VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 12.12.2014 - 2 K 1477/13.A (= ASYLMAGAZIN 4/2015, S. 117 ff.) - asyl.net: M22627
https://www.asyl.net/rsdb/M22627
Leitsatz:

Homosexuelle, deren Veranlagung öffentlich bekannt wird, müssen in Nigeria mit Bestrafung rechnen. Nach einer Verschärfung der Gesetzeslage ist nun auch das Zusammenleben homosexueller Paare unter Strafe gestellt. Auch Personen, die davon erfahren, dass Homosexuelle zusammenleben und dies nicht den Behörden mitteilen, müssen künftig mit einer bis zu fünfjährigen Haftstrafe rechnen.

Schlagwörter: Nigeria, homosexuell, soziale Gruppe, Strafbarkeit, Flüchtlingsanerkennung, Homosexualität, Änderung der Sachlage,
Normen: AsylVfG § 3, AsylVfG § 3 Abs. 1, AsylVfG § 3b Abs. 1 Nr. 4, AufenthG § 60 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Das Gericht ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung zunächst davon überzeugt, dass der Kläger homosexuell ist und deshalb zu einer sozialen Gruppe i.S. von § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG gehört. Auf Grund des in der mündlichen Verhandlung gewonnen persönlichen Eindrucks von dem Kläger und seines Lebensgefährten - dem Zeugen ... - ist das Gericht von deren Homosexualität überzeugt. Der Kläger und auch der Zeuge haben insoweit übereinstimmend und überzeugend ihre homosexuelle Beziehung geschildert und die Fragen des Gerichts etwa zu ihrer Schulzeit, Pubertät, Erkennen der Homosexualität und ihrem "Coming-out" (vgl. dazu auch die von dem UNHCR für bedeutsam gehaltenen Anhaltspunkte: Guidelines on international protection No. 9, Rz. 62, 63) nachvollziehbar und plausibel beantwortet. Beide haben insoweit glaubhaft dargelegt, dass sie schon während ihrer Schulzeit auf der Sekundärschule sehr eng miteinander befreundet gewesen seien und sich für Mädchen nicht interessiert hätten. Ihnen sei allerdings zu diesem Zeitpunkt ihre homosexuelle Neigung noch gar nicht bewusst gewesen, da sie auch von ihren Eltern dazu angehalten worden seien, keine Beziehung zu einem Mädchen einzugehen. Erst im frühen Erwachsenenalter und zwar während ihrer gemeinsamen Ausbildung seien sie sich ihren Gefühlen für einander bewusst geworden und hätten ihre Liebesbeziehung begonnen. Beide konnten dem Gericht gegenüber auch überzeugend darlegen, dass sie erstmals während ihrer Ausbildung an einem Abend in ihrem gemeinsamen Zimmer über Gefühle füreinander gesprochen und sich auch körperlich angenähert bzw. sexuelle Handlungen ausgetauscht hätten. Beide haben ferner übereinstimmend dargelegt, dass sie ihren Familien nach Beendigung ihrer Ausbildung ihre Homosexualität verbunden mit dem Entschluss, gemeinsam ein Geschäft zu eröffnen und eine gemeinsame Wohnung zu beziehen, offenbart hätten. In beiden Familien seien die Väter über diese Nachricht sehr aufgebracht gewesen, wobei der Kläger von seinem Vater auch aus dem Haus verwiesen worden sei und nur durch das Einwirken der Mutter und deren Hinweis auf das jugendliche Alter wieder hätte beruhigt werden können. Der Kläger und der Zeuge haben ferner überzeugend dargelegt, dass sie in der Folgezeit dennoch in Nigeria gemeinsam eine Wohnung - auch nach ihrem erneuten Umzug in Jahr 2010 - bewohnt und ihre homosexuelle Beziehung fortgeführt hätten, die von der Öffentlichkeit/Nachbarschaft jedoch bemerkt worden sei. Ihre Beziehung bestehe auch noch nach ihrer Ausreise in Deutschland weiterhin fort. Ein Zusammenleben in Deutschland ist zwar derzeit auf Grund der räumlichen Trennung nicht möglich, aber neben telefonischen Kontakten besuche der Zeuge den Kläger einmal im Monat, wobei sie sich dann bei einem Freund in N. aufhalten könnten. Soweit der Kläger und der Zeuge auf Nachfrage des Gerichts übereinstimmend ausgeführt haben, dass sie weder in Nigeria noch in Deutschland Kontakte zu anderen homosexuellen Männern bzw. zur homosexuellen Szene gehabt hätten, begründet dies keine Zweifel an der gewonnen Überzeugung des Gerichts. Vielmehr hat das Gericht den Eindruck gewonnen, dass zwischen dem Kläger und dem Zeugen eine enge und innige Beziehung besteht. So hat insbesondere Kläger auf Nachfrage ausgeführt, dass er in Deutschland einmal einen Mann kennengelernt habe, der ihn zu einem "Gay Club" mitgenommen habe, er diesem aber direkt gesagt haben, dass er kein Interesse an einer anderen Beziehung habe.

Homosexuelle bilden ferner in Nigeria eine soziale Gruppe i.S. des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift gilt eine Gruppe insbesondere dann als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder angeborene Merkmale oder einen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemeinsam haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird; als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet. Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter. Diese gesetzlichen Vorgaben entsprechen auch dem europäischen Recht, wie es Niederschlag in Art. 10 Abs. 1 lit. d der Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU (zuvor auch in Qualifikationsrichtlinie a.F. - 2004-) gefunden hat.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 7. November 2013 in den verbundenen Rechtssachen C-199/12 bis C-201/12; dazu auch Nora Markard, EuGH zur sexuellen Orientierung als Fluchtgrund, Asylmagazin 2013, S. 402 ff.; ferner Hruschka/Löhr, Das Konventionsmerkmal "Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" und seine Anwendung in Deutschland, NVwZ 2009, 206) ist Art. 10 Abs. 1 lit. d der Qualifikationsrichtlinie a.F. (RL 2004/83/EG) dahin auszulegen, dass das Bestehen strafrechtlicher Bestimmungen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung erlaubt, dass diese Personen als eine bestimmte soziale Gruppe anzusehen sind. Zwar stelle allein der Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher noch keine Verfolgungshandlung i.S.d. Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 lit. c der Qualifikationsrichtlinie a.F. (vgl. auch § 3a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG) dar. Seien hingegen homosexuelle Handlungen mit Freiheitsstrafen bedroht und werden sie im Herkunftsland, das eine entsprechende strafrechtliche Regelung erlassen hat, auch tatsächlich verhängt, so ist dies als unverhältnismäßige diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt somit eine Verfolgungshandlung dar. Nicht beanstandet hat der EuGH die Regelung, dass vom Geltungsbereich der Richtlinie die homosexuellen Handlungen ausgeschlossen sind, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedsstaaten strafbar sind. Andererseits können bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die zuständigen Behörden nicht erwarten, dass der Schutzsuchende seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

Ausgehend davon, dass die Homosexualität als eine für die Identität einer Person so bedeutsames Merkmal darstellt, dass sie nicht zu einem Verzicht darauf gezwungen werden sollte, erlaubt ferner das Bestehen strafrechtlicher Bestimmung in Nigeria, die spezifisch Homosexuelle betreffen, die Feststellung, dass diese Personen eine deutlich abgegrenzte Gruppe bilden, die von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Nach den vorliegenden Erkenntnissen, sind homosexuelle Handlungen jeglicher Art in Nigeria sowohl nach säkularem Recht (mit zeitiger Freiheitsstrafe - bei vollzogenem Verkehr mit einer Freiheitsstrafe bis zu 14 Jahren) als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Im Januar 2014 hat der Präsident Nigerias - Goodluck Jonathan - ein weiteres Gesetz mit dem Namen "Same Sex Marriage (Prohibition) Bill" unterzeichnet. Bis zu vierzehn Jahren Haft droht Homosexuellen, wenn sie einen (verbotenen) Ehevertrag oder eine (verbotene) zivilrechtlich eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaft eingehen. Personen, die an einer solchen Zeremonie teilnehmen oder sie unterstützen, drohen zehn Jahre Haft. Wer öffentlich die Liebesbeziehung zu einem Menschen gleichen Geschlechts "direkt oder indirekt zeigt", muss für bis zu zehn Jahre ins Gefängnis (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes (AA) vom 28. August 2013, 6 und 15; Bundesamt (BAMF), Briefing Notes vom 20. Januar 2014; Deutsche Welle vom 14. Januar 2014: "Nigeria führt hohe Haftstrafen für Homosexuelle ein"; BBC News vom 15. Januar 2015: "Nigeria: Islamic court tries gay suspects in Bauchi"; Human Rights Watch vom 16. Januar 2014: Nigeria: "Anti-LGBT Law Threatens Basic Rights").

Die jetzige Verschärfung der Strafgesetze war schon 2011 in einer ersten Version im Gesetzgebungsverfahren vom Senat gebilligt worden (vgl. hierzu Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH) vom 24. Oktober 2012, Nigeria: Homosexualität sowie amnesty international (ai), Auskünfte vom 9. und 15. November 2012, jeweils mit weiteren Nachweisen; AA, Auskunft an VGH BW vom 15. November 2012 sowie auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. März 2013 - A 9 1873/12 -, juris, insbesondere Rz. 93 ff.).

Im Mai 2013 wurde dieses Gesetz dann in der veränderten Fassung auch vom Repräsentantenhaus einstimmig verabschiedet, die jetzt vom Staatspräsidenten unterzeichnet wurde.

Hiervon ausgehend droht dem Kläger bereits von staatlicher Seite mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung in Form einer unverhältnismäßigen und diskriminierenden Strafverfolgung oder Bestrafung i.S. von § 3 a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG. Denn bereits das bloße Zusammenleben, das gemeinsame öffentliche Erscheinen als gleichgeschlechtliches Paar und die Zusammenarbeit mit seinem Partner - Umstände, die der Kläger und der Zeuge nach ihren glaubhaften Angaben bereits in Nigeria vor ihrer Ausreise praktiziert haben und dort nicht unbemerkt geblieben sind - stehen danach unter Strafe (vgl. Nr. 5 Abs. 2 der Same Sex Marriage (Prohibition) Bill, 2011). Insoweit ist ferner zu berücksichtigen, dass nach der oben genannten Entscheidung des EuGH nicht von dem Asylbewerber erwartet werden kann, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung ausübt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.

Auch wenn derzeit noch keine eingehenden Erkenntnisse über die Anwendung dieses Gesetzes in Nigeria vorliegen, so wurde doch seit den nigerianischen Presseberichten über das Inkrafttreten des Gesetzes bereits über Verhaftungen in den nördlichen Bundesstaaten und Bestrafungen durch ein Scharia-Gericht berichtet (vgl. BAMF, Briefing Notes vom 20. Januar 2014; Deutsche Welle vom 14. Januar 2014: "Nigeria führt hohe Haftstrafen für Homosexuelle ein"; BBC News vom 15. Januar 2015: "Nigeria: Islamic court tries gay suspects in Bauchi"; Human Rights Watch vom 16. Januar 2014: Nigeria: "Anti-LGBT Law Threatens Basic Rights"; Taz, vom 17. Januar 2014 "Hatz auf schwule Sündenböcke, Nigeria").

Bereits nach der bisherigen Erkenntnislage mussten Homosexuelle, deren Veranlagung öffentlich bemerkt wurde, in Nigeria damit rechnen, dass die Freiheitsstrafen im Einzelfall verhängt werden. Zwar versuchen Homosexuelle aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen und der weit verbreiteten Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen. Deshalb werden strafrechtliche Verfolgungen einvernehmlicher homosexueller Handlungen selten bekannt. Gleichwohl werden solche Strafen verhängt (vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 7. März 2013 - A 9 S 1873712 -, juris, Rz. 58 ff, 96 ff. m.w.Nw. zur Auskunftslage).

Hinzu kommt nunmehr, dass nach der Verschärfung der Gesetzeslage auch das Zusammenleben homosexueller Paare unter Strafe steht und Personen, die davon erfahren, dass Homosexuelle zusammenleben und dies nicht den Behörden mitteilen, künftig ebenfalls mit einer bis zu fünfjährigen Haftstrafe rechnen müssen. Es muss deshalb davon ausgegangen werden, dass das Zusammenleben homosexueller Paare den Behörden vermehrt angezeigt wird, um nicht selbst bestraft zu werden. Bei diesem gesetzlichen Rahmen und der bereits bisherigen gerichtlichen Praxis handelt es sich bei der Verfolgung einer homosexuellen Ausrichtung um eine unverhältnismäßige, diskriminierende Bestrafung im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylVfG. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger und der Zeuge übereinstimmend nicht von einer staatlichen Verfolgung vor ihrer Ausreise berichtet haben und diese auch nicht nach ihrer versuchten Anzeigenerstattung bei der Polizei im Jahr 2009 eingeleitet worden ist; denn die Gesetzesverschärfung ist erst im Jahr 2014 in Kraft getreten.

Das Gericht geht im Übrigen davon aus, dass dem Kläger in Nigeria wegen seiner Homosexualität eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure i.S. von § 3c Nr. 3 AsylVfG droht, ohne dass ihm von dem nigerianischen Staat ausreichend Schutz i.S. von § 3d AsylVfG geboten wird. Der Kläger war insoweit bereits vorverfolgt bzw. von einer Verfolgung unmittelbar bedroht i.S. von Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie RL 2011/95/EU. Das Gericht hat auf Grund der mündlichen Verhandlung die Überzeugung gewonnen, dass der Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen in Nigeria durch nichtstaatliche Akteure Verfolgungshandlungen i.S. von § 3a Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 AsylVfG erlitten hat. Der Kläger und der Zeuge haben insoweit glaubhaft dargelegt, dass sie erstmals am 00.00.2009 in der Mittagszeit in ihrem Geschäft in P1. von einer Gruppe von ca. 15 Jugendlichen überfallen worden sind, nachdem sie bereits ca. zwei Monate vorher von dem traditionellen Stammesführer/König der Ibo in P1. - dem dortigen "Eze" - einbestellt und aufgefordert worden waren, ihre Beziehung zu beenden. Der Kläger und der Zeuge wurden dabei aus dem Geschäft herausgeholt und geschlagen. Gleichzeitig wurde das Geschäft in Brand gesetzt und beide erlitten Brandverletzungen und konnten dann fliehen. Die später in V. aufgesuchte Polizei hat keine Anzeige bzw. Aussagen des Klägers und des Zeugen entgegen genommen, sondern ihnen geraten, die Beziehung zu beenden. Nachdem der Kläger und der Zeuge im 00.2010 ein neues Geschäft in P2. eröffnet haben, wurden sie erneut am 00.00.2011 nachmittags von einer ca. 30 Personen großen Gruppe in ihrem Geschäft aufgesucht, die laut trommelten, mit ihren Namen Lieder sangen und in ihrem Geschäft Gegenstände zerstörten. Sie bedrohten den Kläger und den Zeugen und setzten ihnen eine Frist von drei Tagen, um öffentlich die Aufgabe ihrer Beziehung zu bekennen, andernfalls würden sie getötet.

Trotz einiger Ungereimtheiten insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen des Zeugen, waren die Schilderungen des Klägers und des Zeugen im Wesentlichen in sich stimmig und im Einklang mit dem bisherigen Vorbringen. Soweit der Zeuge vor dem Bundesamt bzgl. des Vorfalls am 00.00.2011 von "Beauftragten der Stadtbezirks" gesprochen hat, die in ihr Geschäft gekommen seien, hat er schon im Klageverfahren und erneut in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass er bereits vor dem Bundesamt von Personen gesprochen habe, die von dem "Eze" geschickt worden seien. Er hat ferner glaubhaft dargelegt, dass er vermutet habe, dass diese Personen von dem "Eze" aus P2. geschickt worden seien, da sie ja bereits einmal von einem "Eze" gewarnt worden seien und ihnen zudem eine "offizielle" Frist für ein öffentliches Bekenntnis gesetzt worden sei. Auch im Übrigen ist das Vorbringen des Klägers und des Zeugen im Wesentlichen übereinstimmend etwa zu ihrer gemeinsamen Schul- und Ausbildungszeit, ihren Wohnorten und Wohnungen oder zu den Geldmitteln für die erste und die zweite Geschäftseröffnung.

Das Gericht geht danach davon aus, dass der Kläger zum Zeitpunkt seiner Ausreise auch unmittelbar von Verfolgung bedroht war. Entgegen der Auffassung des Bundesamtes kann bei dieser Beurteilung nicht das Ereignis aus dem Jahr 2009 wegen eines fehlenden nahen zeitlichen Zusammenhangs zur Ausreise als nicht flüchtlingsschutzrelevant angesehen werden. Denn bereits dieser Vorfall hatte seinen Grund in der Homosexualität des Klägers bzw. in der gleichgeschlechtlichen Beziehung zu dem Zeugen und wurde durch nichtstaatliche Akteure verübt. Es besteht insoweit ein innerer Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen und insoweit auch mit der Flucht des Klägers. Diese fand mit Blick auf die bzw. unter dem Druck der schon einmal im Jahr 2009 erlittenen und sich im Jahr 2011 wiederholenden Verfolgungshandlung und einer damit verbundenen Androhung weiterer Verfolgungshandlungen statt. Dem Kläger stand und steht auch kein ausreichender staatlicher Schutz zur Verfügung, da die Polizei nach seinen glaubhaften Angaben eine Anzeige gar nicht entgegen genommen hat, was für das Gericht auch angesichts der bereits damals bestehenden Gesetzeslage und der in der nigerianischen Gesellschaft weitverbreiteten Vorbehalte und Vorurteile nachvollziehbar ist. So sind nach der derzeitigen Erkenntnislage Homosexuelle nach wie vor Diskriminierung und Anfeindungen in der Gesellschaft ausgesetzt. Korruption ist in Nigeria bei der Polizei weit verbreitet, die im Übrigen durch niedrige Besoldung, schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet ist; Gelderpressungen an Straßensperrungen sind an der Tagesordnung. Die Polizeiführung versucht nur in geringem Maße gegenzusteuern (vgl. AA, Lagebericht Nigeria vom 28. August 2013, S. 17, 10; Auskunft an VGH Baden-Württemberg vom 15. November 2012; ai, Auskunft an VGH Baden-Württemberg vom 9. November 2012).

Diese Situation wird durch die oben bereits dargelegte Gesetzesänderung im Jahr 2014 noch einmal verschärft.

Vor diesem Hintergrund kann vermutet werden, dass sich die frühere Verfolgung bei einer Rückkehr des Klägers nach Nigeria wiederholen wird. Diese Vermutung wird auch nicht durch stichhaltige Gründe widerlegt, die einer tatrichterlichen Würdigung im Rahmen der freien Beweiswürdigung obliegt. Unter Auswertung der Erkenntnisquellen und unter Berücksichtigung des Vortrags des Klägers in der mündlichen Verhandlung liegen nach tatrichterlicher Würdigung keine stichhaltigen Gründe vor, die darauf schließen lassen, dass sich die frühere Verfolgung des Klägers bei einer Rückkehr nach Nigeria nicht mehr wiederholen würde. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass derzeit für den Kläger eine interne Schutzmöglichkeit i.S. von § 3e AsylVfG besteht. Nach der derzeitigen Erkenntnislage ist nicht ersichtlich, dass in größeren Städten oder urbanen Zentren Homosexualität eher toleriert wird. Dem steht zum einen die bereits oben ausgeführte Gesetzesänderung auch im Hinblick auf Personen, die von homosexuellen Beziehungen Kenntnisse haben, entgegen. Zum anderen lässt sich den Erkenntnisquellen entnehmen, dass hinsichtlich der Verfolgungsgefahr kein signifikanter Unterschied mehr zwischen größeren Städten und dem übrigen Land besteht, wenn eine Homosexualität bekannt wird (vgl. SFH vom 24. Oktober 2012, Nigeria: Homosexualität sowie ai, Auskünfte vom 9. und 15. November 2012, jeweils mit weiteren Nachweisen; AA, Auskunft an VGH BW vom 15. November 2012). [..]