AG Hannover

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Zitieren als:
AG Hannover, Beschluss vom 19.01.2015 - 44 XIV 64/14 - asyl.net: M22591
https://www.asyl.net/rsdb/M22591
Leitsatz:

Abschiebungshaft, die sich auf die Fallvarianten des § 62 Abs. 3 Nr. 1 (illegale Einreise) und Nr. 5 (Fluchtgefahr) AufenthG beziehen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage für die Definition des Begriffs der Fluchtgefahr. Nach Art. 15 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) ist nach dem Wortlaut zur Durchführung einer Abschiebung erforderlich, dass eine "Fluchtgefahr" bestehen muss, welche nach Art. 3 Nr. 7 Rückführungsrichtlinie -auch- nach objektiven gesetztlich festgelegten Kriterien zu bestimmen ist. Eine solche gesetztliche Grundlage ist nicht erkennbar.

Schlagwörter: Sicherungshaft, Abschiebung, Fluchtgefahr, Dublinverfahren, Zurückschiebungshaft, Abschiebungshaft, Entziehungsabsicht,
Normen: VO 604/2013 Art. 28 Abs. 2, AufenthG § 62 Abs. 3 Nr. 1, AufenthG § 62, AufenthG § 62 Abs. 3 Nr. 5, RL 2008/115/EG Art. 15 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 21.11.2014 ( Az. 44 XIV 64/14) ist, da form- und fristgerecht eingelegt, zulässig. Die einstweilige Haftanordnung ist zwar durch den weiteren Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 05.12.2014 ( Az. 44 XIV 66/14) gegenstandslos geworden und somit erledigt; der Betroffene kann jedoch den bereits in der Beschwerdeschrift enthaltenen, gemäß § 62 FamFG statthaften Feststellungsantrag weiter verfolgen. Die auf Feststellung der Rechtsverletzung gerichtete Beschwerde ist auch begründet.

Durch die einstweilige Anordnung von Sicherungshaft gemäß § 62 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 und 5 AufenthG ist der Betroffene in seinen Rechten verletzt worden.

Der Verfahrensbevollmächtigte trägt begründet vor, dass die Definition der hier maßgeblichen "Fluchtgefahr" gemäß Artikel 15 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2008 wortlautidentisch ist mit der Definition in Art 28 Abs. 2 Dublin III-VO, mithin eine gleiche Rechtsanwendung und Rechtsauslegung geboten ist. Für die Fälle der Dublin-Verordnung hat der BGH mit seinen Entscheidungen vom 26.6.2014 und 22.10.2014 ( BGH Beschlüsse V ZB 31/14 und 124/14) für die Fallvarianten des § 62 Abs. 3 Nr. 1 (illegale Einreise) und Nr. 5 ( Fluchtgefahr) festgestellt, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für die Definition des Begriffs der Fluchtgefahr fehlt. Nach Artikel 15 Abs. 1 der vorliegend maßgeblichen Rückführungsrichtlinie ist nach dem Wortlaut zur Durchführung einer Abschiebung ebenfalls erforderlich, dass eine "Fluchtgefahr" bestehen muss, welche nach Art. 3 Nr. 7 der Richtlinie - auch - nach objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien zu bestimmen ist. Eine solche gesetzliche Grundlage ist - gegenwärtig - für das entscheidende Gericht nicht erkennbar. [...]