VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 05.02.2015 - 13 L 3079/14.A - asyl.net: M22636
https://www.asyl.net/rsdb/M22636
Leitsatz:

Es bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass Dublin-Rückkehrern nach ihrer Ankunft in Malta grundsätzlich einem hohen Risiko längerfristiger Inhaftierung ohne hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten und der Gefahr ausgesetzt sind, entgegen dem Refoulement-Verbot in ihr Herkunftsland abgeschoben zu werden. Eine solche Behandlung von Asylbewerbern, mit der sie der Willkür der zuständigen Behörden ausgesetzt und letztlich zum reinen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt werden, dürfte die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta erforderliche Schwere aufweisen, ohne dass es hier darauf ankommt, ob auch die konkreten Haftbedingungen selbst weitere Leiden und Härten begründen, die über das mit einer Haft verbundene unvermeidbare Maß hinausgehen.

Schlagwörter: Zustellung, Zustellungsfiktion, Zustellungsversuch, Postzustellungsurkunde, subjektives Recht, Malta, systemische Mängel, Dublinverfahren, Aufnahmebedingungen, unmenschliche Behandlung, erniedrigende Behandlung, Inhaftierung, Selbsteintritt, Dublin-Rückkehrer,
Normen: VO 604/2013 Art. 17 Abs. 1, GR-Charta Art. 4, EMRK Art. 3, VO 604/2013 Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2, VO 604/2013 Art. 3 Abs. 2, RL 2013/33/EU Art. 8, RL 2013/33/EU Art. 9, RL 2013/33/EU Art. 10, RL 2013/33/EU Art. 11,
Auszüge:

[...]

2. Allerdings bedarf es vorliegend weiterer - dem Hauptsacheverfahren vorbehaltener - Aufklärung, ob die Antragsgegnerin deshalb an der Überstellung des Antragstellers nach Malta gehindert ist, weil das maltesische Asylsystem systemische Mängel im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufweist (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rz 83 ff., 99, EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413.)

Zwar besteht kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland. Denn die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung des Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 9 ff. Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin(vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - C-4/11 -, juris, Rz 37, Schlussanträge des Generalanwalts Jaaskinnen vom 18. April 2013 - C 4/11 -, juris, Rz. 57 f.).

Eine Rückführung von Asylbewerbern in einen anderen Mitgliedstaat im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens ist aber - unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO - dann unzulässig, wenn systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass Asylbewerber dort tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rz 94).

Die im Gemeinsamen Europäischen Asylsystem grundsätzlich bestehende Vermutung, dass jeder Mitgliedstaat ein sicherer Drittstaat ist und die Grundrechte von Asylbewerbern einschließlich des Refoulement-Verbots hinreichend achtet, ist nicht unwiderleglich. Vielmehr hat eine Überstellung in einen Mitgliedstaat zu unterbleiben, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Artikel 4 EU-GR-Charta implizieren (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rz 86).

Eine Widerlegung der Vermutung ist aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Das Gericht muss sich vielmehr die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, das heißt überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19 März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rz 6 m.w.N.).

Im Eilverfahren bedeutet dies, dass das erkennende Gericht bei der nur möglichen summarischen Prüfung anhand der tatsächlichen Erkenntnislage im Zeitpunkt seiner Entscheidung festzustellen hat, ob der aufnehmende Mitgliedstaat trotz möglicher Mängel in der Durchführung des Asylverfahrens seine Verpflichtungen jedenfalls soweit einhält, dass eine Rückführung zumutbar erscheint (vgl. VG Berlin, Beschlüsse vom 15. Januar 2015 - 23 L 899.14 A -, juris, Rz. 6 m.w.N. und vom 4. August 2014 - 34 L 78.14 A -, juris, Rz 9).

Systemische Mängel in diesem Sinne können erst dann angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Schwere nicht nur in einzelnen Fällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al -, juris, Rz 94).

Die Regelung in Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 Dublin III-VO hat diese Rechtsprechung normativ übernommen, indem sie die Überstellung an den an sich zuständigen Mitgliedstaat für unmöglich erklärt, wenn es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-GR-Charta mit sich bringen.

Bei der Bewertung der in Malta bestehenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind dabei diejenigen Umstände heranzuziehen, die auf die Situation des Antragstellers zutreffen. Abzustellen ist demnach auf die Situation von Flüchtlingen in einer vergleichbaren rechtlichen und tatsächlichen Lage, wohingegen die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen keine unmittelbare Rolle spielt. Sie kann allenfalls ergänzend herangezogen werden, sofern sich diese Umstände auch auf die Situation des Antragstellers auswirken (können) (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12 -, juris, Rz 130).

Damit ist vorliegend in erster Linie die Situation von Dublin-Rückkehrern zu betrachten, die wie der Antragsteller in Malta bereits einen ersten Asylantrag gestellt haben.

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage in dem zuständigen Mitgliedstaat sind nach der Rechtsprechung des EuGH im Übrigen die regelmäßigen und übereinstimmenden Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Berichte der Kommission zur Bewertung des Dublin-Systems und Berichte des UNHCR zur Lage von Flüchtlingen und Migranten vor Ort (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris, Rz. 90 ff.).

Auf der Grundlage der dem Gericht vorliegenden sowie sonstiger veröffentlichter und leicht zugänglicher Erkenntnisse ergeben sich bei der im vorläufigen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung erhebliche Anhaltspunkte für mit europäischem Recht nicht in Einklang stehende Aufnahmebedingungen in Malta, die weiterer - dem Hauptsacheverfahren vorbehaltener - Aufklärung bedürfen.

Dabei geht das Gericht bei der vorzunehmenden Bewertung der aktuellen Erkenntnismittel von den sich aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergebenden Maßstäben für eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta aus.

Sowohl Art. 3 EMRK als auch Art. 4 EU-GR-Charta verbieten eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Eine Behandlung ist "unmenschlich", wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. "Erniedrigend" ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, die geeignet sind, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. Es kann ausreichen, dass ein Opfer in seinen Augen erniedrigt ist, auch wenn andere das nicht so sehen. Ob Zweck der Behandlung war, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, ist zu berücksichtigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließt das die Feststellung einer Verletzung von Artikel 3 EMRK nicht zwingend aus (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413, Rz 220 m.w.N.).

Die Inhaftierung einer Person begründet als solche keine Verletzung des Art. 3 EMRK. Indes verpflichtet Art. 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind( vgl. EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, juris, Rz 221, und 15. Juli 2002 - 47095/99 -, Rz 95).

Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards. Haft darf danach nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, bei Fluchtgefahr im Falle notwendiger Beweissicherung, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Art. 8 Abs. 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Art. 8 Abs. 3 bestehen, angeordnet werden (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Art. 9 Abs. 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Art. 9 Abs. 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Art. 9 Abs. 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Art. 9 Abs. 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Art. 10 Abs. 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Art. 11 AufnahmeRL).

Gemessen hieran liegen nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass jedenfalls die Haftpraxis Maltas Asylbewerbern gegenüber nicht im Einklang mit internationalem und europäischem Recht steht (zu der zusätzlichen Annahme unzureichender Haftbedingungen vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - A 8 K 345/14 -, juris, Rz 11; VG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juli 2014 - 1 B 1217/14 -, juris, Rz 27 m.w.N.).

Zu der Inhaftierungspraxis Maltas lassen sich derzeit folgende - vorläufige - Feststellungen treffen:

Ausweislich verschiedener dem Gericht vorliegender Auskünfte werden in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, systematisch und routinemäßig inhaftiert. Rechtsgrundlage hierfür ist das Migrationsgesetz Maltas (Immigration Act, Chapter 217 of the Laws of Malta, im Folgenden: "Immigration Act"), das nicht zwischen Migranten und Flüchtlingen, die um internationalen Schutz nachsuchen, bzw. Asylbewerbern unterscheidet. Danach gelten alle irregulär Eingereisten ("prohibited immigrant" i.S.v. Art. 5 Immigration Act) als Personen ohne Einreise- bzw. Aufenthaltsbefugnis. Ihnen gegenüber ergeht auf der weiteren Grundlage der Verwaltungsvorschrift "Policy Documents 2005" eine Zugangsverweigerungs- oder Ausweisungsverfügung mit Haftanordnung von unbestimmter Dauer (vgl. Art. 14 Abs. 2 Immigration Act). Anders sieht es nur - bei einem kleinen Prozentsatz der Ausländer aus, die Asyl beantragen, bevor sie von der Ausländerbehörde wegen illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt festgenommen werden. Insoweit wird von einer Inhaftierung bis zum Vorliegen der Entscheidung über ihren Asylantrag abgesehen. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung trifft (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen ("Verletzliche") wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern kann. Dabei werden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne Weiteres erkennbar ist, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige, zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Das Migrationsgesetz enthält keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Falls über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden ist, erfolgt die Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkennt. Abschiebehaft ist ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt (vgl. zu alledem AIDA, Asylum Information Database, "National Country Report Malta" aus Mai 2014, S. 49 f., Gemeinsame Publikation des UNHCR und des Europäischen Parlaments "know the facts" vom 9. April 2014, S. 8, Global Detention Project "Immigration Detention in Malta" aus Januar 2014, S. 4 ff., UNHCR, "UNHCR's Position on the Detention of Asylum seekers in Malta" vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) Protection Interrupted, National Report Malta" aus Juni 2013 S. 5 ff.).

Zudem deuten die dem Gericht vorliegenden Auskünfte darauf hin, dass die bestehenden gesetzlichen und administrativen Regelungen Maltas keine effektiven und zügig durchgeführten Verfahren zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit und Angemessenheit der Inhaftierung bieten. So sieht das maltesische Recht keine automatische gerichtliche Überprüfung der Haft vor. Gemäß Art. 25A Immigration Act besteht lediglich die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Abschiebungsanordnung einzulegen. Eine solche ist binnen drei Tagen seit der Ausstellung der Abschiebungsanordnung bei der Beschwerdeinstanz, bestehend aus einem Anwalt, einer in Einwanderungsfragen versierten Person und einer dritten Person, einzulegen. In der Praxis gibt es keine Frist, innerhalb derer über die Beschwerde zu entscheiden ist. Entscheidungen dauern bis zu dreieinhalb Monaten und es wird nur in Ausnahmefällen die Haftanordnung aufgehoben. Daneben besteht gemäß Art. 409A des maltesischen Strafgesetzbuchs ("Criminal Code" von 1854, Chapter 9 of Laws of Malta) die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung vor dem Amtsgericht ("Court of Magistrates") anzufechten. Aber auch dieser Rechtsbehelf ist wenig effektiv, weil das Gericht regelmäßig davon ausgeht, dass die Inhaftierung des Flüchtlings auf der Grundlage des Immigration Act rechtmäßig und eine weitergehende Überprüfung hinsichtlich anderer Umstände (wie zum Beispiel die Grundrechte), die zur Rechtswidrigkeit der Inhaftierung führen könnten, nicht vom Prüfungsumfang erfasst sei. Schließlich kann die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung auch im Hinblick auf Art. 34 der maltesischen Verfassung angefochten werden. Allerdings wird die Inhaftierung in der Regel für erforderlich gehalten, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten. Gerichtsverfahren dieser Art dauern Monate, wenn nicht Jahre. Hinzu kommt, dass Asylsuchende von den bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten nicht hinreichend informiert sind und kein ausreichender Zugang zu Rechtsanwälten besteht (siehe hierzu AIDA, Asylum Information Database, "National Country Report Malta" aus Mai 2014, S. 55 ff.; Global Detenton Project "Immigration Detention in Malta" aus Januar 2014, S. 7; UNHCR, "UNHCR's Position on the Detention of Asylum seekers in Malta" vom 18. September 2013, Jesuits Refugee Service Europe (JRS) "Protection Interrupted, National Report Malta" aus Juni 2013, S. 5 f., vgl. EGMR, Urteil vom 9. Dezember 2013 - 55352/12 -, Rz. 108 m.w.N.).

Zu der speziellen - und vorliegend allein maßgeblichen - Situation von Dublin-Rückkehrern liegen dem Gericht lediglich folgende vorläufige Erkenntnisse vor:

Verlasse ein Asylsuchender Malta ohne eine entsprechende Genehmigung, gebe es Schwierigkeiten nach der Rücküberstellung Zugang zum Asylverfahren zu erhalten. Denn der in Malta gestellte Asylantrag gelte infolge der Ausreise als stillschweigend zurückgenommen. Zwar bestehe für Dublin-Rückkehrer die Möglichkeit, die Wiedereröffnung ihres Verfahrens zu beantragen (Folgeantrag). Während der - zum Teil mehrere Monate dauernden - Überprüfung des Folgeantrags durch die zuständige Flüchtlingskommission könnten die Antragsteller indes in ihren Heimatstaat abgeschoben werden. Hinzu komme, dass Asylbewerber, die auf irreguläre Weise Malta verlassen, Gefahr liefen, auf der Grundlage des Zuwanderungsgesetzes verhaftet und vor dem Strafgericht angeklagt zu werden. Während der Dauer des Strafverfahrens blieben die Asylbewerber in der Justizvollzugsanstalt inhaftiert (vgl. AIDA, Asylum Information Database, "National Country Report Malta" aus Mai 2014, S. 21 f.).

Dahingestellt bleiben kann, ob und inwieweit die strafrechtliche Inhaftierung aufgrund einer illegalen Ausreise aus Malta die Annahme von systemischen Mängeln des Asylverfahrens zu begründen vermag bzw. inwieweit Dublin-Rückkehrer stattdessen infolge der Versetzung in den Stand vor ihrer Ausreise wegen illegaler Einreise inhaftiert werden (vgl. insoweit VG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - A 8 K 345/14 -, juris, Rz. 11).

Jedenfalls bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Ankunft in Malta grundsätzlich einem hohen Risiko längerfristiger Inhaftierung ohne hinreichende Rechtsschutzmöglichkeiten und der Gefahr entgegen des Refoulement-Verbots in ihr Herkunftsland, ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag, abgeschoben zu werden, ausgesetzt sind. Vorbehaltlich der Bestätigung und Konkretisierung dieser Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren ist daher jedenfalls im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass eine solche Behandlung von Asylbewerbern, mit der sie der Willkür der zuständigen Behörden ausgesetzt werden und letztlich zum reinen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt werden, die für eine Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GR-Charta erforderliche Schwere aufweisen dürfte, so dass es jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht mehr darauf ankommt, ob auch die konkreten Haftbedingungen selbst inhaftierten Asylbewerbern weiteren Leiden und Härten unterwerfen, die das mit einer Haft unvermeidbare Maß übersteigen. [...]