EuGH

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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 25.07.2002 - C-459/99 - Mouvement contre le racisme, l'antisémi - asyl.net: M2261
https://www.asyl.net/rsdb/M2261
Leitsatz:

Ein EU-Mitgliedstaat darf einen Drittstaatsangehörigen, der keinen gültigen Reisepass oder Personalausweis besitzt oder über kein Visum verfügt, nicht an der Grenze zurückweisen, wenn er mit einem EU-Bürger verheiratet ist und sowohl seine Identität als auch seine Ehe nachweisen kann und keine Anhaltspunkte für eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegen; ein Mitgliedstaat darf einem Drittstaatsangehörigen, der mit einem EU-Bürger verheiratet ist und seine Identität nachweisen kann, nicht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verweigern und Maßnahmen zu seiner Entfernung treffen, nur weil er illegal eingereist ist oder sein Visum abgelaufen ist.(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: D (A), Einreise, unerlaubte Einreise, Ehegatte, Ehegattennachzug, Unionsbürger, Grenzkontrollen, Visum, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerung, Visum nach Einreise
Normen: RL 68/360/EWG Art. 3; RL 73/148/EWG Art. 3; RL 68/360 Art. 10; RL 73/148 Art. 6; RL 68/360 Art. 3; RL 68/360 Art. 4 Abs. 3; RL 64/221 Art. 1 Abs. 2; RL 64/221 Art. 9 Abs. 2
Auszüge:

1. Artikel 3 der Richtlinie 68/360/EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft, Artikel 3 der Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs sowie die Verordnung (EG) Nr. 2317/95 des Rates vom 25. September 1995 zur Bestimmung der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein müssen, sind im Licht des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat einen mit einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats verheirateten Staatsangehörigen eines Drittstaats, der versucht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, ohne über einen gültigen Personalausweis oder Reisepass oder gegebenenfalls ein Visum zu verfügen, nicht an der Grenze zurückweisen darf, wenn der Betroffene seine Identität und die Ehe nachweisen kann und wenn es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass er eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie 68/360 und Artikel 8 der Richtlinie 73/148 darstellt.

2. Artikel 4 der Richtlinie 68/360 und Artikel 6 der Richtlinie 73/148 sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat nicht gestatten, dem Staatsangehörigen eines Drittstaats, der seine Identität und die Tatsache, dass er mit einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats verheiratet ist, nachweisen kann, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu verweigern und ihm gegenüber eine Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet zu ergreifen, nur weil er illegal in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eingereist ist.

3. Die Artikel 3 und 4 Absatz 3 der Richtlinie 68/360, die Artikel 3 und 6 der Richtlinie 73/148 und Artikel 3 Absatz 3 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, sind dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat einem mit einem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats verheirateten Staatsangehörigen eines Drittstaats, der legal in sein Hoheitsgebiet eingereist ist, weder die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis verweigern noch ihm gegenüber eine Maßnahme zur Entfernung aus dem Hoheitsgebiet ergreifen darf, nur weil sein Visum vor Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis abgelaufen ist.

4. Die Artikel 1 Absatz 2 und 9 Absatz 2 der Richtlinie 64/221 sind dahin auszulegen, dass ein ausländischer Ehegatte eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats berechtigt ist, der zuständigen Stelle im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 eine Entscheidung über die Verweigerung einer ersten Aufenthaltserlaubnis oder eine Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet vor Erteilung einer solchen Erlaubnis zur Prüfung vorzulegen, auch wenn er nicht über einen Ausweis verfügt oder, obwohl er der Visumpflicht unterliegt, ohne Visum in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats eingereist oder nach Ablauf seines Visums dort verblieben ist.