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Zitieren als:
BGH, Beschluss vom 12.03.2015 - V ZB 197/14 (ASYLMAGAZIN 7-8/2015, S. 275 f.) - asyl.net: M22884
https://www.asyl.net/rsdb/M22884
Leitsatz:

Nach dem rechtskräftigen Abschluss eines gegen den Ausländer gerichteten Strafverfahrens bedarf es für die Abschiebung nicht mehr des Einvernehmens der Staatsanwaltschaft im Sinne von § 72 Abs. 4 AufenthG; aus § 456a StPO ergibt sich nichts anderes.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung, Strafverfahren, Verurteilung,
Normen: AufenthG § 72 Abs. 4, StPO § 456a,
Auszüge:

[...]

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war der Haftantrag zulässig. Insbesondere bedurfte es keiner Ausführungen zu dem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft (§ 72 Abs. 4 AufenthG).

a) Das gegen den Betroffenen gerichtete Strafverfahren war bereits vor der Anordnung der Abschiebungshaft mit der rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe beendet worden. Da § 72 Abs. 4 AufenthG auf die Erhebung der öffentlichen Klage und die Einleitung des Ermittlungsverfahrens Bezug nimmt, ist das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nur bis zu dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens erforderlich. Dies soll gewährleisten, dass Strafverfahren abgeschlossen werden können, bei denen das öffentliche Strafverfolgungsinteresse das Interesse an der sofortigen Ab- oder Zurückschiebung überwiegt (vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 2011 - V ZB 202/10, FGPrax 2011, 146 Rn. 22).

b) Nach diesem Zeitpunkt bedarf es des Einvernehmens nicht mehr. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 456a StPO - nunmehr allerdings als Vollstreckungsbehörde (§ 451 StPO) - von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, einer Ersatzfreiheitsstrafe oder einer Maßregel der Besserung und Sicherung unter anderem dann absehen, wenn der Verurteilte aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wird. Dies ist jedoch von dem in § 72 Abs. 4 AufenthG geregelten Einvernehmen zu unterscheiden. Während einer laufenden Vollstreckung setzt die Abschiebung notwendigerweise voraus, dass die Vollstreckungsbehörde beteiligt wird und von der weiteren Vollstreckung absieht. Ungeachtet dessen kann Abschiebungshaft parallel zu der Strafhaft angeordnet werden, wenn deren formelle und materielle Voraussetzungen vorliegen (Senat, Beschluss vom 4. Dezember 2014 - V ZB 77/14 Rn. 7 f., juris, vorgesehen zum Abdruck in BGHZ). Dass die Vollstreckungsbehörde erklärt, von der weiteren Vollstreckung nicht abzusehen, kann der Anordnung von Abschiebungshaft nur unter dem Gesichtspunkt der Undurchführbarkeit der Abschiebung innerhalb der nächsten drei Monate entgegenstehen (vgl. § 62 Abs. 3 Satz 4 AufenthG).

c) Wird - wie hier - die Strafhaft im Zeitpunkt der Anordnung der Abschiebungshaft nicht (mehr) vollstreckt, weil der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt worden ist, oder wird von vornherein eine Bewährungsstrafe verhängt, muss die Vollstreckungsbehörde ohnehin nicht beteiligt werden, und zwar auch dann nicht, wenn Gründe für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vorliegen. Die gegenteilige Auffassung der Rechtsbeschwerde findet keine Grundlage im Gesetz. [...]