woche, spätestens am 21. Dezember 2012, eine Eingangsbestätigung des Verwaltungsgerichts per Telefax erhalten. Selbst wenn sich diese Mitteilung des Gerichts wegen der nachfolgenden Weihnachtsfeiertage auf die folgenden Werktage, d.h. den 27. oder 28. Dezember 2012, oder wegen des sich anschließenden Jahreswechsels sogar bis zum 2. Januar 2013 verzögert hätte, so hätte der Prozessbevollmächtigte in der Folgezeit bei Gericht nachfragen müssen, ob die von ihm abgesandte Klageschrift rechtzeitig - die Klagefrist lief wie dargelegt am 24. Dezember 2012 ab - eingegangen ist. Spätestens nach Ablauf von 4 Wochen nach Absendung der Klageschrift musste eine derartige Nachfrage von ihm bei Anlegung des für eine Prozessführung erforderlichen Sorgfaltsmaßstabs eines ordentlichen Rechtsanwalts erwartet werden. Die Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist nach allem spätestens am 15. Januar 2013 in Lauf gesetzt worden und damit am 29. Januar 2013 um 24.00 Uhr abgelaufen. Um Wiedereinsetzung nachgesucht bei Gericht hat der Kläger allerdings erst am 1. Februar 2013. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann ihm damit mangels Einhaltung der Antragsfrist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gewährt werden. [...]