OVG Berlin-Brandenburg

Merkliste
Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.05.2014 - 3 M 7.14 - asyl.net: M22357
https://www.asyl.net/rsdb/M22357
Leitsatz:

1. Die im Bundesgebiet von einem katholischen Priester vorgenommene römisch-katholische Trauung zweier ausländischer Staatsangehöriger ist von der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht als Ehe (im zivilrechtlichen Sinne) anerkannt und vermittelt somit auch keinen Anspruch auf Ehegattennachzug.

2. Eine erweiternde, dem Willen des Gesetzgebers offensichtlich entgegenstehende und in systematischer Hinsicht nicht überzeugende Auslegung des in § 30 Abs. 1 AufenthG normierten Ehebegriffs in dem Sinne, dass auch die im Bundesgebiet vorgenommene römisch-katholische Trauung einer Ausländerin und eines Ausländers einen Anspruch auf Ehegattennachzug begründet, obwohl an diese Trauung keine bürgerlich-rechtlichen Folgen geknüpft sind, ist weder im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG noch im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK geboten.

3. Das gilt auch, soweit die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG erteilt und verlängert wird.

Schlagwörter: religiöse Eheschließung, römisch-katholisch, Katholiken, Unwirksamkeit der Eheschließung, Ehegattennachzug, Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen, Schutz von Ehe und Familie,
Normen: EGBG Art. 13 Abs. 3, BGB § 1310 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 30 Abs. 1, GG Art. 6, GG Art. 6 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Eine Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 30 AufenthG in Verbindung mit §§ 27, 29 AufenthG kommt gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger wegen seiner (ersten) unerlaubten Einreise und der Vorlage gefälschter Ausweispapiere mit Bescheid vom 19. April 2012 ausgewiesen und am 25. April 2012 abgeschoben worden ist und der Beklagte die Sperrwirkung mit Bescheid vom 2. September 2013 auf den 24. April 2017 befristet hat. Dass dieser Bescheid inzwischen geändert worden und die Befristung ohne das Erfordernis einer vorherigen Ausreise entfallen wäre, ist weder ersichtlich noch geltend gemacht. Bei einer (bloßen) Verkürzung der Sperrfrist müsste der Kläger in jedem Fall zunächst ausreisen und deren Ablauf vom Ausland aus abwarten, bevor er einen Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung beanspruchen könnte. Im Übrigen steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug entgegen, dass der Kläger nicht die Passpflicht erfüllt (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG in Verbindung mit § 3 AufenthG).

Unabhängig davon ist der Kläger nicht Ehegatte der Frau G. im Sinne von § 30 Abs. 1 AufenthG. Hierbei handelt es sich angesichts der eindeutigen Rechtslage nicht um eine offene Rechtsfrage, zu deren Beantwortung die Bewilligung von Prozesskostenhilfe geboten wäre.

Die im Bundesgebiet von einem katholischen Priester vorgenommene römisch-katholische Trauung zweier ausländischer Staatsangehöriger ist von der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht als Ehe (im zivilrechtlichen Sinne) anerkannt und vermittelt somit auch keinen Anspruch auf Ehegattennachzug. Gemäß Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB kann eine Ehe im Inland grundsätzlich nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Dies geschieht nach § 1310 Absatz 1 Satz 1 BGB durch Erklärung vor dem Standesbeamten. Hat keiner der Verlobten die deutsche Staatsangehörigkeit, so kann die Ehe im Inland gemäß Art. 13 Abs. 3 Satz 2 EGBGB ferner vor einer von der Regierung des Staates, dem einer der Verlobten angehört, ordnungsgemäß ermächtigten Person in der nach dem Recht dieses Staates vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Auch dies ist hier nicht erfüllt.

An dieser Rechtslage hat sich dadurch nichts geändert, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform des Personenstandsrechts vom 19. Februar 2007 (BGBl I S. 122) die in §§ 67, 67a PStG a.F. geregelte Verpflichtung, vor der kirchlichen Trauung die Zivilehe einzugehen, aufgehoben hat. Dies erfolgte im Hinblick auf "die eindeutige Aussage der Eheschließungsvorschrift in § 1310 BGB", die keinen Zweifel daran lasse, dass nur die standesamtliche Ehe eine Ehe im Rechtssinn begründen könne (BT-Drs. 16/1831, S. 33). Aus diesem Willen des Gesetzgebers, allein die bürgerlich-rechtliche Ehe als solche staatlich anzuerkennen und mit Rechten und Pflichten auszugestalten, wird deutlich, dass der aufenthaltsrechtliche Ehegattennachzug des § 30 AufenthG für in der Bundesrepublik Deutschland geschlossene Ehen weiterhin voraussetzt, dass diese Ehen dem Formerfordernis des Art. 13 Abs. 3 EGBG, § 1310 Abs. 1 Satz 1 BGB entsprechen.

Eine erweiternde, dem Willen des Gesetzgebers offensichtlich entgegenstehende und in systematischer Hinsicht nicht überzeugende Auslegung des in § 30 Abs. 1 AufenthG normierten Ehebegriffs in dem Sinne, dass auch die im Bundesgebiet vorgenommene römisch-katholische Trauung einer Ausländerin und eines Ausländers einen Anspruch auf Ehegattennachzug begründet, obwohl an diese Trauung keine bürgerlich-rechtlichen Folgen geknüpft sind, ist weder im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG noch im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK geboten.

Das gilt auch, soweit die Aufenthaltserlaubnis gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert wird. Ausländische Staatsangehörige, die im bürgerlich-rechtlichen Sinne nicht verheiratet sind und sich im Bundesgebiet nur kirchlich, d.h. ohne jede staatliche Mitwirkung, trauen lassen, können jedenfalls den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe nicht für sich in Anspruch nehmen. Dies folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die verfassungsrechtliche Schutzwürdigkeit einer Ehe u.a. von der amtlichen Mitwirkung bei der Eheschließung als entscheidendes bzw. wesentliches Ordnungselement abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Oktober 1970 - 1 BvR 409/67 -, juris Rn. 32; Beschluss vom 30. November 1982 - 1 BvR 818/81 -, juris Rn. 27; ebenso Gröschner, in: Dreier, Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl., Band I, Art. 6 Rn. 40 f.; Badura, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Band II, Art. 6 Rn. 42).

Auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine im Ausland geschlossene Ehe dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfällt, kommt es hier nicht entscheidungserheblich an. Der Verweis des Klägers auf so genannte hinkende Ehen greift ebenfalls nicht durch, weil weder ersichtlich noch behauptet ist, dass die im Bundesgebiet vorgenommene römisch-katholische Trauung in Kenia als wirksame Eheschließung anerkannt wäre.

Dieses Ergebnis stimmt mit der höchstrichterlichen und obergerichtlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung überein. Sie geht davon aus, dass der asyl- und der aufenthaltsrechtliche Ehebegriff eine wirksame zivile Eheschließung voraussetzen. So hat das Bundesverwaltungsgericht für im Ausland vorgenommene Trauungen entschieden, dass eine nur nach religiösem Ritus mit Eheschließungswillen eingegangene Verbindung, die der Heimatstaat des Ausländers nicht anerkenne, keine Ehe im Sinne von § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG sei. Dazu zähle z.B. die in der Türkei geschlossene sogenannte Imam-Ehe (BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2005 - 1 C 17/03 -, juris Rn.9). Auch die obergerichtliche Rechtsprechung vertritt die Ansicht, dass die religiöse Trauung zwischen Ausländern nicht vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst ist, wenn deren Heimatstaat diese Trauung nicht als wirksame Eheschließung anerkennt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 1. Februar 2005 - 2 ME 1326/04 -, juris; OVG Saarlouis, Beschluss vom 18. Januar 2002 - 1 W 8/01 -, InfAuslR 2002, 231; OVG Koblenz, Urteil vom 5. Juli 1993 - 13 A 10564/92 -, NVwZ 1994, 514). Vor diesem Hintergrund kann die gegenteilige Entscheidung des OVG Lüneburg (Beschluss vom 17. Mai 2001 - 4 MA 911/01 -, juris), die keine Begründung gibt, auf das insoweit nicht einschlägige Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 1985 (- 1 C 33/81 -, juris) Bezug nimmt und zudem nicht erkennen lässt, ob die Ehe "nach islamischem Recht" bzw. "islamischem Ritus" im Ausland oder im Inland geschlossen worden war, vollständig unberücksichtigt bleiben.

Schließlich kann der vollziehbar zur Ausreise verpflichtete Kläger keine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG beanspruchen. Es ist zum einen nicht erkennbar, dass er ihm zumutbare Anstrengungen unternommen hätte, das tatsächliche Abschiebungshindernis seiner Passlosigkeit zu beseitigen. Zum anderen liegt auch kein rechtliches Abschiebungshindernis vor. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass seine Bindungen zu Frau G., die ebenfalls aus Kenia stammt, unter den konventionsrechtlichen Familienbegriff des Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen (vgl. dazu Karpenstein/Mayer, EMRK, Kommentar, 2012, Art. 8 Rn. 49), folgt daraus nicht, dass diese Bindungen trotz der Aufenthaltsverfestigung der Frau G. zwingend im Bundesgebiet gelebt werden müssten. Abgesehen davon, dass das öffentliche Interesse an der (erneuten) Ausreise des ausgewiesenen und abgeschobenen Klägers dessen privates Interesse an der Führung einer erst kürzlich begründeten nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit einer im Bundesgebiet lebenden kenianischen Staatsangehörigen überwiegt, ist der 2012 (erneut) unerlaubt eingereiste Kläger diese Bindung in dem Wissen eingegangen, dass er sich aufgrund seiner Ausweisung und Abschiebung nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten durfte. Aus demselben Grund kann der Kläger auch keine Duldung (§ 60a AufenthG) beanspruchen. Wenn der Kläger der Auffassung sein sollte, dass die Befristung der Sperrwirkung (weiter) verkürzt werden müsste, bleibt es ihm unbenommen, diesen Weg zu verfolgen.

Soweit es schließlich um die hilfsweise begehrte Duldung geht, weil davon auszugehen sei, dass "die standesamtliche Trauung in Kürze nachgeholt werden" könne, fehlt es bereits an konkreten zeitlichen Angaben zu der beabsichtigten Eheschließung. [...]