VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 02.12.2014 - 10 K 777/14.A - asyl.net: M22630
https://www.asyl.net/rsdb/M22630
Leitsatz:

Koptischen Christen droht in Ägypten keine Gruppenverfolgung.

Schlagwörter: Ägypten, Christen, Kopten, koptische Christen, Gruppenverfolgung,
Normen: AsylVfG § 3, AufenthG § 60 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

a) Koptischen Christen droht in Ägypten keine Gruppenverfolgung.

Eine Gruppenverfolgung liegt vor, wenn entweder sichere Anhaltspunkte für ein an asylerhebliche Merkmale anknüpfendes staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder unmittelbar bevorsteht, oder wenn die Übergriffe, von denen Angehörige einer Gruppe in Anknüpfung an ein asylerhebliches Merkmal getroffen werden, so zahlreich sind, dass für jedes Gruppenmitglied begründete Furcht besteht, in eigener Person Opfer von Übergriffen zu werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237 (juris Rn. 13 zu § 3 AsylVfG), sowie vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 (juris Rn. 17 ff. zu Art. 16a Abs. 1 GG)).

Darauf, dass diese Voraussetzungen hinsichtlich der koptischen Christen in Ägypten vorliegen, hat sich der Kläger nicht berufen. Dem Gericht liegen auch keine Hinweise auf ein die koptischen Christen als Gruppe betreffendes staatliches Verfolgungsprogramm vor. Die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte wird ebenfalls nicht erreicht. Zwar haben Diskriminierungen und gewalttätige Übergriffe gegen koptische Christen seit dem Sturz der Regierung Mubarak zugenommen, insbesondere im ländlichen Oberägypten. Auch mangelt es seitens des Staats sowohl an der Bereitschaft, koptische Christen vor solchen Angriffen zu schützen, als auch an konsequenter Strafverfolgung der muslimischen Täter. Polizei, Armee und Behörden verhalten sich weitgehend passiv und schauen oft weg, wenn es zu Übergriffen auf Ägyptens größte religiöse Minderheit kommt (vgl. BAMF, Ägypten: Die koptisch-orthodoxe Kirche, September 2012, S. 16 f. und 24, sowie Ägypten: Situation der Kopten, Oktober 2011, S. 17).

Derartige Übergriffe haben sich, wie der Zeuge E. glaubhaft berichtet hat, auch 2013, insbesondere nach dem Sturz des Präsidenten Mursi Anfang Juli 2013 ereignet (vgl. Amnesty International, How Long are we Going to Live in this Injustice - Egypt's Christians Caught between Sectarian Attacks and State Inaction, Oktober 2013).

Jedoch wird angesichts der Anzahl der in Ägypten lebenden koptischen Christen die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte nicht erreicht. Der Anteil der Christen an der ägyptischen Gesamtbevölkerung beträgt zwischen 5 und 12 %, bei einer Gesamtbevölkerung von rund 80 Millionen entspricht dies zwischen vier und neuneinhalb Millionen Christen, von denen zwischen 90 und 95 % der koptisch-orthodoxen Kirche angehören (vgl. BAMF, Ägypten: Die koptisch-orthodoxe Kirche, September 2012, S. 1 f. -).

Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, dass Übergriffe auf koptische Christen so zahlreich sind, dass für jeden Angehörigen dieser Religionsgemeinschaft begründete Furcht besteht, in eigener Person Opfer von Übergriffen zu werden (vgl. VG Minden, Urteile vom 25. Juni 2012 - 10 K 11/11.A -, Abdruck S. 8 ff., und - 10 K 56/11.A -, Abdruck, S. 7 f.; den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen letztere Entscheidung hat das OVG NRW mit Beschluss vom 17. Juli 2014 - 11 A 1935/12.A - abgelehnt). [...]