VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 27.10.2014 - 11 K 331.14 (= ASYLMAGAZIN 5/2015, S. 169 f.) - asyl.net: M22774
https://www.asyl.net/rsdb/M22774
Leitsatz:

Erlöschen einer Aufenthaltserlaubnis wegen des Abbruchs eines Sprachkurses.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Studienvorbereitung, studienvorbereitende Maßnahmen, auflösende Bedingung, Sprachkurs, Erlöschen, Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis,
Normen: AufenthG § 51 Abs. 1 Nr. 2, AufenthG § 51, VwVfG § 36 Abs. 2, AufenthG § 16 Abs. 1, AufenthG § 16,
Auszüge:

[...]

Die dem Kläger am 5. November 2013 erteilte Aufenthaltserlaubnis besteht fort, sie ist nicht durch Eintritt der auflösenden Bedingung "Erlischt mit Abbruch studienvorbereitender Maßnahmen" erloschen. Nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) erlischt ein Aufenthaltstitel mit Eintritt einer auflösenden Bedingung. Diese Rechtsfolge tritt kraft Gesetzes ein, ohne dass es eines vorherigen Verwaltungsaktes bedürfte. Unstreitig handelt es sich bei dem Zusatz zur Aufenthaltserlaubnis "Erlischt mit Abbruch studienvorbereitender Maßnahmen" um eine auflösende Bedingung im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG.

Die Aufenthaltserlaubnis ist nicht erloschen, weil nicht festgestellt werden kann, dass die auflösende Bedingung "Erlischt mit Abbruch studienvorbereitender Maßnahmen" eingetreten ist. Bei der Prüfung, ob die auflösende Bedingung eingetreten ist, ist zugrundezulegen, wie ein verständiger Dritte diese verstehen darf. Der Regelungsgehalt einer behördlichen Maßnahme ist entsprechend § 133, 157 BGB durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. Dezember 2008 – BVerwG 2 B 60.08 – juris, Rdnr. 2). Danach ist unter einem Abbruch von studienvorbereitenden Maßnahmen nicht schon jede Unterbrechung der Studienvorbereitung zu verstehen. Vielmehr erfordert ein Abbruch, dass die Studienabsicht endgültig aufgegeben wird. Zu studienvorbereitenden Maßnahmen zählen alle Tätigkeiten eines potentiellen Studenten, die geeignet sind, sein beabsichtigtes Studium zu fördern. Anhaltspunkte für eine Beschränkung auf bestimmte studienvorbereitende Aktivitäten ergeben sich weder aus der Formulierung der Nebenbestimmung noch aus dem sonstigen Inhalt des Aufenthaltstitels. Insbesondere fehlt jeder Hinweis darauf, dass zu den studienvorbereitenden Maßnahmen im Sinne der Nebenbestimmung allein Sprachkurse in deutscher Sprache und Studienkollegs zählen sollen.

Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger seine Studienvorbereitung abgebrochen hat, wobei die beklagte Ausländerbehörde hierfür die materielle Beweislast trägt, so dass bloße Zweifel am Studienverlauf zu ihren Lasten gehen. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass er sich durch Deutsch- und Englischkurse bei Sprachschulen wie auch im Heimstudium auf ein Studium vorbereitet hat. Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen nicht und sind von der Ausländerbehörde auch nicht geltend gemacht worden. Etwas anderes kann sich auch nicht aus den dort eingegangenen E-Mails ergeben: Die Nachricht vom 8. Mai 2014, wonach der Kläger seit Juli 2013 nicht mehr am Sprachkurs der "DeutschAkademie" teilnehme, ist unergiebig, weil diese entgegen des erweckten Anscheins nicht von der Sprachschule stammt, sondern von einer anonymen Person. Die E-Mail-Adresse der Sprachschule lautet nämlich nicht "d...@yahoo.com", sondern "b...@deutschakademie.de",

wie sich der Rechnung vom 2. Oktober 2013 entnehmen lässt. gleichermaßen ist ausgeschlossen, dass die Mitteilung vom 30. September 2014 tatsächlich von der "University Grants Commission of Bangladesh" stammt. Weder die Ausländerbehörde noch das Gericht mussten diese anonymen und zudem mit Täuschungsabsicht über den Urheber verfassten Schreiben zum Anlass nehmen, den darin erhobenen unsubstantiierten Vorwürfen nachzugehen. Das vom Kläger dargelegte Erlernen der deutschen und englischen Sprache förderte sein beabsichtigtes Studium in Deutschland. Für Deutsch ist dies selbstverständlich, gilt aber auch für Englisch, weil heutzutage teilweise Studieninhalte in dieser Sprache angeboten werden. Jedenfalls bestehen keine Anhaltspunkte, dass das Sprachlernen nicht dem Studium dienen konnte. Gleichermaßen nutzten die Suche nach einem geeigneten Studienplatz und die entsprechenden Bewerbungen, die der Kläger im Sommer 2014 unternommen hat, seinem Studium. Dass dabei gewisse Zeiträume vorlagen, in denen er allenfalls mit geringer Intensität sich auf sein Studium vorbereitete – etwa zwischen zwei Sprachkursen oder beim Warten auf eine Antwort der Hochschulen –, liegt in der Natur der Sache und deuten nicht auf ein Abbruch der Studienvorbereitung hin. Vielmehr handelt es sich dabei um vorübergehende kürzere Unterbrechungen, die im Hinblick auf die auflösende Bedingung "Erlischt mit Abbruch studienvorbereitender Maßnahmen" unbeachtlich sind.

Soweit die Ausländerbehörde zutreffend darauf verweist, dass Online-Sprachkurse in englischer Sprache oder die Studienplatzsuche regelmäßig nicht vom Aufenthaltszweck des Studiums (§ 16 Abs. 1 AufenthG) umfasst ist, folgt daraus kein anderes Verständnis der Nebenbestimmung, weil dieser Zweck in der Formulierung der Nebenbestimmung keinen Niederschlag gefunden hat. Vielmehr kann die Ausländerbehörde auf ein Entfallen des Aufenthaltszwecks mit einer nachträglichen Verkürzung der Gültigkeitsfrist nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG reagieren. Zudem bleibt es ihr unbenommen, die auflösende Bedingung enger und konkreter zu fassen.

Weil das Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis bereits am fehlenden Eintritt der auflösenden Bedingung scheitert, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht darauf an, ob diese Bedingung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 AufenthG rechtmäßig ist. Im Übrigen hat der Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gegen diese Nebenbestimmung keine zulässigen Rechtsbehelfe erhoben, so dass sie – auch bei unterstellter Rechtswidrigkeit – nach § 43 Abs. 1 VwVfG wirksam ist; Anhaltspunkte für Nichtigkeitsgründe nach § 44 Abs. 1 und Abs. 2 VwVfG bestehen nicht. Ferner ist durch den Widerspruch des Klägers die Wirksamkeit der Nebenbestimmung nicht suspendiert, weil es sich dabei um einen integrierten Bestandteil des Aufenthaltstitels handelt (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 22. August 2007 – OVG 11 S 58.07 – juris, Rdnr. 7 ff.).

Da demnach die Aufenthaltserlaubnis des Klägers vom 5. November 2013 nicht erloschen ist, ist der angegriffene Bescheid aufzuheben. [...]