Zur Verletzung rechtlichen Gehörs durch nicht ordnungsgemäße Einbeziehung dem Urteil zugrundegelegter anderweitiger Entscheidungen.
(Amtlicher Leitsatz)
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rechtfertigt die Zulassung nicht, wenn auszuschließen ist, dass bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs eine den Klägern günstigere Entscheidung ergangen wäre.
[...]
Die Kläger machen einen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs und damit einen Verfahrensfehler im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO geltend. Mit dieser Rüge können sie eine Zulassung der Berufung indes letztlich nicht erreichen.
Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass ein Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweismittel (einschließlich Presseberichte und Behördenauskünfte) gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verpflichtung zur sach- und zweckgerichteten Gehörsgewährung kann insbesondere nicht mit der Erwägung bestritten werden, das Urteil beruhe auf einer wertenden Erkenntnis und auf einer Überzeugungsbildung, die keines Nachweises und keiner weiteren Darlegung bedürfe; denn nur bei Offenlegung der Erkenntnis - quellen über die der Entscheidungsfindung zugrunde gelegten tatsächlichen Umstände wird den Beteiligten eine effektive Prozessführung ermöglicht und die Gelegenheit eröffnet, durch Vortrag und Anträge auf die Zusammensetzung des Quellenmaterials Einfluss zu nehmen. Hieraus folgt im gerichtlichen Asylverfahren grundsätzlich die Pflicht des Gerichts, die Erkenntnismittel, auf die es seine Entscheidung zu stützen beabsichtigt, in einer Weise zu bezeichnen und in das Verfahren einzuführen, die es den Verfahrensbeteiligten ermöglicht, diese zur Kenntnis zu nehmen und sich zu ihnen zu äußern. Lediglich auf offenkundige Tatsachen, die allen Beteiligten gegenwärtig sind und von denen sie wissen, dass sie für die Entscheidung erheblich sein können, darf die Entscheidung auch ohne ausdrücklichen Hinweis gestützt werden. Für eine Einführung in das Verfahren reicht es dabei grundsätzlich aus, dass das Gericht den Beteiligten eine Liste der betreffenden Erkenntnismittel übersendet (vgl. Berlit in GK-AsylVfG, § 78, Rdnrn. 322 f., 329, 332, Loseblatt, Stand: April 1998; m. zahlr. Nachw. aus der Rechtspr.). Darüber hinaus ist es zulässig, Erkenntnismittel in der Weise in das gerichtliche Verfahren einzuführen, dass die vom Gericht geführte Erkenntnismittelliste auf einer allgemein zugänglichen, den Beteiligten bekannten Internetseite veröffentlicht wird und denjenigen, die nicht über einen Internetzugang verfügen bzw. diesen nicht nutzen wollen, die Liste auf Anforderung gesondert zugeleitet und gleichzeitig angegeben wird, dass und wie die darin aufgeführten Erkenntnismittel beim Gericht eingesehen werden können (vgl. Senatsbeschl. v. 11. Dezember 2012 - 13 LA 184/12 -; v. 18. Mai 2011 - 13 LA 212/12 -; Beschl. des 8. Senats des Nds. OVG v. 26. Oktober 2004 - 8 LA 146/04 -, NVwZ 2005, 605). Zu den ordnungsgemäß in das Verfahren einzuführenden Erkenntnismittel sind auch andere Gerichtsentscheidungen zu rechnen, sofern sie nicht allein wegen ihrer rechtlichen Schlussfolgerungen, sondern (auch) im Hinblick auf ihre tatsächlichen Feststellungen zur Begründung herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 8. Februar 1983 - 9 C 847.82 -, juris, Rdnr. 8; Marx, AsylVfG, 7. Aufl. 2009, § 78, Rdnr. 729).
Im vorliegenden Fall sind das in den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung zitierte Urteil des BayVGH vom 17. April 2012 - 11 B 11.30469 - sowie die Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 2007 - 13 LA 67/06 -, vom 26. Februar 2009 - 13 LA 175/08 - und vom 23. Juni 2011 - 13 LA 16/10 - vom Verwaltungsgericht nicht in das Verfahren eingeführt worden. Sie sind weder in die übersandte Erkenntnismittelliste aufgenommen noch auf andere Weise zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Das ist im Ergebnis jedoch unschädlich und begründet keinen Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs. Aus dem Begriff des rechtlichen Gehörs selbst folgt, dass Gehör grundsätzlich nur zu entscheidungserheblichem Tatsachenstoff zu gewähren ist. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs rechtfertigt die Zulassung daher nicht, wenn - nach Maßgabe der Rechtsmeinung des erkennenden Ausgangsgerichts - auszuschließen ist, dass bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs eine den Klägern günstigere Entscheidung ergangen wäre (vgl. Berlit, a.a.O., Rdnr. 272 m.w.N.). Daraus ergibt sich, dass gegen sämtliche selbständig tragenden Begründungen der angefochtenen Entscheidung Zulassungsgründe im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylVfG dargelegt worden sein und vorliegen müssen (vgl. Marx, a.a.O., Rdnrn. 411 ff. m.w.N.). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. [...]