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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 17.02.2015 - 5660370-150 - asyl.net: M22676
https://www.asyl.net/rsdb/M22676
Leitsatz:

Weder im Falle einer terminalen Niereninsuffizienz mit dauerhafter Angewiesenheit auf Dialyse noch im Falle einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit Retraumatisierungs- und Suizidgefahr kann im Kosovo eine adäquate Behandlung erfolgen, so dass im Hinblick auf beide Erkrankungen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.

Schlagwörter: Kosovo, Krankheit, Dialyse, Posttraumatische Belastungsstörung, medizinische Versorgung, Abschiebungsverbot, Abschiebungshindernis,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Ein Abschiebungsverbot liegt vor.

Zwar kommt das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegend nicht in Betracht. Es sind jedoch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben.

Von einer Abschiebung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn für den Ausländer eine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (BVerwG, U. v. 13.01.2013, 10 C 15.12, Rdnr. 37).

Solche Gefahren drohen den Antragstellern bei Rückkehr in ihr Herkunftsland.

Eine erhebliche konkrete Gefahr i. S. von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann vorliegen, wenn die im Zielstaat drohende Beeinträchtigung in der Verschlimmerung einer Krankheit besteht, unter der die Ausländer bereits in der Bundesrepublik Deutschland leiden. Die Gefahr, dass sich eine Erkrankung der Ausländer aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, ist in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen (vgl. BVerwG, B. v. 17.08.2011,10 B 13.11 u. a.).

Für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist es erforderlich, dass sich die vorhandene Erkrankung der Ausländer aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr der Ausländer droht (BVerwG, B. v. 17.08.2011, a.a.O.)

Die Gefahr ist "erheblich" i. S. von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verändern würde, und "konkret", wenn die Asylbewerber alsbald nach ihrer Rückkehr in den Abschiebestaat in diese Lage kämen, weil sie auf die dortigen unzureichenden Möglichkeiten der Behandlung ihres Leidens angewiesen wären und auch anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnten (BVerwG, Urteil vom 25.11.1997, 9 C 58.96, BVerwGE 105, 383).

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG werden in der Person beider Antragsteller erfüllt.

Für den Antragsteller zu 1 wurde vorgetragen und durch entsprechende umfangreiche ärztliche Unterlagen nachgewiesen, dass er an terminaler Niereninsuffizienz leidet und bis zum Erhalt einer Spenderniere auf dauernde Dialyse angewiesen ist.

Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2 wurde vorgetragen und nachgewiesen, dass sie an einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit akuter Gefahr für Leib und Leben bei einer Rückkehr in den Kosovo leide (Retraumatisierung). Es bestehe bei einer Rückführung in den Kosovo konkrete Suizidgefahr. Im Übrigen sei die Antragstellerin zu 2 auf Dauer nicht reisefähig.

Hinsichtlich beider Erkrankungen ist davon auszugehen, dass diese im Kosovo nicht adäquat behandelt werden, wobei nicht einmal sichergestellt ist, dass aufgrund der persönlichen Konstitution der Antragsteller diese in den Genuss der ggf. möglichen Behandlung gelangen.

Dies gilt sowohl für die Dialysebehandlung des Antragstellers zu 1 als auch für die Verhinderung einer Retraumatisierung und der daraus resultierenden konkreten Suizidgefahr bei der Antragstellerin zu 2.

In Anbetracht der Feststellung des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erübrigt sich die Prüfung des § 60 Abs. 5 AufenthG. Beide Anspruchsgrundlagen bilden einen einheitlichen Streitgegenstand (vgl. BVerwG, U. v. 08.09.2011, 10 C 14.10), die Rechtsfolgen sind gleichrangig und gleichartig, so dass auf Doppel-, Mehrfach- und Parallelprüfungen verzichtet werden kann. [...]