VG Freiburg

Merkliste
Zitieren als:
VG Freiburg, Urteil vom 18.09.2014 - 4 K 2304/13 - asyl.net: M22314
https://www.asyl.net/rsdb/M22314
Leitsatz:

Für den Erlass einer Befristungsentscheidung auf Grundlage des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG unter einer Bedingung - hier der vollständigen Begleichung der Abschiebungskosten - gibt es im geltenden Recht keine Rechtsgrundlage.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Befristung, Abschiebungskosten, Zahlung, Begleichung, aufschiebende Bedingung, Rückführungsrichtlinie, Wiedereinreise, Wiedereinreisesperre, Einreisesperre, Abschiebung, renitentes Verhalten, Widerstand, Spezialprävention, Wirkung der Abschiebung, Sperrwirkung,
Normen: AufenthG § 11 Abs. 1 S. 3, AufenthG § 11 Abs. 1 S. 4,
Auszüge:

[...]

I.

Rechtsgrundlage einer Befristung ist § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG (i.d.F. des Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 22.11.2011). Nach dieser Vorschrift werden die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG kraft Gesetzes eintretenden Wirkungen einer Ausweisung, Rückschiebung oder Abschiebung auf Antrag befristet. Die Frist nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist gemäß Satz 4 der Vorschrift unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls festzusetzen und darf fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei Bemessung der Länge der Frist wird berücksichtigt, ob der Ausländer rechtzeitig und freiwillig ausgereist ist (Satz 5). Die Frist beginnt nach Satz 6 mit der Ausreise. Nach Satz 7 erfolgt keine Befristung, wenn ein Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder aufgrund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG aus dem Bundesgebiet abgeschoben wurde.

II.

Diesen Anforderungen genügt die Befristungsentscheidung der Beklagten vom 13.12.2013 nicht.

1. Die Befristungsentscheidung der Beklagten ist bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides zu Unrecht den Eintritt der Befristung der Sperrwirkung von der - ungewissen - Zahlung der Abschiebungskosten durch den Kläger abhängig gemacht hat.

Der Sache nach stellt sich die von der Beklagten getroffene Regelung als eine aufschiebende Bedingung im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG dar. Für den Erlass einer derartigen Bedingung aber fehlt eine Rechtsgrundlage.

Gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung - zu der die Bedingung zu rechnen ist - nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt sind, während für im Ermessen der erlassenden Behörde stehende Verwaltungsakte nach § 36 Abs. 2 VwVfG der Erlass von Nebenbestimmungen in größerem Umfang zulässig ist.

a) Bei der Befristungsentscheidung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG handelt es sich um einen gebundenen Verwaltungsakt, auf den im Sinne des § 36 Abs. 1 VwVfG ein Anspruch besteht. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in seiner seit dem 26.11.2011 geltenden Fassung werden die Wirkungen u.a. der Abschiebung "auf Antrag befristet". Die Befristung ist damit grundsätzlich - anderes gilt nach Satz 5 der Regelung lediglich in hier nicht einschlägigen Fällen einer auf bestimmten besonders schwerwiegenden strafrechtlichen Verfehlungen des Ausländers beruhenden Abschiebung - zwingend vorgeschrieben; die in § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG in seiner bis zum Inkrafttreten des 2. Richtlinienumsetzungsgesetzes geltenden Fassung vorgesehene Ausnahme von der Befristung in atypischen Fällen ist entfallen. Der Ausländer hat somit einen zwingenden Anspruch darauf, dass die Ausländerbehörde auf seinen Antrag hin eine Befristungsentscheidung trifft (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 10.07.2012 - 1 C 19/11 -, juris, und vom 13.12.2012 - 1 C 14/12 -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 06.11.2012 - 11 S 2307/11 -, juris; OVG NRW, Beschluss vom 18.04.2011 - 18 E 1238/10 -, juris; OVG Nieders., Urteil vom 22.04.2013 - 2 LB 365/12 -, juris).

b) Die Zulässigkeit einer Nebenbestimmung bemisst sich daher vorliegend nach § 36 Abs. 1 VwVfG. Dessen Voraussetzungen aber sind zur Überzeugung der Kammer nicht erfüllt.

Zunächst sieht das Aufenthaltsgesetz weder in § 11 noch an anderer Stelle den Erlass von Nebenbestimmungen im Zusammenhang mit der Befristungsentscheidung vor.

Auch dient das Abhängigmachen der Befristung der Wirkungen der Abschiebung von der Zahlung der Abschiebungskosten nicht dem Ausräumen von Versagungsgründen im Sinne von § 36 Abs. 1 2. Alt. VwVfG. Der Zweck dieser Regelung besteht darin, es der Behörde im Interesse des Bürgers oder auch im öffentlichen Interesse zu ermöglichen, in sachlich besonders gerechtfertigten Fällen ausnahmsweise abschließende Sachentscheidungen auch schon zu einem Zeitpunkt zu treffen - etwa eine Genehmigung zu erteilen oder eine Leistung zu bewilligen -, in dem noch nicht alle gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt oder nachgewiesen sind (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl., § 36 Rn. 44 m.w.N.).

Ein derartiger Fall aber liegt hier nicht vor.

Zwar hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21.11.2013 (19 C 13.1206, juris) entschieden, dass die Neufassung des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG die Ausländerbehörde nicht daran hindere, das mit einer Ausweisung verbundene Einreiseverbot unter einer (aufschiebenden) Bedingung - dort unter der Bedingung, dass eine gegenwärtig vorhandene Drogensucht nicht mehr besteht - zu befristen, und dies damit begründet, dass die Ausländerbehörde verpflichtet sei, die Befristung bereits zu einem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Voraussetzung für das Fristende - das Fehlen einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit - noch nicht vorliege, dass eine derartige Bedingung nach altem Recht möglich gewesen sei und dass die Rückführungsrichtlinie nicht dazu zwinge, die Befristungsentscheidung auf eine bloße Fristfestlegung zu beschränken, also die im Einzelfall vorhandenen Umstände außer Acht zu lassen, die erneute Rechtsverstöße besonders wahrscheinlich machten. Auch § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG hindere die Ausländerbehörde nicht daran, Gefahren, die ersichtlich mit persönlichen Gewohnheiten oder Eigenschaften in Zusammenhang stünden, bereits beim Konzipieren der Befristungsentscheidung zu berücksichtigen.

Dieser Auffassung vermag die Kammer jedoch nicht zu folgen. Zwar mag es unter Geltung von § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a.F. zulässig gewesen sein, eine Befristungsentscheidung unter einer Bedingung zu treffen, und zwar in den Fällen, in denen an sich kein Regel-, sondern ein Ausnahmefall gegeben war, durch die Bedingung daher die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Befristungsentscheidung - nämlich die Annahme eines Regelfalles - hergestellt werden sollten. Nach dieser inzwischen überholten Gesetzesfassung war es ggf. denkbar, dass die Nichtbegleichung der durch die Abschiebung entstandenen Kosten die Annahme eines Ausnahmefalles rechtfertigte. Möglicherweise stünde die Rückführungsrichtlinie dem Erlass einer Befristungsentscheidung unter einer Bedingung auch nach geltendem Recht nicht entgegen. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung. Denn das aktuell geltende nationale Recht steht einer Befristungsentscheidung unter einer Bedingung entgegen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 und 7 AufenthG in seiner aktuellen Fassung ist der Anspruch eines Ausländers, gegen den eine Ausweisungs-, Zurückschiebungs- oder Abschiebungsentscheidung ergangen ist, auf Erlass einer Befristungsentscheidung nur davon abhängig, dass er nicht wegen einer der in Satz 7 enumerativ aufgelisteten, besonders schwerwiegenden Straftaten abschoben worden ist. Von weiteren gesetzlichen Voraussetzungen, deren Herstellung der Erlass einer Befristung unter einer Bedingung dienen könnte, wie der Begleichung der Abschiebungskosten oder der Beendigung der Drogensucht, wird der Anspruch eines Ausländers auf Befristung gerade nicht abhängig gemacht. Vom Gesetz ist es vielmehr gewollt, dass die Ausländerbehörde zu einem Zeitpunkt, zu dem typischerweise mit den Worten des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs "die Voraussetzung für das Fristende (das Fehlen einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit) noch nicht vorliegt" - andernfalls käme lediglich eine Befristung auf Null in Betracht -, eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, wann der mit der Ausweisung oder Abschiebung verfolgte Zweck voraussichtlich erreicht sein wird. Im Übrigen bedarf es auch aus Gründen der öffentlichen Sicherheit keiner Befugnis der Ausländerbehörde, die Befristungsentscheidung unter einer Bedingung zu erlassen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Ende der Wiedereinreisesperre keinen Anspruch auf Wiedereinreise begründet, sondern nur die Möglichkeit der zuvor von vornherein ausgeschlossenen Erteilung eines Aufenthaltstitels wieder eröffnet. Im Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels kann daher nach Ablauf der Frist geprüft werden, ob eine Gefahr, die die aufenthaltsbeendende Maßnahme und damit die Wiedereinreisesperre ausgelöst hat, fortbesteht (BVerwG, Urteil vom 13.12.2012 - 1 C 20.11 -, juris). Daher gebietet es die Wahrung der geschützten öffentlichen Interessen nicht, dass die Wiedereinreisesperre gleichsam mit einem Sicherheitspolster für einen Zeitraum verhängt wird, der so lang bemessen ist, dass eine erneute Beeinträchtigung öffentlicher Interessen durch einen Aufenthalt nach Fristablauf auf jeden Fall ausgeschlossen erscheint (Beck-OK Ausländerrecht, Stand 03/2014, § 11 Rn. 17); ebenso wenig bedarf es einer Bedingung, die sicherstellt, dass ein Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet nach Wegfall der Einreisesperre keine öffentlichen Interessen (mehr) verletzt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (vom 26.10.2009 - VwV-AufenthG -). Zwar soll nach Ziffer 11.1.4.4 VwV-AufenthG "die Befristung (…) davon abhängig gemacht werden, dass die Zurückschiebungs- oder Abschiebungskosten (…) erstattet werden", wenn der Ausländer zu deren Bezahlung verpflichtet ist. Dahinstehen kann, inwieweit diese nach Art. 84 Abs. 2 GG vom Bundesministerium des Innern zu § 11 AufenthG a.F. erlassene Regelung unter der Geltung von § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a.F. tauglicher Maßstab und Leitlinie für die Abgrenzung von Regel- und Ausnahmefall war (dafür etwa Hess. VGH, Beschluss vom 25.06.1998 - 13 ZU 1215/98 -, juris; insoweit kritisch etwa VG Augsburg, Urteil vom 28.09.2010 - Au 1 K 10.836 -, juris). Denn die Allgemeine Verwaltungsvorschrift ist jedenfalls infolge des Inkrafttretens des 2. Richtlinienumsetzungsgesetzes mit der Scaffung eines nicht nur im Regelfall bestehenden Anspruchs des Ausländers auf Befristung insoweit überholt, so dass ihr keine rechtliche Bedeutung mehr zukommen kann. An Ziff. 11.1.4.4 VwV-AufenthG ist deshalb jedenfalls für die Frage der Befristung der Wirkungen von Abschiebung bzw. Ausweisung nicht mehr festzuhalten.

Die in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides von der Beklagten vorgenommene Verknüpfung zwischen der Begleichung der Abschiebungskosten und der Befristungsentscheidung in Form der aufschiebenden Bedingung ist folglich rechtswidrig (zur Rechtswidrigkeit einer derartigen Bedingung vgl. auch OVG Nieders., Urteil vom 07.03.2013 - 11 LB 167/12 -, juris; Gutmann, InfAuslR 2014, 130; Armbruster/Hoppe, ZAR 2013, 309; vgl. auch - begründet allerdings in erster Linie mit der aus dem unbestimmten Bedingungseintritt folgenden Unbestimmtheit des Verwaltungsakts - VG Düsseldorf, Urteil vom 15.08.2013 - 7 K 2868/12 -, juris; VG Augsburg, Urteil vom 28.09.2010 - Au 1 K 10.836 -, juris [zu § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a.F.]) und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Bereits die Rechtswidrigkeit der der Befristungsentscheidung beigefügten aufschiebenden Bedingung führt dazu, dass die Befristungsentscheidung insgesamt rechtswidrig und aufzuheben ist (OVG Nieders., Urteil vom 07.03.2013, a.a.O.).

2. Darüber hinaus erweist sich aber auch die Befristung der Wirkungen der Abschiebung auf fünf Jahre in Ziff. 1 des angefochtenen Bescheides vom 13.12.2013 zulasten des Klägers als rechtswidrig.

a) Die allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzende Frist ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 AufenthG unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bestimmen und darf die Höchstfrist von fünf Jahren nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht. Bei richtlinienkonformer Auslegung genügt für eine Überschreitung des Fünfjahreszeitraums nicht jedwede strafgerichtliche Verurteilung. Vielmehr ist es erforderlich, dass der strafrechtlichen Verurteilung eine schwerwiegende Straftat zugrunde liegt, welche eine ernsthafte Gefahr für ein gewichtiges öffentliches Rechtsgut im Falle einer Wiedereinreise des Ausländers begründet (BT-Drs. 17/5470; Hailbronner, AuslR, Stand 06/14, A 1 § 11 Rn. 20; HTK AuslR, a.a.O., Anmerkung 5 zu § 11 AufenthG - zu Abs. 1 Satz 3 bis 7, spricht von Straftaten nach §§ 53, 54 Nrn. 1, 2 AufenthG). Daraus folgt, dass selbst bei Ausweisungen, die auf einer strafrechtlichen Verurteilung beruhen, regelmäßig die Höchstfrist von fünf Jahren gilt.

Im Rahmen der Befristungsentscheidung im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die im Zusammenhang mit der Befristung von Wirkungen einer Abschiebung ergeht, ist weiter zu berücksichtigen, dass der Zweck der Abschiebung eines Ausländers mit dem der Ausweisung nicht identisch ist. Wenn auch beide dazu dienen, den Aufenthalt des Ausländers im Inland zu beenden, setzt eine Abschiebung nicht zwingend eine Ausweisung voraus. Mit der Abschiebung soll die Durchführung der Aufenthaltsbeendigung durchgesetzt werden, weil deren freiwillige Erfüllung nicht sichergestellt oder deren Überwachung im öffentlichen Interesse geboten ist; sie dient der Durchsetzung der Beachtung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Grundsätze, insbesondere also der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreiseverpflichtung des Ausländers (VG Düsseldorf, Urteile vom 15.08.2013 - 7 K 2868/12 - und - 2869/12 -, jew. juris; VG Augsburg, Urteil vom 25.09.2012 - 1 K 12.653 -, juris; Hailbronner, AuslR, Stand 12/2013, § 11 AufenthG Rn. 44). Damit hat sich der Zweck einer Abschiebung grundsätzlich mit deren Durchführung erfüllt. Eine weitere Aufrechterhaltung der Wirkungen der Abschiebung ist in der Regel nicht geboten, so dass grundsätzlich eine kurze Befristung ausreichend ist (VG Düsseldorf, Urteil vom 15.08.2013 - 7 K 2868/12 -, juris; VG Augsburg, Urteil vom 25.09.2012, a.a.O.). Etwas anderes gilt allerdings bei besonderen Umständen, etwa wenn sich der Ausländer seiner Ausreiseverpflichtung durch Untertauchen oder Widerstand entzogen hat. In einem solchen Fall spricht Einiges dafür, dass er sich im Fall einer weiteren Einreise erneut der Durchsetzung einer vollziehbaren Ausreiseverpflichtung entziehen bzw. widersetzen und damit zusätzlichen Verwaltungsaufwand und weitere Kosten für eine erneute Abschiebung verursachen wird. Dies rechtfertigt es, ihn länger vom Bundesgebiet fernzuhalten und die Frist des § 11 Abs. 1 AufenthG für einen längeren Zeitraum festzusetzen (VG Düsseldorf, Urteile vom 15.08.2013 - 7 K 2868/12 - und - 7 K 2869/12 -, jew. juris). Ferner ist hier zu berücksichtigen, ob der Ausländer die bisher angefallenen Abschiebungskosten bezahlt hat. Der Zweck des Aufenthaltsgesetzes allgemein und damit der des § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG umfasst unter anderem den Schutz der finanziellen Belange der Bundesrepublik Deutschland oder des jeweiligen Bundeslandes. Es widerspricht in der Regel dem öffentlichen Interesse, dass die Kosten der Abschiebung der zuständigen Behörde zur Last fallen. Von daher liegt es nahe, bei der Prüfung der Frage, wie lange ein abgeschobener Ausländer weiterhin vom Bundesgebiet fernzuhalten ist, auch zu berücksichtigen, ob er die Abschiebungskosten nachträglich beglichen hat oder begleichen will (VG Düsseldorf, Urteil vom 15.08.2013 - 7 K 2868/12 und - 7 K 2869/12 -, jew. juris; OVG NRW, Beschluss vom 18.04.2011 - 18 E 1238/10 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 25.06.2013 - 8 PA 98/13 -, juris; OVG Hamburg, Beschluss vom 29.11.2010 - 5 So 160/10 -, juris [zu § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG a.F.], wobei insoweit auch die individuelle Leistungsfähigkeit des Ausländers in den Blick zu nehmen ist (OVG NRW, Beschluss vom 18.04.2011, a.a.O.). Einfluss auf die Bemessung der Frist hat schließlich das Verhalten des Ausländers nach der Abschiebung; dabei ist es etwa zu berücksichtigen, ob er in der Zeit seit seiner Abschiebung das aus der Abschiebung resultierende Einreiseverbot beachtet hat oder entgegen dem Verbot erneut, etwa unter falschen Personalien, ins Bundesgebiet eingereist ist (Bayer. VGH, Beschluss vom 10.04.2013 - 10 C 12.1757 -, juris; OVG Nieders., Beschluss vom 25.06.2013 - 8 PA 98/13 -, juris; VG Düsseldorf, Urteil vom 15.08.2013 - 7 K 2868/12 -, juris; Beck-OK AuslR, Stand 01.03.2014, § 11 AufenthG Rn. 18; vgl. auch RL 2008/115/EG, Erwägungsgrund 14).

b) Vorliegend hat die Beklagte die Höchstfrist von fünf Jahren gewählt, obgleich der Kläger ohne vorausgegangene Ausweisung aus dem Bundesgebiet abgeschoben worden ist, der Zweck der Abschiebung damit gegenüber dem einer Ausweisung grundsätzlich minder gewichtig ist. Diese Frist ist zur Überzeugung der Kammer zu lang gewählt.

Zwar ist mit der Beklagten davon auszugehen, dass der Fall des Klägers eine im Vergleich zu sonstigen Abschiebungen deutlich längere Frist rechtfertigt. Denn immerhin versuchte der Kläger nach seiner ersten Abschiebung am 11.05.2011 in Kenntnis der Rechtslage zunächst im Februar 2012 erfolglos, unter Umgehung der Dokumentenkontrolle und unter Verschleierung der vorangegangenen Abschiebung auf dem Luftweg erneut nach Deutschland einzureisen, um sodann im Juni 2012 illegal ins Bundesgebiet und im Jahr 2013 offenbar ebenfalls ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel nach Frankreich einzureisen. Auch das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit den Abschiebungen spricht dafür, dass in seinem Fall eine nicht nur kurze Frist zu setzen ist; jedenfalls die Abschiebung am 20.04.2011 sowie auch die nach erneuter Einreise ins Bundesgebiet für den 27.08.2012 geplante Abschiebung scheiterten jeweils am erheblichen Widerstand des Klägers. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger bislang offenbar keinerlei Anstrengungen unternommen hat, um die Kosten der Abschiebungen i.H.v. 35.996,06 €, die zwar zu einem gewissen Teil mit der, wie eine spätere Haftprüfung ergab, rechtswidrigen Anordnung der Abschiebehaft sowie auf vom Kläger nicht zu vertretenden Schwierigkeiten mit der Stornierung eines Anschlussfluges zusammenhängen, im wesentlichen jedoch auf der Nichterfüllung seiner Ausreisepflicht und seinem renitenten Verhalten bei den Abschiebeterminen beruhen, zumindest teilweise zurückzuführen. Entgegen der bisher von der Beklagten vertretenen Auffassung ist allerdings die nicht fristgerechte freiwillige Ausreise des Klägers kein Belang, der zu seinen Lasten bei der Fristbestimmung zu berücksichtigen wäre. Denn anders als die Ausweisung setzt die Abschiebung begriffsnotwendig die Nichterfüllung der Ausreiseverpflichtung voraus. Ebenso wenig lassen sich die vom Kläger eingelegten Rechtsmittel, mit denen er sich gegen die Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung zur Wehr gesetzt hat, bei der Fristbestimmung zu Lasten des Klägers berücksichtigen; dies würde den durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG grundrechtlich geschützten Anspruch auf Eröffnung des Rechtswegs gegen Akte der öffentliche Gewalt verkennen. Der Umstand, dass der Kläger nach seiner illegalen Einreise ins Bundesgebiet dort nicht etwa unter falscher Identität lebte, sondern sich ordnungsgemäß anmeldete und - nach eigenen Angaben - mit der Ausländerbehörde zum Zwecke der Erteilung eines Aufenthaltstitels Kontakt aufnahm, ist in diesem Zusammenhang positiv zu bewerten. Und schließlich ist - ohne dass dies die erneute illegale Einreise des Klägers rechtfertigen könnte - die zögerliche Bearbeitung des erstmals im März 2012 gestellten Antrags des Klägers auf Befristung der Wirkungen der Abschiebung durch die Behörden zu berücksichtigen, wodurch dem Kläger die ihm zustehende klare Perspektive über einen nicht zu rechtfertigenden Zeitraum von insgesamt 1 ¾ Jahren vorenthalten wurde.

Zusammenfassend folgt aus dem Vorstehenden, dass es wegen des renitenten Verhaltens des Klägers im Zusammenhang mit den Abschiebungen wie auch dem Missachten des Einreiseverbotes aus Gründen der Spezialprävention erforderlich ist, ihn deutlich länger als bei typischen Fällen der Abschiebung vom Bundesgebiet fernzuhalten. Außerdem wirkt sich zu seinen Lasten die fehlende Zahlungsbereitschaft hinsichtlich der Abschiebungskosten aus. Andererseits ist es nach den vorstehenden Ausführungen nicht geboten, die Frist von fünf Jahren, die, wie gesehen, auch für unter spezialpräventiven Gesichtspunkten wesentlich schwerwiegendere Ausweisungen als Höchstfrist Geltung beansprucht, vorliegend auszuschöpfen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat die Beklagte antragsgemäß erneut über den Befristungsantrag des Klägers zu entscheiden. [...]