Der Zusatz "Die Personendaten beruhen auf den eigenen Angaben des Antragstellers" darf nur bei ernsthaften Zweifeln an der Identität in den Reiseausweis für Staatenlose aufgenommen werden.
(Amtlicher Leitsatz)
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Die Klägerin hat zunächst ein rechtlich schützenswertes Interesse an der Streichung des Zusatzes. Der Reiseausweis für Staatenlose ist nicht etwa nur in dem Sinne Passersatz, dass er es einem Ausländer ermöglicht, seiner aufenthaltsrechtlichen Passpflicht (vgl. §§ 3, 48 AufenthG; Vorschrift über Passersatzpapiere in § 4 AufenthV) nachzukommen. Vielmehr haben Reiseausweise, die auf der Grundlage von Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen ausgestellt worden sind, eine weiter gehende Beweiskraft hinsichtlich der darin enthaltenen Personalien als andere von der Ausländerbehörde ausgestellte Dokumente. Staatenlose können sich im Personenstandsverfahren durch einen deutschen Reiseausweis für Staatenlose ausweisen. Den Reiseausweisen für Staatenlose und für Flüchtlinge kommt nämlich unter anderem eine Identifikationsfunktion zu. Sie haben die Aufgabe, die Identität des Ausweisinhabers anstelle eines Nationalpasses zu bescheinigen, und ersetzen in weitem Umfang einen nationalen Reisepass (BVerwG Urteil vom 17.3.2004 - 1 C 1/03 - BVerwGE 120, 206 ff.; Urteil vom 1.9.2011 – 5 C 27/10 - BVerwGE 140, 311 ff.). Ein Reiseausweis nach Art. 28 des genannten Abkommens ermöglicht wie ein nationaler Reisepass den (widerlegbaren) Nachweis, dass sein Inhaber die in ihm genannte, beschriebene und abgebildete Person ist und die darin enthaltenen Angaben mit den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Inhabers übereinstimmen (BVerwG a.a.O.). Die Gleichstellung mit einem Pass ergibt sich jeweils aus dem Text des Muster-Reiseausweises in den Anlagen zu den genannten Abkommen und den Vorschriften in den Anhängen, die auf nationale Pässe Bezug nehmen.
Die Identifikationsfunktion des Reiseausweises kann aufgehoben werden durch einen Vermerk, wonach die angegebenen Personalien auf eigenen Angaben beruhen (BVerwG a.a.O.). In § 4 Abs. 6 S. 2 AufenthV ist dazu näher bestimmt, dass ein solcher Hinweis bei Reiseausweisen für Flüchtlinge und für Staatenlose aufgenommen werden kann, wenn ernsthafte Zweifel an den Identitätsangaben des Antragstellers bestehen (während dies bei Reiseausweisen für Ausländer nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 S. 1 i. V. m. § 5 AufenthV generell möglich ist). Wenn die ausstellende Behörde durch den Vermerk die Gewähr für die Richtigkeit der Identitätsangaben ablehnt, kann auch keine andere Behörde auf die Richtigkeit der Angaben im Sinne eines auch nur widerlegbaren Nachweises vertrauen (vgl. zu allem Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. August 2013 – 2 W 54/13 –, juris).
Die Voraussetzungen für die Aufnahme eines solchen Hinweises liegen hier nicht vor. Der Beklagte hat nicht individuell geprüft, ob und aus welchem Grund er ernsthafte Zweifel an den Angaben der Klägerin hat. Die Klägerin hat diverse schriftliche Unterlagen, u.a. ihre Geburtsurkunde vorgelegt. Sie hat Zeugenbeweis für ihre Identität geliefert. Der Beklagte hat sich mit diesen Angaben nicht befasst, sondern auf der Vorlage eines Lichtbildausweises bestanden, um einen Reiseausweis ohne den streitigen Zusatz auszustellen. Diese Verwaltungspraxis steht jedoch im Widerspruch zu § 4 Abs. 6 AufenthV. [...]