1. Keine systemischen Mängel des Asyl- und Aufnahmeverfahrens in Italien.
2. Zu den Anforderungen an ärztliche Bescheinigungen bei psychischen Erkrankungen und Suizidgefahr im vorläufigen Rechtsschutz.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Gemessen an diesen Maßgaben liegen grundsätzlich in Italien systemische Mängel im Asyl- und Aufnahmeverfahren nicht vor.
Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sind die verschiedenen Berichte über die Situation von Flüchtlingen insbesondere bezüglich der Rücküberstellungen nach Italien. [...]
Auch im Hinblick auf die materiellen Leistungen und der medizinischen Versorgung ist aber nur im Regelfall von einem hinreichenden Schutz auszugehen. Sowohl in diesem Bereich wie auch besonders im Bereich der Unterbringung werden in den angeführten Erkenntnismitteln auf Mängel hingewiesen. Sie seien das Ergebnis struktureller Lücken und eines Kapazitätsmangels im Aufnahmesystem (UNHCR vom 19. Dezember 2013 und Juli 2013; Gutachten der Flüchtlingsorganisation borderline-europe an das VG Braunschweig vom Dezember 2012; amnesty international, Report 2013). Dies gilt insbesondere für Asylsuchende, über deren Antrag bereits entschieden worden ist. Gleichwohl hat der UNHCR eine generelle Empfehlung, Asylbewerber und Ausländer, die bereits einen Schutzstatus in Italien haben, nicht nach Italien zu überstellen, nicht ausgesprochen. Auch wenn daraus nicht geschlossen werden soll, wie der UNHCR in seiner Stellungnahme vom 7. März 2014 an das OVG NRW betont, dass keine einer Überstellung entgegenstehende Umstände vorlägen, ist die Nichtempfehlung als Indiz für das Fehlen systemischer Mängel zu werten, da die vom UNHCR herausgegebenen Dokumente bei der Auslegung der unionsrechtlichen Asylvorschriften besonders relevant sind (vgl. EuGH, Urteil vom 30. Mai 2013 - C-528/11 -, Rn 44, NVwZ 2013, 660 ff. u. juris). Auch unabhängig von dieser Indizwirkung liegen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme systemischer Mängel nicht vor:
Entsprechend den genannten Anforderungen an den für die Annahme systemischer Mängel maßgeblichen Prognosemaßstab kann nämlich nicht allein auf einzelne Mängel des Systems verwiesen werden. Die beachtliche Wahrscheinlichkeit muss sich auf die Würdigung aller Umstände gründen, zu denen das jeweilige Rechtssystem des Mitgliedsstaates wie auch die Verwaltungspraxis gehört. Dieser hat sich auf den vorhersehbaren Verlauf der Dinge auszurichten. Bemühungen des betroffenen Staates, sich den Mängeln zu stellen und auf seine Entwicklungen etwa des enormen Anstiegs einer Flüchtlingszahl zu reagieren, sind zu berücksichtigen. Kommt es gleichwohl zu Mängeln bei der Unterbringung von Asylsuchenden bis zur Aufnahme ihres Asylantrages, liegen keine systemischen Mängel vor, wenn der betreffende Mitgliedsstaat erfolgversprechende Gegenmaßnahmen ergreift. Solche Bemühungen des italienischen Staates liegen vor. Beim Anstieg der Zahl der Asylsuchenden im Jahre 2011 ist - wie ausgeführt - ein besonderes Programm zur Unterbringung der Asylsuchenden aufgestellt und durchgeführt worden. Nach dem erneuten Anstieg der Zahl der Asylsuchenden im Jahre 2013 sind die italienischen Behörden vom italienischen Innenministerium angewiesen worden, dass die Verbalizzazione zeitlich mit der Asylgesuchstellung zusammenfallen und zur Verkürzung der Wartezeiten ein neues Informationssystem (Vestanet) eingeführt werden soll (vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014, a.a.O.). Von einem Inkaufnehmen der Mängel der Unterkunftsgewährung kann somit nicht ausgegangen werden. Von einer allgemeinen dramatischen Wohnungs- und Unterbringungsnot der Dublin-Rückkehrer wird nicht berichtet. Dies gilt auch für bereits in Italien anerkannte Flüchtlinge.
Das Gericht schließt sich deshalb der Beurteilung des EGMR und der im Folgenden zitierten Rechtsprechung an, die infolge der umfassenden Auswertung der vorliegenden auch aktuellen Erkenntnismittel zu dem Ergebnis gekommen ist, dass zwar in einigen Bereichen, an einigen Orten insbesondere infolge des Eintreffens von Flüchtlingswellen immer wieder Mängel insbesondere bei der Unterbringung von Asylbewerbern zu verzeichnen sind, diese jedoch nicht den Grad bzw. Umfang von systemischen Mängeln aufweisen. Der EGMR hat in seinem Beschluss vom 2. April 2013 (a.a.O.) hierzu ausgeführt:
"Unter Berücksichtigung der Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsinstitutionen und -organisationen über die Aufnahmeprogramme für Asylbewerber in Italien, kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die allgemeine Situation und die Lebensbedingungen in Italien für Asylbewerber, anerkannte Flüchtlinge und Ausländer, die aus Gründen des internationalen Schutzes oder zu humanitären Zwecken eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, einige Mängel aufweisen mag, dass die vorliegenden Materialien jedoch kein systemisches Versagen der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für Asylbewerber als Mitglieder einer besonders schutzbedürftigen Personengruppe aufzeigen, wie es im Fall M.S.S. gegen Belgien und Griechenland der Fall war. Berichte des UNHCR und des Menschrechtskommissars weisen auf jüngste Verbesserungen der Situation hin, mit dem Ziel der Mängelbeseitigung; alle Berichte zeigen übereinstimmend und ausführlich die Existenz ausgearbeiteter Strukturen von Einrichtungen und Hilfsmaßnahmen, die auf die Bedürfnisse der Asylbewerber zugeschnitten sind. (…) Vor diesem Hintergrund kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass die Bf. nicht aufgezeigt hat, dass ihr im Fall einer Rückkehr nach Italien aus wirtschaftlicher, gesundheitlicher oder psychologischer Sicht ein tatsächliches und dringliches Härtefallrisiko droht, das schwer genug wiegen würde, um von Art. 3 EMRK erfasst zu werden."
Der EGMR, dessen Rechtsprechung für die Auslegung der EMRK auch über den jeweilig entschiedenen Fall hinaus eine Orientierungs- und Leitfunktion hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2333/08 -, u.a., BVerwGE 128 S. 326 und juris; BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 - C 3/12 -, NVwZ 2013, S. 1087 und juris), hat seine Rechtsauffassung über die Einschätzung der Situation der Asylsuchenden in Italien durch die Entscheidung vom 10. September 2013 (Nr. 2314/10, HUDOC) ausdrücklich bestätigt.
Dieser Einschätzung schließt sich das Gericht mit einer Vielzahl weiterer Gerichte an: [...]
Die Entscheidungen der Obergerichte der Länder Baden-Württemberg, Nordrhein- Westfalen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz beleuchten dabei insbesondere detailliert die Zugangsmöglichkeiten zum Asylverfahren sowie dessen Dauer und Qualität, die Aufnahme- und Unterbringungsmöglichkeiten und -kapazitäten, die Sicherung der übrigen Grundbedürfnisse (u.a. Schutz vor Gewalt; hygienische Verhältnisse) und den Zugang zu medizinischer Versorgung. Sie weisen für die Zukunft darauf hin, dass der italienische Staat - wie schon das Notprogramm 2011 gezeigt habe - bemüht sei, Kapazitäten für den Zeitraum 2014 bis 2016 zu schaffen, und dass er ein verbessertes Computersystem (Vestanet) eingeführt habe.
Die Rechtsprechung der Gerichte, die eine Überstellung nach Italien für unzulässig halten, überzeugt das Gericht nicht. Sie nehmen entweder eine Interessenabwägung zu Gunsten der Asylbewerber allein aufgrund der Tatsache vor, dass der EGMR zur in Rede stehenden Frage der Situation in Italien die Große Kammer angerufen hat (VG Hannover, Beschluss vom 2. April 2014 - 4 B 8151/13 -, V.n.b.) oder bewerten die Lage aufgrund einzelner kritischer Äußerungen als offen (VG Aachen, Beschluss vom 18. Februar 2014 - 9 L 96/14.A -, juris), beruhen nicht auf der Auswertung der neuesten Erkenntnismittel und Entscheidungen, insbesondere des EGMR vom 10. September 2013 (VG Stuttgart, Beschluss vom 2. Juli 2012 - A 7 K 1877/12 -, InfAuslR 2012, S. 339 u. juris; VG Köln, Urteil vom 20. Februar 2014 - 20 K 2681/13.A - unter Bezugnahme auf das eigene Urteil vom 7. Mai 2013 - 20 L 613/13.A -, juris; VG Gießen, Urteil vom 25. November 2013 - 1 K 844/11.GI.A -, juris; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 9. Juli 2013 - 7 K 560/11.F.A -, juris; VG Stade, Beschluss vom 10. Februar 2014 - 6 B 123/14 – V.n.b. unter Bezugnahme auf ein eigenes Urteil vom 10. Dezember 2013 - 6 A 1730/12 - V.n.b., welches wiederum auf eine nicht aktuelle Entscheidung des VG Braunschweig Bezug nimmt mit entsprechend älteren Erkenntnismitteln; ebenso VG Braunschweig, Beschluss vom 27. Januar 2014 - 7 B 20/14 - V.n.b.) oder stellen in erster Linie auf die Fälle besonders schutzwürdiger Personen ab (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 5. März 2014 - 7 a L 180/14.A -, juris; VG Gießen, a.a.O.). Gegenüber der oben genannten Rechtsprechung, die aufgrund einer umfassenden Abwägung zu einer Einschätzung der Lage in Italien kommt, beleuchten diese Entscheidungen nach Auffassung des Gerichts nur Teilaspekte.
Das Gericht hält an seiner Rechtsprechung grundsätzlich weiterhin fest. Der UNHCR verweist allerdings in Hinweisen vom Juni/Juli 2014 auf die im Vergleich zu den Vorjahren wieder angestiegene Zahl der Asylsuchenden in Italien im Jahr 2014. Bereits im Juni 2014 sei die Rekordzahl von 2013 erreicht worden. Es wird darauf hingewiesen, dass die italienischen Behörden Flüchtlinge in Parkhäusern außerhalb von Rom und Mailand, teilweise ohne Nahrungsmittel unterbringen würden. Der UNHCR bitte die EU, Italien bei der Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge zu helfen. Systemische Mängel des Aufnahmeverfahrens lassen sich aus diesen Hinweisen aber nicht ableiten. Dies gilt auch für die Stellungnahme des SFH vom 4. August 2014. Diese betrifft die Bewegungsfreiheit in Italien für mittellose Personen mit Schutzstatus. Zum Personenkreis der besonders Schutzberechtigten dürften auch Familien mit Säuglingen und Kleinkindern gehören. Der EGMR hält in seiner Entscheidung vom 4. November 2014 (Nr. 29217/12, HUDOC) Art. 3 EMRK im Falle der Überstellung von Personen mit besonderen Bedürfnissen - hier einer Familie mit sechs zum Teil kleinen Kindern - angesichts der Berichte in verschiedenen Erkenntnismitteln über immer wieder auftretende Aufnahmeengpässe in Italien für verletzt, wenn nicht zuvor Unterbringung und für die Bedürfnisse der Person ausreichende Lebensbedingungen sichergestellt sind. Eine solche Sicherstellung fordert für den Fall der Überstellung von Familien mit Neugeborenen oder Kleinstkindern nach Italien auch das Bundesverfassungsgericht (Beschlüsse vom 17. September 2014 – 2 BvR 1795/14 und 2 BvR 939/14 -, BeckRS 2014, 56447 und 56448). Zu einer besonders gefährdeten Personengruppe gehört der Antragsteller als im Jahre 1977 Geborener und Lediger nicht.
Die Abschiebung kann aber dennoch wegen in seiner Person liegender entgegenstehender Hindernisse nicht durchgeführt werden: [...]
Bestünden etwa aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für Kapazitätsengpässe bei der Unterbringung und Versorgung rückgeführter Ausländer im zuständigen Mitgliedsstaat, habe das Bundesamt dem angemessen Rechnung zu tragen. [...]
So liegt es auch im vorliegenden Fall. Der Abschiebung stehen derzeit aller Voraussicht nach inlandsbezogene Abschiebungshindernisse entgegen. Der Antragsteller ist schwer erkrankt und ist suizidgefährdet. Er gab zunächst "lediglich" an, "(offenbar) an einer neurologischen Erkrankung" zu leiden. Der ihm behandelnde Arzt diagnostizierte "unklare Kribbelparästhesien der rechten Körperhälfte mit leichten Koordinationsstörungen" und verwies den Antragsteller an einen Facharzt für Neurologie (Überweisungsschein vom …). In einem ärztlichen Attest vom … führt die Fachärztin für Allgemeinmedizin an: [...]
"Herr K. leidet an einer mittelschweren bis schweren Episode einer Depression [...]
Herr K. ist suizidgefährdet.
In dieser Lebenssituation ist eine stabile äußere Lebensmöglichkeit dringend erforderlich.
Eine Abschiebung würde höchstwahrscheinlich suizidale Folgen haben.
Herr K. braucht dringend psychotherapeutische Unterstützung.“
Ergänzend trägt der Antragsteller vor, dass ein Attest oder eine Diagnose von einem Psychiater/ Psychotherapeuten nicht vorgelegt werden könne. Diese seien "ausgelastet". Einen weiteren Überweisungsschein vom … lege er vor.
Zu den vorgelegten Attesten führt die Antragsgegnerin an, dass diese nicht von einem Facharzt für psychische Erkrankungen ausgestellt worden seien. Die in den Attesten angegebene Diagnose beruhte allein auf den Angaben des Antragstellers. Ihnen komme kein Beweiswert zu, weil sie den Mindestanforderungen für ärztliche Stellungnahmen nicht genügten.
Dem Vorbringen der Antragsgegnerin ist zuzustimmen, soweit es in der Weise zu verstehen ist, dass der Antragsteller mit seinen Behauptungen und der Vorlage der von Allgemeinmedizinern ausgestellten Atteste eine psychische Erkrankung nicht nachgewiesen hat. Gerade wegen der Unschärfen des Krankheitsbildes einer psychischen Erkrankung und der vielfältigen Symptome muss grundsätzlich hierfür ein fachärztliches Attest vorgelegt werden, aus dem sich nachvollziehbar ergeben muss, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006 – 1 B 91/05 -, NVwZ 2007, 346; Beschluss vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 -, BVerwGE 129, 251). Die Diagnose der Allgemeinmedizinerin im vorliegenden Fall beruht ersichtlich lediglich auf den eigenen Angaben des Antragstellers. Eine ausführliche Anamnese, schon gar eines Facharztes, hat nicht stattgefunden. Auch die im Attest vom … angeführte prognostische Diagnose einer Suizidgefährdung ist nicht durch Umstände belegt, auf denen die Beurteilung beruht. Den Gerichten ist es zwar regelmäßig verwehrt, eigene medizinische Bewertungen, etwa zur Schwere zum Ausmaß einer Erkrankung vorzunehmen, ohne die hierfür erforderliche Sachkunde zu besitzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. März 2006, a.a.O.). Da das Gericht die Behauptungen eines Antragstellers aber jeweils im Einzelfall zu überprüfen hat, dürfen auch Mindestanforderungen an die Verwertbarkeit ärztlicher Stellungnahmen gestellt werden. Aus den vom Betroffenen jeweils vorgelegten Attesten, Stellungnahmen oder anderen "Privatgutachten" muss sich nachvollziehbar ergeben, aus welcher Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgt ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegungen und den Beweiswert der Äußerungen und der vorgelegten Unterlagen nicht überspannt, andererseits aber auch nicht negiert werden. Mutmaßungen, Spekulationen, Hinweise auf das Verhalten anderer Antragsteller wie auch bloße Behauptungen oder Gegenbehauptungen reichen nicht aus. Der Maßstab der Anforderungen richtet sich vielmehr wie in allen verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach den formellen und materiellen Voraussetzungen der den Entscheidungen zugrundeliegenden Gesetzen, hier zusätzlich u.a. des Asylverfahrensgesetzes und der Dublin-VO. Auch in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren können im Rahmen der auch hier geltenden Amtsermittlungspflicht grundsätzlich Aufklärungspflichten erforderlich sein. Grenzen liegen in den Umständen, die in der Sphäre des Betroffenen liegen und die deshalb seiner besonderen Mitwirkung bedürfen. In einem Klageverfahren wird das Gericht auf entsprechende Behauptungen eines Klägers, bei ihm liege eine psychische Erkrankung oder eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vor, an die Vorlage eines fachärztlichen Gutachtens Mindestanforderungen stellen, um im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes oder auf entsprechenden Beweisantrag ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ein entsprechend gestellter Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erkrankung an einer PTBS darf jedenfalls nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, dass der Betroffene diese Erkrankung "nicht glaubhaft gemacht" habe. Denn eine Pflicht zur Glaubhaftmachung, etwa i.S. von § ZPO § 294 ZPO, besteht für die Beteiligten in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess regelmäßig ebenso wenig wie eine Beweisführungspflicht. Liegen aber Anhaltspunkte vor, dass die Behauptung der psychischen Erkrankung mit einhergehender Suizidgefahr willkürlich aufgestellt oder aus der Luft gegriffen ist, besteht kein Anlass für weitere Ermittlungen oder eine Beweiserhebung (BVerwG, Beschluss vom 11. September 2007, a.a.O.).
Auch in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren, in welchem nicht allein die Reiseunfähigkeit im engeren Sinn zu prüfen ist, sondern auch, ob die Abschiebung als solche außerhalb des Transportvorganges eine erhebliche konkrete Gesundheitsgefahr für den Ausländer bewirkt, muss der Betroffene an der Erforschung des Sachverhalts mitwirken. Das gilt im besonderen Maße für die Umstände, die in seiner Sphäre liegen. Allerdings muss dem Betroffenen in diesem Verfahren auch die Möglichkeit offen stehen, seine Behauptungen durch Vorlage ärztlicher Begutachtungen zu substantiieren und zu untermauern. Flüchtlinge, die sich im Überstellungsverfahren befinden, haben aber nur einen eingeschränkten Anspruch auf medizinische Leistungen. Nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz werden die erforderlichen ärztlichen Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände gewährt. Gerade bei psychischen Erkrankungen ist die Versorgung durch Fachärzte, Psychiater oder Psychotherapeuten wegen der Wartezeiten auf eine Behandlungsmöglichkeit zusätzlich eingeschränkt. Drängt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls, zu denen nicht allein die bloßen Behauptungen einer Erkrankung gehören, die Einholung eines Sachverständigengutachtens im gerichtlichen Verfahren auf, überwiegt das Aussetzungsinteresse des betroffenen Antragstellers. Bliebe diesem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage versagt, wäre er der möglichen konkreten Gesundheitsgefahr ausgesetzt. Die damit verbundenen nicht auszuschließenden physischen und psychischen Beeinträchtigungen, die grundrechtliche Positionen betreffen, wären im Falle einer erfolgreichen Klage und dem damit verbundenen Recht auf Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland auch nicht rückgängig zu machen. Diese Beeinträchtigungen des Betroffenen wiegen schwerer als der Aufschub oder auch der Ausfall der Durchsetzung einer Überstellung in den an sich zuständigen Mitgliedsstaat im Falle der Stattgabe des Antrages und späterer Klageabweisung. Die grundsätzliche Wirksamkeit und Effektivität des gemeinsamen europäischen Asylsystems wird durch eine sich im Nachhinein als falsch herausstellende Unterbindung einer Überstellung im Einzelfall nicht in Frage gestellt, zumal die Dublin-Verordnungen ein Recht zum jederzeitigen Selbsteintritt der Mitgliedstaaten vorsehen und eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zur Überstellung nicht besteht.
Im vorliegenden Verfahren weist der Antragsteller auf Abschiebungshindernisse hin, die sich aus seiner Erkrankung und der nicht ordnungsgemäßen Behandlung und der Suizidgefahr im Falle einer Überstellung ergeben. In dem ärztlichen Attest vom … führt die Fachärztin für Allgemeinmedizin einzelne oben genannte Krankheitssymptome an und schließt ab mit der Wertung, dass der Antragsteller dringend psychotherapeutischer Unterstützung bedürfe. Ob dies tatsächlich der Fall ist, lässt sich nicht ohne weitere Aufklärung einschätzen. Das Gericht verfügt nicht über die erforderliche Sachkunde, die Suizidgefahr einschätzen zu können. Anhaltspunkte, dass der Antragsteller die Behauptungen ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich aufgestellt hat und die Ärztin eine bloße Gefälligkeitsbescheinigung ausgestellt hat, bestehen nicht. Das gilt sowohl für die Ärztin, die das ärztliche Attest vom … ausgestellt, wie auch für den Facharzt für Allgemeinmedizin, der den Überweisungsschein vom … ausgestellt hat. Damit diagnostizieren bereits zwei Ärzte eine Erkrankung, die fachärztlicher Begutachtung bedarf. Der Antragsteller ist aus den vorgetragenen nachvollziehbaren Gründen auch nicht in der Lage, im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren weitere Atteste oder Gutachten von Fachärzten vorzulegen.
Angesichts dieser Situation sind die möglichen Gesundheitsverfahren bei einer Überstellung zu beachten. Sie müssen durch notwendige Vorkehrungen abgewehrt werden.
Dass eine solche Abwehr während und nach der Überstellung nach Italien erfolgen kann, ist derzeit nicht absehbar. In den dem Gericht vorliegenden aktuellen Erkenntnismitteln wird von Problemen der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Italien berichtet, die auch die Rückkehrer aus Mitgliedsstaaten betreffen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bericht vom Oktober 2013; AIDA, National Country Report Italy, April 2014).
Damit ist nicht sichergestellt, dass eine mögliche konkrete Gesundheitsgefährdung des Antragstellers ausgeschlossen ist. Der Abschiebung des Antragstellers stehen damit derzeit der Schutz der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG entgegen. [...]