1. Die Dublin III-Verordnung findet auf Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft bereits in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zuerkann worden ist, keine Anwendung.
2. Voraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG ist, dass die Übernahmebereitschaft des Drittstaates, in den abgeschoben werden soll, abschließend geklärt ist. Dies ist bereits zu bejahen, wenn den ersuchten Staat eine Aufnahmeverpflichtung für den Ausländer trifft, weil dieser ihm aufgrund der Anerkennung als Flüchtling eine Aufenthaltserlaubnis erteilt hat oder aber zu erteilen verpflichtet ist (hier: Italien).
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Nach § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann sich ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG (sicherer Drittstaat) eingereist ist, nicht auf das Asylgrundrecht berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt (vgl. § 26a Abs. 1 Satz 2 AsylVfG). So liegt der Fall hier.
Der Antragsteller ist (über Schweden kommend) aus Italien in die Bundesrepublik Deutschland eingereist; als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt dieses Land, das ihn als Flüchtling i.S.d. Art. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 – RL 2011/95/EU – anerkannt hat, nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG als sicherer Drittstaat (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 -, zit. nach juris, Rn. 159).
Die Möglichkeit der Anordnung der Abschiebung in den sicheren Drittstaat wird vorliegend nicht verdrängt durch die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-Verordnung - ABl. EU Nr. L 180/31 vom 29. Juni 2013). Denn die Dublin III-Verordnung findet auf Personen, denen – wie dem Antragsteller – die Flüchtlingseigenschaft bereits in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zuerkannt worden ist, keine Anwendung (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 29. September 2014, VG 23 L 370.14 A und Beschluss vom 15. September 2014 – VG 34 L 228.14 A -; VG Cottbus, Beschluss vom 11. Juli 2014 - 5 L 85/14.A -, zit. nach juris; zur Dublin II-Verordnung VG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2013 - 6 L 104/13.A, zit. nach juris, Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 - 10 C 7 /13, zit. nach juris, Rn. 26; vgl. weiter Funke-Kaiser in: GKAsylVfG, November 2013, zu § 27a Rn. 34; Bender/Bethke, Dublin III, Eilrechtsschutz und das Comeback der Drittstaatenregelung - Elf Thesen zu den aktuellen Änderungen bezüglich innereuropäischer Abschiebungen, Asylmagazin 11/2013, Seite 358, 359).
Aus der Systematik der Dublin III-Verordnung ergibt sich, dass sie nur auf Personen anwendbar ist, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, über den entweder noch nicht oder - zumindest teilweise - negativ entschieden wurde. So lässt sich der Dublin III-Verordnung keine Bestimmung entnehmen, die den zuständigen Mitgliedstaat dazu verpflichtet, eine Person aufzunehmen, deren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes vollumfänglich stattgegeben wurde. Art. 18 Abs. 1 Dublin III-Verordnung sieht eine Verpflichtung zur Aufnahme vielmehr nur dann vor, wenn und soweit die betreffende Person in dem zuständigen Staat noch nicht oder abschlägig beschieden wurde. Nicht geregelt ist hingegen der Fall, dass der zuständige Staat dem Schutzbegehren bereits entsprochen hat. Bei dem erneuten Asylantrag einer Person, die bereits als Flüchtling i.S.d. Art. 2 Buchst. d) der RL 2011/95/EU anerkannt wurde, handelt es sich folgerichtig auch nicht um einen Folge- oder einen Zweitantrag im Sinne der §§ 71, 71a AsylVfG, die vom Anwendungsbereich der Dublin III-Verordnung erfasst werden (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 5. Juni 2014 – VG 33 L 154.14 A, Entscheidungsabdruck S. 3 f.; VG Cottbus, Beschluss vom 11. Juli 2014 – 5 L 190/14.A, zit. nach juris, Rn. 15). Denn der Folge- und der Zweitantrag beziehen sich auf Konstellationen, in denen ein früherer Asylantrag zurückgenommen, unanfechtbar abgelehnt bzw. in denen ein Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat erfolglos abgeschlossen wurde. Diese Fallgestaltungen sind bei einer vollumfänglichen Stattgabe des Schutzgesuchs indes nicht einschlägig.
Bestätigt wird dieses Ergebnis durch Sinn und Zweck der Verordnung. Die Dublin III-Verordnung dient der Ermöglichung einer raschen Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats der Europäischen Union, um einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden (vgl. Nr. 5 der Erwägungen zur Dublin III-Verordnung). Ist einer Person bereits der Status der Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden, ihr mithin vollumfänglich Schutz gewährt worden, besteht anders als in Fallgestaltungen, in denen der Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes abgelehnt oder dem Schutzsuchenden bislang lediglich subsidiärer Schutz gewährt worden ist, keine Notwendigkeit für einen – besonders zügigen – Zugang zu den Verfahren zur Gewährung internationalen Schutzes, weil dem Begehren des Schutzsuchenden bereits gänzlich entsprochen worden ist.
Ergibt sich danach bei summarischer Prüfung, dass die Dublin III-Verordnung auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet, kommt es auf die Einhaltung der dort festgelegten Verfahrensvorschriften nicht an. Konsequenz des mit der Einreise über einen sicheren Drittstaat verbundenen materiellen Asylausschlusses ist, dass es dem Bundesamt grundsätzlich verwehrt ist, in eine Einzelfallprüfung einzusteigen; der Zugang zum Asylverfahren ist im Umfang des Anwendungsbereichs des Konzeptes der normativen Vergewisserung versagt und die Entscheidung des Bundesamtes beschränkt sich nach § 31 Abs. 4 AsylVfG auf die Feststellung des Nichtbestehens eines Asylrechts (vgl. Marx, AsylVfG, 7. Aufl., zu § 26a Rn. 127). Der Ausländer kann sich gegenüber der Abschiebung in den sicheren Drittstaat auch nicht auf Abschiebungsschutz gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 AsylVfG sowie nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG berufen, weil dieser Abschiebungsschutz in das Konzept der normativen Vergewisserung mit einbezogen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996, a.a.O., Rn. 185, 187, zu den jeweiligen Vorgängervorschriften). Die normative Vergewisserung über die Sicherheit eines Drittstaates umfasst die generelle Feststellung, dass einem Ausländer, der diesen Staat als Flüchtling erreicht, der Schutz der europäischen Menschenrechtskonvention gewährt wird; soll der in der Bundesrepublik um Schutz nachsuchende Flüchtling daher in diesen Drittstaat zurückgewiesen oder zurückverbracht werden, so entfällt deshalb auch eine gesonderte Prüfung von Abschiebungsverboten (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996, a.a.O., Rn. 186). Es wird vielmehr die Zurückweisung oder Abschiebung in diesen Staat unverzüglich vorgenommen (vgl. Marx, a.a.O., zu § 26a Rn. 129).
In engen Grenzen hat das Bundesverfassungsgericht ausnahmsweise die Möglichkeit einer Entkräftung der unwiderleglichen Vermutung der Sicherheit im Drittstaat aufgezeigt (vgl. insoweit zusammenfassend Marx, a.a.O., zu § 26a Rn. 101 ff.). Diese kommt beispielsweise in Betracht, wenn Abschiebungsverbote durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzeptes aus sich selbst heraus gesetzt sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996, a.a.O., Rn. 189). In derartigen Fällen hat die Bundesrepublik Deutschland Schutz zu gewähren (Marx, a.a.O., zu § 26a Rn. 104). Ein Ausnahmefall, der das Konzept der normativen Vergewisserung entkräften könnte, ist vorliegend indes nicht gegeben. [...]
Soweit § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG schließlich für den Erlass der Abschiebungsanordnung verlangt, dass feststehen muss, dass die Abschiebung auch durchgeführt werden kann, fehlt es vorliegend auch nicht an dieser Voraussetzung. Voraussetzung für den Erlass der Abschiebungsanordnung ist danach, dass die Übernahmebereitschaft des Drittstaates, in den abgeschoben werden soll, abschließend geklärt ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. Februar 2012 – OVG 2 S 6.12 – juris Rn. 4; vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 2 BvR 19398/93, 2 BvR 2315/93 – juris Rn. 156). So verhält es sich vorliegend. Denn Italien ist nach dem zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlande und Polen bestehenden Übereinkommens betreffend die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (vom 9. Juli 1993, BGBl. II, S. 1099) verpflichtet, den Antragsteller in Italien wiederaufzunehmen. Nach Art. 2 Abs. 1 dieses Übereinkommens übernimmt die Vertragspartei, über deren Außengrenzen die Person eingereist ist, die im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei die geltenden Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, auf Antrag dieser Vertragspartei formlos diese Person. Verfügt diese Person nach Abs. 1 über einen gültigen, durch die andere Partei ausgestellten Aufenthaltstitel, so übernimmt die Vertragspartei auf Antrag der ersuchenden Vertragspartei formlos diese Person (Art. 2 Abs. 4). Als Aufenthaltstitel gilt nach Art. 2 Abs. 5 Satz 1 jede von einer Vertragspartei ausgestellte Erlaubnis gleich welcher Art, die zum Aufenthalt in deren Hoheitsgebiet berechtigt. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Antragsteller als anerkannter Flüchtling über eine derartige Berechtigung verfügt. Sein Asylverfahren ist abgeschlossen, und es steht aufgrund seiner durch Italien bestätigten Flüchtlingsanerkennung fest, dass ihm in Italien ein Aufenthaltsrecht außerhalb eines Asylverfahrens zusteht. Denn nach Art. 24 Abs. 1 RL 2011/95/EU stellen die Mitgliedstaaten Personen sobald als möglich nach Zuerkennung des Flüchtlingsstatus einen mindestens für drei Jahre gültigen, verlängerbaren Aufenthaltstitel aus. Die Übernahmebereitschaft Italiens ist damit abschließend geklärt, ohne dass zuvor für den vorliegenden Einzelfall nochmals geprüft werden muss, dass der formlose Antrag nach dem Rückübernahmeabkommen durch die Antragsgegnerin gestellt ist (a.A. wohl Trier, Beschluss vom 16. April 2014 – 5 L 569/14.Tr – juris Rn. 52). Denn die Übernahmebereitschaft setzt nicht ausnahmslos voraus, dass eine ausdrückliche entsprechende Erklärung des ersuchten sicheren Drittstaates gegenüber der Bundesrepublik Deutschland abgegeben wurde, soweit eine gesicherte Verwaltungsübung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Drittstaat besteht, dass unter bestimmten Voraussetzungen und bei Vorliegen bestimmter Beweismittel hinsichtlich eines Voraufenthaltes im Drittstaat der betreffende Flüchtling ohne weiteres und unverzüglich aufgenommen werden kann (Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Juni 2014, zu § 34a Rn. 20). So liegt der Fall nach dem oben Gesagten hier. Zweifel an der Rückübernahmebereitschaft werden schließlich nicht durch die Erklärung des italienischen Ministerio dell’Interno vom 22. Juli 2014 geweckt. Das Ministerium hat hier auf das – noch im Rahmen eines Dublin-Verfahrens eingeleiteten – Überstellungsersuchen darauf hingewiesen, dass die Überstellung des Antragstellers in den Geschäftsbereich der Polizeibehörden falle; es sei nach den dortigen Regularien abzuwickeln, weil das Asylverfahren mit der Anerkennung des Antragstellers als Flüchtling abgeschlossen worden sei. Dies stellt die Übernahmebereitschaft Italiens aber nicht in Frage; vielmehr hat die italienische Behörde hierdurch lediglich auf die innerstaatliche Zuständigkeit einer anderen Behörde hingewiesen. [...]