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VG Potsdam

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Zitieren als:
VG Potsdam, Beschluss vom 30.04.2015 - 6 L 375/15.A - asyl.net: M22879
https://www.asyl.net/rsdb/M22879
Leitsatz:

Eilrechtsschutz für eine begehrte Duldung nach Stellen eines Folgeantrags ist gegen die Ausländerbehörde zu suchen.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Duldung, Ausländerbehörde, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, einstweilige Anordnung, Zuständigkeit, sachliche Zuständigkeit, Asylfolgeantrag, Abschiebungsandrohung, Abschiebungshindernis, inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis,
Normen: VwGO § 123 Abs. 1 S. 2, AsylVfG § 71, AsylVfG § 71 Abs. 1, AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 1, AufenthG § 60a, AufenthG § 60a Abs. 2, AsylVfG § 34a,
Auszüge:

[...]

Der auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO gerichtete Eilantrag der Antragsteller ist nicht statthaft. Es gibt keine Handhabe, das Bundesamt in der von den Antragstellern gewünschten Weise einstweilen zu verpflichten, da es sich vorliegend in Wahrheit um eine ausschließlich aufenthaltsrechtliche Angelegenheit in der Zuständigkeit der Ausländerbehörde, nicht um eine asylrechtliche Streitigkeit in der Kompetenz des Bundesamts handelt, und weil das Gericht jedenfalls derzeit nicht zur indirekt offenbar gewünschten Entscheidung über die Folgeanträge berufen ist.

Mit Blick auf eine sachliche Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der von Rechts wegen als Folgeanträge i.S.v. § 71 Abs. 1 AsylVfG zu behandelnden Wiederaufgreifensanträge vom 30. Dezember 2014 fehlt es zumindest an einem entsprechenden Klageverfahren, das nach Lage der Dinge allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) in Betracht kommen könnte und dessen Voraussetzungen weder ersichtlich vorliegen noch gar glaubhaft gemacht worden sind. Liegt aber keine auf die Zuerkennung des beanspruchten Abschiebungsverbots abzielende Klage vor, vermag das Gericht auch nicht vorläufig einen entsprechenden rechtlichen Status bis zu einer gerichtlichen Entscheidung zuzuerkennen.

Darüber hinaus fehlt dem Bundesamt die Zuständigkeit für die von den Antragstellern der Sache nach beanspruchte (aufenthaltsrechtlichen) Duldung und kann das Bundesamt insoweit auch nicht vorübergehend zu einer ihm nicht zustehenden Statusgewährung verpflichtet werden.

Löst ein Asylantrag (§ 13 Abs. 1, 2 AsylVfG) nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG zur Durchführung des Asylverfahrens eine Aufenthaltsgestattung aus, so fehlt bei Folgeanträgen (§ 71 Abs. 1 AsylVfG) - wie hier - eine entsprechende gesetzliche Regelung. Vielmehr gilt grundsätzlich eine nach Stellung des früheren Asylverfahrens ergangene vollziehbare Abschiebungsandrohung oder -anordnung fort (§ 71 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG), die indes gem. § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG erst nach einer Mitteilung des Bundesamts vollzogen werden darf, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorliegen, es sei denn, der Ausländer soll in einen sicheren Drittstaat abgeschoben werden.

Dies bedeutet, dass die Antragsteller wegen der am 30. Dezember 2014 angebrachten Folgeanträge bis zur Klärung durch das Bundesamt, ob Wiederaufgreifensgründe (§ 51 Abs. 1 - 3 VwVfG) vorliegen, aus Rechtsgründen (§ 71 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG) nicht auf der Grundlage der früheren, auf Serbien - und damit nicht auf einen sicheren Drittstaat (Art. 16a Abs. 2 GG) - weisenden Abschiebungsandrohungen in den Bescheiden vom 14. bzw. 28. Oktober 2014 abgeschoben werden können, was wiederum die Duldungsvoraussetzungen nach § 60a Abs. 2 AufenthG erfüllt. Für die Erteilung einer Duldung ist aber die Ausländerbehörde zuständig (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).

Soweit die hier zuständige Ausländerbehörde vermeinen sollte, in Anknüpfung an die im Schreiben vom 16. Februar 2015 zitierte Rechtsprechung keine Kompetenz für die Erteilung einer Duldung zu besitzen, unterliegt sie einem Irrtum: bei der dort vom Bundesverfassungsgericht behandelten Sache ging es um ein sicherer Drittstaat-Verfahren und eine Bundesamtsentscheidung auf der Grundlage von §§ 26a, 34a AsylVfG, und das Bundesverfassungsgericht hat sich - in Übereinstimmung mit der einhelligen übrigen Rechtsprechung - dazu verhalten, dass das Bundesamt in solchen Fallgestaltungen sowohl zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse als auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Vollzugshindernisse zu prüfen habe, so dass daneben für eine eigene Entscheidungskompetenz der Ausländerbehörde zur Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG kein Raum verbleibt. Demgegenüber liegt im Fall der hiesigen Antragsteller eine frühere Abschiebungsandrohung nach § 34 AsylVfG vor, deren Vollstreckung allein Aufgabe der Ausländerbehörde ist, so dass die Ausländerbehörde auch dazu berufen ist, unter diesen Umständen die von einer asylrechtlichen Folgeantragstellung gezeitigte aufenthaltsrechtliche Konsequenz zu ziehen.

Demzufolge kommt ein auf Erteilung einer Duldung zielender Rechtsschutzantrag der Antragsteller nur gegenüber der Ausländerbehörde in Betracht. [...]