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EuGH, Urteil vom 11.11.2014 - C-333/13 (Dano gegen Deutschland) (ASYLMAGAZIN 12/2014, S. 439 ff.) - asyl.net: M22437
https://www.asyl.net/rsdb/M22437
Leitsatz:

1. Die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass ihr Art. 4 für die "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 dieser Verordnung gilt.

2. Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 sind dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 ausgeschlossen werden, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten, sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht.

Schlagwörter: Unionsbürger, Erwerbstätigkeit, nicht erwerbstätig, Arbeitslosigkeit, Inländergleichbehandlung, Ungleichbehandlung, Sozialleistungen, Sicherung des Lebensunterhalts, besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, beitragsunabhängige Leistungen, Unionsbürgerrichtlinie, freizügigkeitsberechtigt, Freizügigkeitsrichtlinie, SGB II,
Normen: AEUV Art. 20 Abs. 1, VO 883/2004 Art. 3, VO 883/2004 Art. 4, VO 883/2004 Art. 9, RL 2004/38/EG Art. 24, VO 2004/38/EG Art. 24 Abs. 1, RL 2004/38/EG Art. 7 Abs. 1 Bst. b,
Auszüge:

[...]

Zunächst ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 eingestuft hat.

Hierzu ist erstens darauf hinzuweisen, dass Art. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 deren sachlichen Geltungsbereich festlegt und dabei in Abs. 3 ausdrücklich bestimmt, dass sie "auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gemäß Artikel 70 [der Verordnung gilt]".

Aus dem Wortlaut des Art. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 geht somit klar hervor, dass sie für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen gilt.

Zweitens sieht Art. 70 der Verordnung Nr. 883/2004 in Abs. 3 vor, dass Art. 7 ("Aufhebung der Wohnortklauseln") und die anderen Kapitel ihres Titels III, der verschiedenen Arten von Leistungen gewidmet ist, nicht für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gelten.

Somit werden zwar durch Art. 70 Abs. 3 der Verordnung Nr. 883/2004 als Ausnahmevorschrift einige Bestimmungen der Verordnung für nicht auf diese Leistungen anwendbar erklärt, doch gehört Art. 4 der Verordnung nicht zu diesen Bestimmungen.

Schließlich entspricht eine Auslegung, nach der Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 auf die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen anwendbar ist, dem Willen des Unionsgesetzgebers. Dies ergibt sich aus dem dritten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1247/92, mit der die Verordnung Nr. 1408/71 geändert wurde, um ihr Bestimmungen über derartige Leistungen hinzuzufügen und so der hierzu ergangenen Rechtsprechung Rechnung zu tragen.

Nach dem siebten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1247/92 sind diese Leistungen ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzmitgliedstaats der betreffenden Person oder ihrer Familienangehörigen zu gewähren, wobei die in jedem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Wohnzeiten, soweit erforderlich, zu berücksichtigen sind und jedwede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit entfällt.

Die besondere Regelung, die der Unionsgesetzgeber damit durch die Verordnung Nr. 1247/92 in die Verordnung Nr. 1408/71 eingefügt hat, ist mithin durch die Nichtexportierbarkeit besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen als Gegenstück zu einer Gleichbehandlung im Wohnsitzstaat gekennzeichnet.

Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen ist, dass ihr Art. 4 für die "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" im Sinne von Art. 3 Abs. 3 und Art. 70 dieser Verordnung gilt.

Zur zweiten und zur dritten Frage

Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 18 AEUV und 20 Abs. 2 AEUV sowie Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen sind, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der nicht erwerbstätige Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten ganz oder teilweise vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" im Sinne der Verordnung Nr. 883/2004 ausgeschlossen werden, während Staatsangehörige des betreffenden Mitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 20 Abs. 1 AEUV jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, den Status eines Unionsbürgers verleiht (Urteil N., C-46/12, EU:C:2013:9725, Rn. 25).

Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, ist der Unionsbürgerstatus dazu bestimmt, der grundlegende Status der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, im sachlichen Anwendungsbereich des AEU-Vertrags unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und unbeschadet der insoweit ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmen die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen (Urteile Grzelczyk, C-184/99, EU:C:2001:458, Rn. 31, D’Hoop, C-224/98, EU:C:2002:432, Rn. 28, und N., EU:C:2013:9725, Rn. 27).

Jeder Unionsbürger kann sich daher in allen Situationen, die in den sachlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, auf das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Art. 18 AEUV berufen. Zu diesen Situationen gehören diejenigen, die die Ausübung der durch Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a AEUV und Art. 21 AEUV verliehenen Freiheit betreffen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten (vgl. Urteil N., EU:C:2013:97, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass Art. 18 Abs. 1 AEUV jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit "[u]nbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge … in ihrem Anwendungsbereich" verbietet. Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV sieht ausdrücklich vor, dass die Rechte, die dieser Artikel den Unionsbürgern verleiht, "unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen ausgeübt [werden], die in den Verträgen und durch die in Anwendung der Verträge erlassenen Maßnahmen festgelegt sind". Ferner besteht nach Art. 21 Abs. 1 AEUV das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, "vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen" (vgl. Urteil Brey, C-140/12, EU:C:2013:565, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Dabei wird das in Art. 18 AEUV in allgemeiner Weise niedergelegte Diskriminierungsverbot in Art. 24 der Richtlinie 2004/38 für Unionsbürger konkretisiert, die wie die Kläger des Ausgangsverfahrens von ihrer Freiheit Gebrauch machen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten. Zudem erfährt dieses Verbot in Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 eine Konkretisierung für Unionsbürger, die wie die Kläger des Ausgangsverfahrens im Aufnahmemitgliedstaat Leistungen nach Art. 70 Abs. 2 dieser Verordnung beanspruchen.

Daher sind Art. 24 der Richtlinie 2004/38 und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 auszulegen.

Einleitend ist festzustellen, dass die von Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 erfassten "besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen" unter den Begriff der Sozialhilfe im Sinne des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 fallen. Dieser Begriff bezieht sich nämlich auf sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichteten Hilfssysteme, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthalts möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaats belasten muss, was geeignet ist, sich auf das gesamte Niveau der Beihilfe auszuwirken, die dieser Staat gewähren kann (Urteil Brey, EU:C:2013:565, Rn. 61).

Dies vorausgeschickt ist festzustellen, dass Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit aufgreifen, während Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot enthält.

Nach dieser Bestimmung ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des über diesen Zeitraum hinausgehenden längeren Zeitraums der Arbeitsuche nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen zu gewähren.

Den Akten ist hierzu zu entnehmen, dass Frau Dano ihren Wohnsitz seit mehr als drei Monaten in Deutschland hat, nicht auf Arbeitsuche ist und nicht in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats eingereist ist, um dort zu arbeiten, so dass sie nicht in den persönlichen Geltungsbereich des Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 fällt.

Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 der Versagung von Sozialleistungen in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens entgegenstehen.

Nach Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats.

Daraus folgt, dass ein Unionsbürger eine Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats hinsichtlich des Zugangs zu Sozialleistungen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt.

Dabei beschränkt erstens Art. 6 der Richtlinie 2004/38 für Aufenthalte bis zu drei Monaten die für das Aufenthaltsrecht geltenden Bedingungen oder Formalitäten auf das Erfordernis des Besitzes eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses, und nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie besteht dieses Recht für Unionsbürger und ihre Familienangehörigen fort, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen (Urteil Ziolkowski und Szeja, C-424/10 und C-425/10, EU:C:2011:866, Rn. 39). Nach Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 ist der Aufnahmemitgliedstaat somit nicht verpflichtet, einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats oder seinen Familienangehörigen während des genannten Zeitraums einen Anspruch auf eine Sozialleistung einzuräumen.

Zweitens ist bei einem Aufenthalt von mehr als drei Monaten die Ausübung des Aufenthaltsrechts von den in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzungen abhängig, und nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie steht Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen dieses Recht nur zu, solange sie diese Voraussetzungen erfüllen. Wie sich insbesondere aus dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie ergibt, soll damit u. a. verhindert werden, dass diese Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats unangemessen in Anspruch nehmen (Urteil Ziolkowski und Szeja, EU:C:2011:866, Rn. 40).

Drittens geht aus Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 hervor, dass jeder Unionsbürger, der sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, das Recht hat, sich dort auf Dauer aufzuhalten, und dass dieses Recht nicht an die in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen geknüpft ist. Wie im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie ausgeführt wird, sollte das einmal erlangte Recht auf Daueraufenthalt, um ein wirksames Instrument für die Integration in die Gesellschaft dieses Staates darzustellen, keinen Bedingungen unterworfen werden (Urteil Ziolkowski und Szeja, EU:C:2011:866, Rn. 41).

Bei der Beurteilung, ob nicht erwerbstätige Unionsbürger in der Situation der Kläger des Ausgangsverfahrens, die sich länger als drei Monate, aber weniger als fünf Jahre im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben, hinsichtlich des Anspruchs auf Sozialleistungen eine Gleichbehandlung mit den Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats verlangen können, ist demnach zu prüfen, ob der Aufenthalt dieser Unionsbürger die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 erfüllt. Zu diesen Voraussetzungen gehört, dass der nicht erwerbstätige Unionsbürger für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt.

Ließe man zu, dass Personen, denen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht, unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer Sozialleistungen beanspruchen könnten, liefe dies dem in ihrem zehnten Erwägungsgrund genannten Ziel zuwider, eine unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats durch Unionsbürger, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, zu verhindern.

Überdies unterscheidet die Richtlinie 2004/38 hinsichtlich der Voraussetzung, über ausreichende Existenzmittel zu verfügen, zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Personen. Der erstgenannten Gruppe von Unionsbürgern, die sich im Aufnahmemitgliedstaat befinden, steht nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 das Aufenthaltsrecht zu, ohne dass sie weitere Voraussetzungen erfüllen muss. Dagegen wird in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie von nicht erwerbstätigen Personen verlangt, dass sie über ausreichende eigene Existenzmittel verfügen.

Somit ist festzustellen, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 nicht erwerbstätige Unionsbürger daran hindern soll, das System der sozialen Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts in Anspruch zu nehmen.

Wie der Generalanwalt in den Nrn. 93 und 96 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist das eventuelle Vorliegen einer Ungleichbehandlung von Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt Gebrauch gemacht haben, und Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedstaats bei der Gewährung von Sozialleistungen eine unvermeidliche Folge der Richtlinie 2004/38. Eine solche potenzielle Ungleichbehandlung beruht nämlich auf dem Verhältnis, das der Unionsgesetzgeber in Art. 7 dieser Richtlinie zwischen dem Erfordernis ausreichender Existenzmittel als Voraussetzung für den Aufenthalt und dem Bestreben, keine Belastung für die Sozialhilfesysteme der Mitgliedstaaten herbeizuführen, geschaffen hat.

Ein Mitgliedstaat muss daher gemäß Art. 7 der Richtlinie 2004/38 die Möglichkeit haben, nicht erwerbstätigen Unionsbürgern, die von ihrer Freizügigkeit allein mit dem Ziel Gebrauch machen, in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaats zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel für die Beanspruchung eines Aufenthaltsrechts verfügen, Sozialleistungen zu versagen.

Würde einem betroffenen Mitgliedstaat diese Möglichkeit genommen, hätte dies, wie der Generalanwalt in Nr. 106 seiner Schlussanträge festgestellt hat, zur Folge, dass Personen, die bei ihrer Ankunft im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen, um für ihren Lebensunterhalt aufzukommen, automatisch in den Genuss solcher Mittel kämen, und zwar durch die Gewährung einer besonderen beitragsunabhängigen Geldleistung, deren Ziel darin besteht, den Lebensunterhalt des Empfängers zu sichern.

Folglich ist bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 in Anspruch nehmen zu können, eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen.

Im Ausgangsverfahren verfügen die Kläger nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts nicht über ausreichende Existenzmittel und können mithin kein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat nach der Richtlinie 2004/38 geltend machen. Wie oben in Rn. 69 des vorliegenden Urteils ausgeführt, können sie sich daher nicht auf das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie berufen.

Demnach steht Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit ihrem Art. 7 Abs. 1 Buchst. b einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegen, wenn diese die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, denen im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht, vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 ausschließt.

Das Gleiche gilt in Bezug auf die Auslegung des Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen, bei denen es sich um "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 dieser Verordnung handelt, werden nämlich nach Art. 70 Abs. 4 ausschließlich in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt. Daher spricht nichts dagegen, die Gewährung solcher Leistungen an nicht erwerbstätige Unionsbürger von dem Erfordernis abhängig zu machen, dass sie die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 für ein Recht auf Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil Brey, EU:C:2013:965, Rn. 44).

Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 in Verbindung mit ihrem Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und Art. 4 der Verordnung Nr. 883/2004 dahin auszulegen sind, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Bezug bestimmter "besonderer beitragsunabhängiger Geldleistungen" im Sinne des Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 ausgeschlossen werden, während Staatsangehörige des Aufnahmemitgliedstaats, die sich in der gleichen Situation befinden, diese Leistungen erhalten, sofern den betreffenden Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten im Aufnahmemitgliedstaat kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht. [...]