VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 10.02.2015 - AN 3 K 14.30467 - asyl.net: M22715
https://www.asyl.net/rsdb/M22715
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung eines Mitglieds der äthiopischen exilpolitischen Studentenbewegung TBOJ/UOSG in Deutschland.

Schlagwörter: Äthiopien, Oromo, TBOJ/UOSG, OLF, Exilpolitik, Nachfluchtgründe, subjektive Nachfluchtgründe, Biiftuu Bilisaa, TBOJ, Union of Oromo Students in Germany,
Normen: AsylVfG § 3, AsylVfG § 3 Abs. 1, AsylVfG § 28 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil er sich nach Überzeugung der Einzelrichterin aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb Äthiopiens aufhält, § 3 Abs. 1 AsylVfG. Aus diesem Grund darf er nicht nach Äthiopien abgeschoben werden, § 60 Abs. 1 AufenthG.

Dabei beruht seine begründete Furcht vor Verfolgung auf einem Verhalten des Klägers nach Verlassen seines Heimatlandes, das als Ausdruck und Fortsetzung seiner bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung angesehen werden muss, § 28 Abs. 2 AsylVfG.

Nach Überzeugung der Einzelrichterin ist der Kläger unabhängig von der Frage einer Vorverfolgung wegen seines ernsthaften und herausgehobenen exilpolitischen Engagements in Deutschland für die TBOJ/UOSG in Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bedroht.

Nach dem Eindruck, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht hat und seinen schlüssigen und widerspruchsfreien Schilderungen hat er sich glaubhaft bereits im Heimatland für die Belange der Oromos an der Universität eingesetzt und ist gemeinsam mit seinem Vater für die OLF aktiv gewesen.

Auch die Schilderungen zu seinem Reiseweg waren glaubhaft, was die Glaubwürdigkeit seiner Einlassungen insgesamt bestärkt.

Maßgebend ist für die Flüchtlingsanerkennung jedoch, dass er sich seit seiner Einreise in das Bundesgebiet bei der TBOJ/UOSG in Bayern engagiert, seit 24. August 2014 ist er Mitglied der UOSG Bayern und seit Dezember 2014 ist er Redakteur des Magazins "Biiftuu Bilisaa". Seine Tätigkeiten für die Partei und die Zeitschrift konnte er detailreich beschreiben, seine Angaben waren nachvollziehbar und glaubhaft.

Weiterhin wurde ihm die Teilnahme an einer Vielzahl von Veranstaltungen der TBOJ bescheinigt (Schreiben vom 6. Januar 2015), auch mit Redebeiträgen, die ihn aus der Zahl der einfachen Anhänger deutlich herausheben.

Insgesamt ist den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Diaspora genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Spitzenpolitiker von Exilparteien, die der Regierung missliebig sind, müssen deshalb im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien mit Verfolgung rechnen. Auch Aktivisten, die sich im Ausland gegen die Regierung aussprechen, drohen in Äthiopien Verfolgungen auf Grund revolutionärer Absichten. Aktivitäten einfacher Parteimitglieder werden hingegen von den äthiopischen Behörden nicht registriert da den Behörden dazu die Reserven fehlen. Es sind allerdings Einzelfälle bekannt geworden, in denen es trotzdem bei Rückkehr zu Verhaftungen gekommen ist. Andererseits sind zahlreiche Fälle von Mitgliedern von Exilparteien bekannt, die nach ihrer Rückkehr nach Äthiopien nicht belangt worden sind.

Insgesamt lässt sich nach Auffassung des Gerichts den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen im Wesentlichen entnehmen, dass jedenfalls Personen, die bereits in Äthiopien dem äthiopischen Staat regimekritisch aufgefallen sind und die sich hier in der Bundesrepublik exponiert exilpolitisch betätigt haben und sich nicht nur als einfache Mitglieder oder bloße Mitläufer darstellen, bei einer Rückkehr nach Äthiopien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen haben, zumal der äthiopische Staat in der Bundesrepublik Deutschland die Aktivitäten äthiopischer Staatsangehöriger genau überwacht (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 25.2.2008 – 21 B 07.30363; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 17.8.2010 – 8 A 4063/06.A).

Da der Kläger seit seiner Einreise ab Oktober 2012 für die TBOJ/UOSG aktiv ist und nach seinen nachvollziehbaren Schilderungen aus diesem Grund mittlerweile in den Vorstand der TBOJ Bayern gewählt wurde, ist auch ein entsprechender ernsthafter politischer Wille anzunehmen, zumal der Kläger auch schon vor seiner Ausreise politisch für die OLF tätig gewesen ist, auch wenn es in diesem Zusammenhang noch nicht zu politisch motivierten Verfolgungshandlungen der äthiopische Behörden gegen ihn gekommen ist. Eine 10tägige Verhaftung - beschrieb er im Zusammenhang mit Unruhen an der Universität, so dass es sich eher um eine ordnungsrechtliche Maßnahme gehandelt hat. Ein Engagement in der politischen Opposition macht nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Situation in Äthiopien vom 8. April 2014 Oromos für die äthiopischen Sicherheitskräfte häufig der Nähe zur OLF verdächtig, die als terroristische Vereinigung gilt. [...]