EuGH

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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 17.07.2014 - C?338/13 - asyl.net: M22320
https://www.asyl.net/rsdb/M22320
Leitsatz:

Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach Ehegatten und eingetragene Partner das 21. Lebensjahr bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung vollendet haben müssen, um als nachzugsberechtigte Familienangehörige gelten zu können.

Schlagwörter: Mindestalter, Beurteilungszeitpunkt, Zeitpunkt der Antragstellung, Ehegattennachzug, Zeitpunkt der Bescheidung, Familienzusammenführung, Familiennachzug, Alter, Familienzusammenführungsrichtlinie,
Normen: RL 2003/86/EG Art. 4 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

12 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2003/86 den Mitgliedstaaten zur Förderung der Integration und zur Vermeidung von Zwangsehen erlaubt, ein Mindestalter von höchstens 21 Jahren festzusetzen, das der Zusammenführende und sein Ehegatte erreicht haben müssen, bevor der Ehegatte dem Zusammenführenden nachreisen darf.

13 Da in dieser Bestimmung jedoch nicht festgelegt ist, auf welchen Zeitpunkt die nationalen Behörden zur Klärung der Frage abstellen müssen, ob die Voraussetzung des Mindestalters erfüllt ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2003/86 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach Ehegatten und eingetragene Partner das 21. Lebensjahr bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung vollendet haben müssen, um als nachzugsberechtigte Familienangehörige gelten zu können.

14 Hierzu ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber, indem er nicht präzisiert hat, ob die nationalen Behörden zur Klärung der Frage, ob die Voraussetzung des Mindestalters erfüllt ist, auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung oder auf den Zeitpunkt der Bescheidung dieses Antrags abstellen müssen, den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum lassen wollte, soweit nicht die Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt wird.

15 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2003/86 festgesetzte Mindestalter letztlich dem Alter entspricht, in dem eine Person nach Auffassung des betreffenden Mitgliedstaats nicht nur für die Verweigerung einer erzwungenen Eheschließung die nötige Reife besitzen dürfte, sondern auch für die Entscheidung, sich freiwillig mit dem Ehegatten in einem anderen Land niederzulassen, um dort mit ihm ein Familienleben zu führen und sich dort zu integrieren.

16 Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass eine Maßnahme wie die im Ausgangsverfahren fragliche, wonach der Zusammenführende und sein Ehegatte das erforderliche Mindestalter zum Zeitpunkt der Antragstellung erreicht haben müssen, weder die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung verhindert noch Letztere übermäßig erschwert. Eine solche Maßnahme stellt auch nicht das Ziel der Verhinderung von Zwangsehen in Frage, da sie die Annahme zulässt, dass es wegen der größeren Reife weniger leicht sein wird, die Betroffenen dahin zu beeinflussen, dass sie eine Zwangsehe schließen und die Familienzusammenführung akzeptieren, wenn sie bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung das Alter von 21 Jahren erreicht haben müssen, als wenn sie zu diesem Zeitpunkt jünger als 21 Jahre wären.

17 Darüber hinaus steht es auch im Einklang mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit, wenn zur Klärung der Frage, ob die Voraussetzung des Mindestalters erfüllt ist, auf den Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung abgestellt wird.

18 Wie die österreichische Regierung betont hat, ermöglicht nämlich das Anknüpfen an den Zeitpunkt der Antragstellung, die Gleichbehandlung aller Antragsteller zu gewährleisten, die sich zeitlich in der gleichen Situation befinden, indem sichergestellt wird, dass der Erfolg eines Antrags in erster Linie von Umständen abhängt, die in der Sphäre der Antragsteller liegen, nicht aber von Umständen, die in der Behördensphäre liegen, wie die Dauer der Bearbeitung des Antrags.

19 Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2003/86 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach Ehegatten und eingetragene Partner das 21. Lebensjahr bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung vollendet haben müssen, um als nachzugsberechtigte Familienangehörige gelten zu können. [...]