Begibt sich ein Asylsuchender, der sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags nach § 27a AsylVfG wendet, freiwillig dauerhaft in einen anderen Mitgliedstaat der EU und stellt er dort einen weiteren Asylantrag, fehlt ihm das Rechtsschutzbedürfnis für ein gerichtliches Verfahren, das auf die Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland gerichtet ist.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Ein beachtliches Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Rechtsstreits ist nicht erkennbar. Der Kläger hat freiwillig die Bundesrepublik Deutschland verlassen und ist in den Schutzbereich eines anderen Mitgliedstaates der EU, nämlich Schweden, eingereist, wo er einen erneuten Asylantrag gestellt hat. Er hat demnach das Bundesgebiet nicht lediglich verlassen, um sich vorübergehend zu einem außerhalb seines Asylverfahrens liegenden Zweck im Ausland aufzuhalten, sondern er ist ausgereist, um in dem anderen Land, in dem er vor der behaupteten Verfolgung sicher ist, einen flüchtlingsrechtlichen Schutz zu erlangen (insoweit anders als in BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44/87 - BVerwGE 81, 164). Damit hat sich der Kläger aber bewusst des materiellen, im Geltungsbereich des Art 16a GG und des § 60 AufenthG gewährten Schutzanspruchs begeben, der allein die Grundlage seines prozessualen Begehrens darstellen kann. Das Asylgrundrecht gewährleistet territoriales Asyl auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland; grundsätzlich ermöglicht nur die räumliche Beziehung des Flüchtlings zum Bundesgebiet rechtlich und tatsächlich den Schutz der deutschen Staatsgewalt vor dem Zugriff des Verfolgerstaats (BayVGH, Beschluss vom 17. August 1996 - 11 AA 96.33333 - juris; VG Darmstadt, Urteil vom 23. Mai 2003 - 5 E 30210 - juris; Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage, AsylVfG § 27, Rdn. 23; GK-AsylVfG, Stand Oktober 2006, § 27 Rn 98 ff). Diese räumliche Beziehung hat der Kläger aus eigenem freiwilligen Entschluss aufgegeben.
Es ist auch nach der Stellungnahme des Klägers zur Frage seines Rechtsschutzbedürfnisses nicht erkennbar, dass er sich nur vorübergehend in den Schutzbereich des schwedischen Staates begeben hat. Ausdrücklich führt er aus, dass er dort einen Asylantrag gestellt hat, um ein Aufenthaltsrecht zu erhalten und der in Deutschland drohenden Abschiebung nach Italien zu entgehen. Er hat sich nunmehr bewusst für den asylrechtlichen Schutz eines anderen Staates entschieden.
Die erkennbare Motivation des Klägers, einen für ihn günstigen Ausgang des hier geführten Verfahrens abzuwarten und davon die Entscheidung über eine Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland abhängig zu machen, vermag auch vor dem Hintergrund des gemeinschaftsrechtlich gewährten Flüchtlingsschutzes nicht das hier zu fordernde Rechtsschutzinteresse zu begründen. Die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 stellt hierzu in Absatz 7 der Erwägungen klar, dass die Angleichung der Rechtsvorschriften über die Anerkennung und den Inhalt der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes dazu beitragen sollte, die Sekundärmigration von Asylbewerbern zwischen Mitgliedstaaten, soweit sie ausschließlich auf unterschiedlichen Rechtsvorschriften beruht, einzudämmen. Ist es aber das Ziel der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen, ein einheitliches System der Flüchtlingsanerkennung zu schaffen, schützen sie nicht ein Verhalten, das auf die Gewinnung parallel bestehender Aufenthaltsrechte in mehreren Mitgliedstaaten zielt.
Selbst wenn ein weiterbestehendes Rechtsschutzbedürfnis anzunehmen wäre, so müsste die Klage ungeachtet der im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Zulassungsgründe abgewiesen werden, da eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Gewährung von Flüchtlingsschutz ausgeschlossen ist, wenn der Asylbewerber nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland und nach seiner Asylantragstellung in einem anderen Staat, wie hier in Schweden, Sicherheit vor Verfolgung erlangt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 - 9 C 44/87 - BVerwGE 81, 164). [...]