Kein Schutz nach § 16 AsylG bzw. § 51 Abs. 1 AuslG wegen unglaubwürdigen Vorbringens von subjektiven Nachfluchtgründen. (Leitsatz der Redaktion)
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass in seiner Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Die Angaben, die der Kläger bei der Stellung des Folgeantrags, vor dem Verwaltungsgericht und bei der Anhörung durch den Senat jeweils zu den politischen Kräften gemacht hat, mit denen er während seines Aufenthaltes in der Türkei von (...) zu tun gehabt haben will, sind sowohl miteinander als auch mit den Erkenntnissen aus den eingeführten Quellen nicht vereinbar. Bei der Stadt (...) am (...) gab er an, er habe an illegalen Parteiversammlungen der TKSP in Verbindung mit dem DHK in (...) teilgenommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat der Kläger bekundet, für die Sozialistische Partei Kurdistans und die Kulturvereine bzw. letzten Endes auch für die DBP als legale Plattform tätig gewesen zu sein. Bei der DBP handelt es sich aber um eine Partei, die erst im Jahre (...) - also weit nach Ausreise des Klägers - als Auffangbecken für die über keine Organisation in der Türkei mehr verfügende Sozialistische Partei gegründet worden ist und insoweit einer (...) gegründeten legalen Partei, für Demokratie und Veränderung (DDP) nachgefolgt ist, die im (...) verboten worden war (vgl. Gutachten des Helmut Oberdiek vom 28. Oktober 1998 an das OVG Hamburg, S. 12; Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Dezember 1998 an das OVG Hamburg).
Erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2002 hat der Kläger nunmehr angegeben, maßgeblich an einem (...) von der DEP veranstalteten Seminar teilgenommen und dort organisatorische und propagandistische Aufgaben übernommen zu haben. Die Demokrasi Partisi ("Partei der Demokratie") ist in politischer, organisatorischer und personeller Hinsicht aber Nachfolgepartei der Halkin Emek Partisi - HEP - ("Arbeitspartei des Volkes") gewesen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 7. Juni 1994 an das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen) und damit eine selbständige politische Kraft eigenen Gepräges. Eine Erklärung für die späte Erwähnung dieser Organisation anstelle der DBP ist vom Kläger, der sich als schon zu Zeiten seines Aufenthaltes in der Türkei politisch denkender Mensch dargestellt hat, nicht geliefert worden. Dies ist vor dem Hintergrund der in der Anhörung durch den Senat zutage getretenen Kenntnisse des Klägers speziell auch über die türkische Parteienlandschaft und die Strukturen namentlich der DEP um so unverständlicher. Das Forum, in dem der Kläger mit der Folge drohender politischer Verfolgung tätig gewesen sein will, gehört zum Kernbereich seines angeblichen Verfolgungsschicksals, so dass diesbezüglich besondere Sorgfältigkeit und Genauigkeit bei der Darstellung erwartet werden durfte.
Eine deutlich andere Akzentuierung hat im Laufe des Asylfolgeverfahrens auch der Vortrag des Klägers zu der Art seiner politischen Betätigung während des Zwischenaufenthaltes in der Türkei erfahren.
Über diesen Austausch wesentlicher Teile des Verfolgungsvortrags hinaus, beinhaltet die erstmalige Erwähnung des angeblichen Überfalls auf das Seminar mit der Festnahme vieler Personen auch eine - offenbar der Dramatisierung der Situation dienende - Steigerung im klägerischen /orbringen. Insgesamt vermag der Senat deshalb vor dem Hintergrund, dass es sich bei der DEP in den Jahren (...) noch nicht um eine in der Türkei verbotene Partei gehandelt hat, dem Kläger nicht abzunehmen, dass dieser sich in den wenigen Monaten, von (...) in der Türkei politisch bereits in einer Weise betätigt hat, die ihn individuell als potentiellen Separatisten einer fortgesetzten Suche durch die türkischen Sicherheitskräfte ausgesetzt hat.
Gestützt wird dies dadurch, dass der Kläger konkrete Angaben dazu, ob und welche Ermittlungsmaßnahmen seine Teilnahme an dem Seminar (...) ausgelöst hat, nicht gemacht hat. Die Behauptungen, sein Leben sei in Gefahr gewesen, die Lebensbedingungen seien immer schwieriger geworden und die Situation sei riskant gewesen, sind inhaltsarm und enthalten keinerlei Details, die auf einen Zusammenhang mit gerade der behaupteten Teilnahme an dem Seminar schließen lassen. Wenn nach Angaben des Klägers das Seminar überfallen wurde und viele Personen - nicht aber der Kläger - festgenommen worden sind, hätte sich geradezu aufgedrängt zu schildern, wie die Razzia der Sicherheitskräfte abgelaufen ist und warum ihr der Kläger trotz angeblicher Ausschreibung zur Fahndung entkommen konnte. Das angebliche Fahndungsplakat mit Suchfoto datiert der Kläger zudem zurück in das Jahr (...) , so dass es sich allenfalls auf die Verfolgungsgründe beziehen kann, die bereits Gegenstand der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom 24. Oktober 1991 - 9 K 12629/90 - gewesen sind. Dass die Suchmeldung noch im Jahre (...) ausgehängt und auch erst zu diesem Zeitpunkt vom Kläger registriert worden sein soll, ist wegen Unstimmigkeiten im Vortrag des Klägers nicht glaubhaft.
Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) kann auch nicht angenommen werden, dass dem Kläger wegen eines Nachfluchtgrundes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in die Türkei politische Verfolgung droht.
Der Kläger ist durch seine exilpolitischen Aktivitäten nicht gefährdet. Nach der Rechtsprechung des Senats begründen exilpolitische Aktivitäten ein beachtlich wahrscheinliches Verfolgungsrisiko nur bei solchen Kurden, die sich politisch exponiert haben, sich durch ihre Betätigung also deutlich von derjenigen der breiten Masse abheben. Nicht beachtlich wahrscheinlich zu politischer Verfolgung führen demgegenüber exilpolitische Aktivitäten niedrigen Profils.
Nach diesen Maßstäben ist die Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen, wie sie der Kläger mit zahlreichen Bescheinigungen der Kurdischen Gemeinschaft (...) ., namentlich (...), als niedrig profiliert zu bewerten. Sein nachgewiesenes Engagement beschränkt sich auf die bloße Teilnahme an verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen, die Verteilung von Flugblättern und Zeitschriften sowie Plakataktionen. Neben der Tätigkeit an einem Informationsstand zählt auch die vom Kläger wiederholt behauptete Funktion als Ordner bei diversen Veranstaltungen zu den Aktivitäten niedrigen Profils (vgl. neben dem Senatsurteil vom 25. Januar 2000 - 8 A 1292/96.A -, Rdnr. 31 auch OVG NRW, Beschluss vom 19. Oktober 2000 - 8 A 5516/98.A -).
Soweit geltend gemacht wird, der Kläger habe auch als Organisator an der zehnjährigen Jubiläumsfeier der Kurdischen Gemeinschaft am (...) und bei der Newroz-Feier am(...) mitgewirkt, ist weder erkennbar, dass es sich bei den Veranstaltungen um politisch ausgerichtete Demonstrationen oder Protestaktionen gehandelt hat, noch dass der Kläger mit seinem organisatorischen Beitrag als inspirativer Leiter dieser Veranstaltungen, der in politischer Hinsicht Einfluss auf seine Landsleute nehmen könnte, in Erscheinung getreten ist. Die vom Kläger vorgelegten Zeitungsartikel zur Jubiläumsfeier erwähnen den Kläger nicht und kennzeichnen die Veranstaltung auch nicht als öffentlichkeitswirksames politisches Forum gerade gegen den türkischen Staat. Aus der Einladung zum Newroz-Fest (...) geht der Kläger lediglich als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts hervor, ohne dass deutlich wird, dass er es ist, der hier politische Ideen und Strategien entwickelt und umsetzt, d.h. dass von ihm eine geistige Beeinflussung ausgeht. Entsprechendes gilt für die Einladung zum Newroz-Fest (...) . Die formelle Stellung des Klägers als des Presseverantwortlichen macht ihn nach Außen hin für die türkischen Sicherheitskräfte noch nicht zum verantwortlichen Wortführer.
Die hohe Gesamtzahl der für sich genommen niedrig profilierten politischen Aktivitäten kann diese nicht asyl- oder abschiebungschutzrechtlich erheblich machen, weil kein Anlass für die Annahme besteht, dass insoweit quantitative in qualitative Gesichtspunkte umschlagen können (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2000 - 8 A 1292/96.A -, Rdnr. 265, 309 f.).
Eine ausschlaggebende Erhöhung der Verfolgungsgefahr ist auch nicht infolge der Berichterstattung über die politischen Veranstaltungen in den Medien (Zeitungen und Fernsehen) anzunehmen. Das gilt selbst dann, wenn der Kläger als Teilnehmer auf dem Bildmaterial erkennbar ist (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2000 - 8 A 1292/96.A -, Rdnr. 272, 330, 331).
Einen eigenen Redebeitrag tragenden Inhalts hat der Kläger nicht behauptet (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2900 - 8 A 1292/96.A -, Rdnr. 328 - 331).
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger Vorstandsmitglied in einer Exilorganisation gewesen ist. Bei Vorstandsmitgliedern eingetragener Vereine, über deren Identität das jedermann zur Einsichtnahme offenstehende Vereinsregister Auskunft gibt, ist nach der Rechtsprechung des Senats ohne weiteres, d.h. bei Fehlen gegenteiliger Anhaltspunkte ein Verfolgungsinteresse des türkischen Staates anzunehmen, wenn der Verein als von der PKK dominiert oder beeinflusst gilt
(vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2000 - 8 A 1292/96.A -, Rdnr. 313).
Die Mitgliedschaft im Vorstand eines solchen Vereins deutet grundsätzlich auf eine lenkende oder jedenfalls maßgebliche Funktion im Rahmen von Bestrebungen hin, die von den türkischen Sicherheitskräften und dem Geheimdienst als in hohem Maße staatsgefährdend eingestuft werden. Sind allerdings konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein Asylbewerber aus der Sicht des türkischen Staates gleichwohl nicht als exilpolitisch exponiert zu betrachten sein könnte, ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Anhaltspunkte dieser Art können sich etwa daraus ergeben, dass ein Asylbewerber zwar Vorstandsmitglied eines PKK-Vereins ist, aber nicht erkennbar ist, dass er dort mehr als nur untergeordnete Aufgaben zu erfüllen hat, also nur eine passiv-untergeordnete Stellung einnimmt. Entsprechende Anhaltspunkte bestehen auch bei unverhältnismäßig großen Vereinsvorständen oder bei Vorständen, deren Mitglieder auffällig häufig wechseln. Stellt das Verwaltungsgericht derartige Anhaltspunkte fest, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu ermitteln, ob die Vorstandsmitgliedschaft im Zusammenhang mit den übrigen Aktivitäten des Betroffenen diesen in so hinreichendem Maße als Ideenträger oder Initiator in Erscheinung treten lassen, dass von einem Verfolgungsinteresse des türkischen Staates auszugehen ist.
Ein entsprechendes Verfolgungsrisiko besteht auch für Vereine, die von türkischer Seite als vergleichbar militant staatsfeindlich eingestuft werden und in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder als dem linksextremistischen Spektrum zugehörig ausgewiesen sind (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2000 - 8 A 1292/96.A -, Rdnr. 314).
Ob Vorstandsmitglieder sonstiger Vereine einem vergleichbaren Verfolgungsrisiko in der Türkei ausgesetzt sind, hängt von Größe, politischer Ausrichtung, Dauer, Umfang und Gewicht der Aktivitäten sowie von anderen insoweit bedeutsamen Umständen des Einzelfalles ab. Handelt es sich um einen Verein, dessen Einzugsbereich örtlich oder regional begrenzt ist, so kann für die Einschätzung des Verfolgungsrisikos eine Rolle spielen, ob jener als Mitgliedsverein einer Dachorganisation angehört, die bei türkischen Stellen als staatsfeindlich gilt (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2000 - B A 1292/96.A -. Rdnr. 315).
Die Kurdische Gemeinschaft (...) ist nach den vorliegenden Erkenntnissen weder von der PKK maßgeblich beeinflusst noch wird sie von türkischer Seite als militant staatsfeindlich eingestuft. Der Verein setzt sich für die Integration von Kurdinnen und Kurden in der Bundesrepublik Deutschland ein. Öffentlichkeitswirksame Aktionen sind von der polizeilichen Dienststelle nur in geringem Maße festgestellt worden. Dem entspricht auch die Erkenntnis des Senats in seiner Grundsatzentscheidung vom 25. Januar 2000 - 8 A 1292/96.A -, Rdnr. 316 - 320, dass die der KOMKAR angeschlossenen kurdischen Vereine - wie hier die Kurdische Gemeinschaft Rhein-Sieg-Kreis/Bonn e. V. - in der Regel nicht zu den der PKK vergleichbaren
Vereinen zu rechnen sind und von den Auslandsvertretungen bzw. vom Nachrichtendienst der Türkei nicht mit derselben Intensität beobachtet werden wie andere Organisationen und Einrichtungen der kurdischen nationalen Opposition (vgl. Senatsurteil vom 25. Januar 2000 - 8 A 1292/96.A -, Rdnr. 320).
Das in der zitierten Entscheidung vom 25. Januar 2000 noch nicht berücksichtigte Gutachten von Helmut Oberdiek vom 29. Oktober 1999 an das Verwaltungsgericht Ansbach benennt ebenfalls keine Referenzfälle für die politische Verfolgung von KOMKAR-Mitgliedern in der Türkei.