VG Stade

Merkliste
Zitieren als:
VG Stade, Beschluss vom 11.11.2014 - 1 B 1933/14 - asyl.net: M22483
https://www.asyl.net/rsdb/M22483
Leitsatz:

Die Fiktion der wirksamen Zustellung greift dann nicht ein, wenn der Asylbewerber sich unter der maßgeblichen Anschrift aufhält, eine Zustellung entsprechend den Bestimmungen des Verwaltungszustellungsgesetzes jedoch infolge eines Umstandes unterbleibt, der in der Sphäre der damit befassten Stelle, insbesondere der Post liegt. Die in § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylVfG geregelte Fiktion soll lediglich in die Sphäre des Asylbewerbers liegende Zustellungshindernisse überbrücken.

Schlagwörter: Zustellungsfiktion, wirksame Zustellung, Anschrift, Zustellung, Post,
Normen: AsylVfG § 10 Abs. 2 S. 1, AsylVfG § 10, AsylVfG § 10 Abs. 2 S. 4,
Auszüge:

[...]

Eine Zustellung kann damit nur im Wege der Zustellungsfiktion als bewirkt gelten. § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG sieht vor, dass der Ausländer Zustellungen und formlose Mitteilungen unter der letzten Anschrift, die der jeweiligen Stelle auf Grund seines Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen muss, wenn er für das Verfahren weder einen Bevollmächtigten bestellt noch einen Empfangsberechtigten benannt hat oder diesen nicht zugestellt werden kann. § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylVfG regelt, dass die Zustellung mit der Aufgabe zur Post als bewirkt gilt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt, wenn die Sendung dem Ausländer nicht zugestellt werden kann. Diese Regelung greift hier voraussichtlich nicht.

Zwar ist die Sendung als unzustellbar zurückgekommen. Es spricht aber vieles dafür, dass die Fiktion der wirksamen Zustellung nach Sinn und Zweck der Regelung nicht uneingeschränkt gelten soll und sie dann nicht eingreift, wenn der Asylbewerber sich unter der maßgeblichen Anschrift aufhält, eine Zustellung entsprechend den Bestimmungen des Verwaltungszustellungsgesetzes jedoch infolge eines Umstands unterbleibt, der in der Sphäre der damit befassten Stelle, insbesondere der Post, liegt (VGH BW, Beschl. v. 15. November 1995 - A 14 S 2542/95 -, juris). Denn die in § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylVfG geregelte Fiktion soll lediglich in der Sphäre des Asylbewerbers liegende Zustellungshindernisse überbrücken. Ein in die Sphäre der Post fallender Zustellungsfehler kann insbesondere dann gegeben sein, wenn keine Anzeichen dafür vorliegen, dass der Bescheid dem Antragsteller unter der bezeichneten Anschrift nicht hätte zugestellt werden können (vgl. VGH BW a.a.O.). So liegt es hier.

Aus den vorliegenden Unterlagen ergeben sich keine Anzeichen dafür, dass der Bescheid dem Antragsteller unter der bezeichneten Anschrift nicht hätte zugestellt werden können. Der Antragsteller hat eine Bescheinigung vom 5. November 2014 des Leiters des Heims, dem er zugewiesen ist, vorgelegt, wonach der Antragsteller sich seit dem 11. März 2014 ständig im Wohnheim aufgehalten habe. Die ehrenamtliche Helferin hat mit Schreiben vom 7. November 2014 schriftlich bestätigt, dass sie den Antragsteller seit Ende März dort regelmäßig antreffe. Für die in dem Aktenvermerk niedergelegte Vermutung des Bundesamtes, dass der Zustellungsfehler in die Sphäre des Antragstellers falle, weil dieser etwa seinen Namen nicht auf dem Briefkasten angebracht habe, gibt es nach Aktenlage keine Anhaltspunkte. Der Heimleiter hat in seiner schriftlichen Mitteilung vom 5. November 2014 erläutert, dass die Post der Heimbewohner von ihm bzw. dem jeweiligen Diensthabenden entgegengenommen werde. Anschließend würden die betreffenden Personen informiert. [...]