VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 25.08.2014 - 4 K 900/14.A - asyl.net: M22548
https://www.asyl.net/rsdb/M22548
Leitsatz:

Flüchtlingsschutz für den Referenten eines oppositionellen Abgeordneten, der möglicherweise mit Hilfe der Polizei entführt wurde.

Schlagwörter: Bangladesch, BNP, Jubodal, Parlament, Parlamentsabgeordneter, Abgeordneter, Bangladesh Nationalist Party, Mohammad Ilias Ali, Entführung, Polizei,
Normen: AsylVfG § 3, AufenthG § 60 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

In Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe sowie unter verständiger Würdigung des Vorbringens des Klägers sowohl im Verwaltungsverfahren als auch bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung zeigt sich hier, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Bangladesch asylrechtlich relevante Verfolgung in der oben dargestellten Bedeutung droht.

Der Kläger hat dem Gericht durch seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung glaubhaft machen können, dass seine bisherigen Angaben über sein Verfolgungsschicksal in Bangladesch zutreffen. So hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Kläger in seinem Heimatland als Öffentlichkeitsreferent des Jubodals der BNP für den Abgeordneten Mohammad Ilias Ali und in enger Abstimmung mit ihm für den 25. April 2012 eine große öffentliche Veranstaltung organisiert hat. Im Zuge der Vorbereitungen wurde er vor der Wohnung des Abgeordneten in Banani, Dhaka, Zeuge der Entführung des Abgeordneten und dessen Fahrers, an der nach den glaubhaften Angaben des Klägers auch uniformierte Polizisten beteiligt gewesen sind. Das Gericht hat ebenfalls keinen Zweifel daran, dass der Kläger von Polizei und AL-Anhängern deswegen gesucht worden ist und nur durch seine Flucht gravierenden Verfolgungsmaßnahmen entgangen ist. Zweifel an den diesbezüglichen Angaben des Klägers bestehen insbesondere deswegen nicht, weil sich seine Schilderungen in der mündlichen Verhandlung in allen wesentlichen Teilen mit seinen Angaben vor dem Bundesamt bei seiner Anhörung am 22. November 2013 decken. Soweit unklare oder ungenaue Aussagen auffallen, konnte der Kläger diese in der mündlichen Verhandlung überzeugend präzisieren. Hierbei sprach für die Glaubwürdigkeit des Klägers auch, dass er seine politischen Aktivitäten für die BNP detailliert, aber nicht übertrieben dargestellt hat und seine Reaktion auf die beobachtete Entführung lebensnah und detailreich darlegen konnte. Der Kläger hat das Gericht auch davon überzeugen können, dass für ihn keine Möglichkeit bestand, bei staatlichen Stellen um Schutz nachzusuchen, da er Zeuge geworden ist, dass uniformierte Polizisten zumindest Zeugen, wenn nicht sogar Beteiligte der Entführung des Abgeordneten und seines Fahrers waren. Darüber hinaus hat der Kläger nachvollziehbar erläutert, dass er wegen seiner intensiven politischen Aktivitäten auch in anderen Landesteilen nicht unauffällig hätte leben können. Folglich musste der Kläger jederzeit damit rechnen, asylrelevanter politischer Verfolgung durch staatliche Stellen bzw. nichtstaatliche Akteure ausgesetzt zu sein, gegen die der bangladeschische Staat nicht bereit und in der Lage ist, ausreichend Schutz zu gewähren. Es liegt damit eine Verfolgung im Sinne von § 60 Abs 1 AufenthG vor.

War der Kläger aber bereits vor seiner Ausreise von asylrelevanter Verfolgung unmittelbar betroffen bzw. bedroht, stellt dies einen ernsthaften Hinweis darauf dar, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden und spricht eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Bangladesch erneut in das Visier staatlicher bzw. nichtstaatlicher Akteure geraten wird und mit asylrelevanter Verfolgung rechnen muss.

Sonstige Gründe, die einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. [...]