VG Schwerin

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Zitieren als:
VG Schwerin, Beschluss vom 27.03.2015 - 3 B 236/15 As - asyl.net: M22853
https://www.asyl.net/rsdb/M22853
Leitsatz:

Bei summarischer Wertung sprechen durchgreifende Gesichtspunkte dafür, dass das Asylverfahren in Rumänien und die Unterbringung von Asylbewerbern durch Rumänien mit systemischen (systemimmanenten) Mängeln belastet sind und Rumänien daher nicht in der Lage ist, ein den Anforderungen an europäisches Recht genügendes Asylverfahren durchzuführen. Es gibt durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass überstellte Asylbewerber in Rumänien tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCH) bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgesetzt zu werden.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Rumänien, systemische Mängel, Dublinverfahren, erniedrigende Behandlung, unmenschliche Behandlung,
Normen: GR-Charta Art. 4, EMRK Art. 3, AsylVfG § 27a,
Auszüge:

[...]

b) Der Antragsteller hat unter Berufung auf eine Studie von pro asyl (Flüchtlinge im Labyrinth, S. 23) vorgetragen, dass die Verhältnisse in Rumänien nicht den unionsrechtlichen Maßstäben entspricht. Bei summarischer Wertung sprechen durchgreifende Gesichtspunkte dafür, dass das Asylverfahren in Rumänien und die Unterbringung von Asylbewerbern durch Rumänien mit systemischen (systemimmanenten) Mängeln belastet sind und Rumänien daher nicht in der Lage ist, ein den Anforderungen an europäisches Recht genügendes Asylverfahren durchzuführen. Es gibt durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass überstellte Asylbewerber in Rumänien tatsächlich Gefahr laufen, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCH) bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgesetzt zu werden (grundlegend dazu BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6/14 –, juris; EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 und C-493/10, C-411/10, C-493/10 –, juris; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Beschluss vom 02. April 2013 – 27725/10 –, juris; vgl. auch VG Schwerin, Beschluss vom 15. März 2013 – 3 B 111/13 As –, juris Rn. 17 ff. und Beschluss vom 13. November 2013 – 3 B 315/13 As –, juris Rn. 14 ff. je m.w.N. - jeweils betreffend die Republiken Griechenland bzw. Italien).

Im Verfahren 3 B 82/15 As haben die dortigen Antragsteller (eine Familie mit dreijährigen Drillingen) in einem Erörterungstermin insbesondere substantiiert ausgeführt, dass lediglich zwei Gutscheine im Wert von 100 Lei (= 22,47 €) für einen Monat ausgegeben worden sind. Davon haben sie jeweils für eine Woche Lebensmittel kaufen können. Diese Angaben werden bestätigt durch das UNHCR (vgl. DUBLIN II Regulation National Report Romania 2012, S. 39. www.google.de/url NGTTjlXHJog0TgqG3Pa_wK7s7CXJQ&bvm=bv.89217033,d.ZWU), wonach Asylbewerber umgerechnet 30 US-Dollar im Monat erhalten. Dies dürfte nach Einschätzung des Gerichts völlig unzureichend sein (vgl. auch VG Braunschweig, Beschluss vom 29. November 2013 – 7 B 215/13 -, S. 2 ff. m.w.N.).

Weiter haben die Antragsteller jenes Verfahrens glaubhaft vorgetragen, dass sie trotz kalter Jahreszeit in unbeheizten Räumen wohnen mussten und etwa medizinisch nicht ausreichend versorgt worden seien. Die Kinder (Antragsteller zu 3 bis 5) hätten (infolgedessen) die gesamte Zeit unter Durchfall gelitten, ohne dass dies sachgerecht behandelt worden wäre. Diese Gesichtspunkte und etwa die Frage, ob in Rumänien Anhörungen mit Dolmetscher durchgeführt werden, sind im Hauptsacheverfahren zu klären. [...]