OVG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.09.2014 - 12 S 55.14 - asyl.net: M22785
https://www.asyl.net/rsdb/M22785
Leitsatz:

Eine kalendermäßige Bestimmung der Ausreisefrist widerspricht nicht der Regelung des § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG, wonach die Ausreisefrist unterbrochen wird, wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt. Das gilt nicht nur für den Fall der kraft Gesetzes vollziehbaren Ausreisepflicht (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 - BVerwG 1 C 12.11), sondern auch dann, wenn die Ausreisepflicht durch einen Verwaltungsakt herbeigeführt wird und das dagegen zulässige Rechtsmittel aufschiebende Wirkung hat.

Schlagwörter: Ausreisefrist, Vollziehbarkeit, vollziehbar ausreisepflichtig, Abschiebungsandrohung, kalendermäßige Fristsetzung, Datum,
Normen: AufenthG § 59 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 59 Abs. 1 S. 6,
Auszüge:

[...]

Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller am 1. Juli 2014 den Ausweisungsbescheid vom selben Tage ausgehändigt und ihm darin zugleich die Abschiebung angedroht, sollte er nicht bis zum 8. Juli 2014 freiwillig ausgereist sein. Da der Antragsteller eigenen Angaben zufolge erst im Mai 2014 ins Bundesgebiet eingereist ist (Blatt 51 der Ausländerakte) und hier über keinen festen Wohnsitz verfügt, erscheint diese Frist nicht unangemessen kurz. Der Antragsteller hat auch nicht dargelegt, dass ihm eine Ausreise in seinen Herkunftsstaat Mazedonien oder in die Slowakische Republik, wo er über einen langfristig gültigen Aufenthaltstitel verfügt, binnen dieser Frist nicht zumutbar gewesen wäre.

Zutreffend tritt die Beschwerde der Auffassung des Verwaltungsgerichts entgegen, die kalendermäßige Bestimmung der Ausreisefrist widerspreche der Regelung des § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG. Danach wird die Ausreisefrist unterbrochen, wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt. Dies steht der datumsmäßigen Fixierung der nach Tagen zu bestimmenden Ausreisefrist nicht entgegen. Das gilt nicht nur für den Fall der kraft Gesetzes vollziehbaren Ausreisepflicht (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 4. Oktober 2012 – BVerwG 1 C 12.11 – InfAuslR 2013, 93; hier zit. n. juris Rn. 17), sondern auch dann, wenn die Ausreisepflicht durch einen Verwaltungsakt herbeigeführt wird und das dagegen zulässige Rechtsmittel aufschiebende Wirkung hat (vgl. Hailbronner, AuslR, § 59 Rn. 46, Stand 3/2012; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 59 Rn. 94, Stand 3/2012; Bauer, in: Renner/ Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl., § 59 Rn. 16). Daher kann dahinstehen, ob der Antragsteller im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unerlaubt eingereist und daher gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bereits kraft Gesetzes vollziehbar ausreisepflichtig ist, wie der Antragsgegner meint (vgl. hierzu aber BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2011 – BVerwG 1 C 23.09 – BVerwGE 138, 353 Rn. 20 f. und Hailbronner, a.a.O., § 14 Rn. 11 ff., Stand 2/2014). [...]

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Ausländer auch bei einer Fristsetzung in Gestalt eines abstrakten Zeitraums (hier etwa: "acht Tage nach Aushändigung der Ausweisung") allein daraus nicht ersehen könnte, dass die Frist im Falle der Unterbrechung der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht bzw. der Abschiebungsandrohung unterbrochen wird und zunächst nicht mehr zu befolgen ist. Eine Fristbestimmung in Anknüpfung an die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ("acht Tage nach Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausweisung") würde zumindest den rechtlich nicht vorgebildeten Ausländer vollends über seine Pflichten im Dunkeln lassen. [...]