VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 03.06.2015 - 3 A 7/14 - asyl.net: M22958
https://www.asyl.net/rsdb/M22958
Leitsatz:

Ein Dublinverfahren findet nicht statt, wenn in einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits ein subsidiärer Schutzstatus zuerkannt wurde.

Eine Abschiebungsanordnung nach §§ 27a, 34a AsylVfG kann nicht in eine Abschiebungsandrohung nach §§ 29, 35 AsylVfG umgedeutet werden, wenn die Dreimonatsfrist nach § 29 Abs. 2 AsylVfG bereits abgelaufen ist.

Schlagwörter: Dublinverfahren, Umdeutung, Drittstaatenregelung, subsidiärer Schutz, Abschiebungsanordnung, Drei-Monats-Frist, Italien, Drittstaatenregelung, sichere Drittstaaten,
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a, AsylVfG § 35, AsylVfG § 29 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

In der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur (OVG Hamburg, Beschluss vom 02.02.2015 - 1 Bf 208/14.AZ -, juris, Rn. 12; Nds. OVG, Beschluss vom 06.11.2014, - 13 LA 66/14 -, juris, Rn. 6 f.; VGH BW, Urteil vom 16.04.2014, - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014, - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 28 ff.; Bay VGH, Urteil vom 28.02.2014, - 13a B 13.30295 -, juris, Rn. 21 ff.; OVG Magdeburg, Urteil vom 02.10.2013, 3 L 643/12, juris, Rn. 21 ff.; Funke-Kaiser, GK AsylVfG, Stand Juni 2014, II - § 34a Rn. 64; Renner-Bergmann, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 34a AsylVfG Rn. 6) ist hinreichend geklärt, dass gegen einen Bescheid der Beklagten, worin das Bundesamt einen Asylantrag nach § 27a AsylVfG als unzulässig ablehnt und eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG erlässt, die isolierte Anfechtungsklage statthaft ist; dies gilt auch, wenn ein Zweitantrag nach § 71a Abs. 1 AsylVfG vorliegt. Dem schließt sich der Einzelrichter an (so bereits Urteil vom 23.02.2015 - 3 A 76/14 -).

Die zulässige Klage ist auch begründet. Im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ist der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 06.01.2014 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Hinsichtlich der Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides trifft zwar zu, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Durchführung des Asylverfahrens hat. Dies hat seinen Grund jedoch nicht in der vom Bundesamt angenommenen Zuständigkeit Italiens für dieses Verwaltungsverfahren gemäß § 27a AsylVfG; vielmehr ist sein Asylantrag unzulässig, weil der Kläger aus Italien als einem sicheren Drittstaat gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG in die Bundesrepublik eingereist ist. Der Kläger hat auch offensichtlich keinen Anspruch auf einen subsidiären Schutzstatus, weil ihm dieser nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten bereits in Italien zuerkannt worden ist; ein dennoch gestellter Antrag ist unzulässig, für die Feststellung von nationalem Abschiebungsschutz fehlt das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.06.2014 - 10 C 7.13 -, juris). Für eine Umdeutung der Ziffer 1. durch das Gericht ist kein Raum, da die Beklagte eine Änderung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich abgelehnt hat.

Die auf der Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ergangene Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheides ist rechtswidrig und wird ebenfalls aufgehoben. Eine Abschiebungsanordnung nach Italien als zuständigem Staat gemäß § 34a Abs. 1 i.V.m. § 27a AsylVfG kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil - wie auch die Beklagte einräumt - das Dublin-Verfahren aufgrund der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus in Italien gar nicht anwendbar ist.

Derartige Fallgestaltungen unterfallen vielmehr §§ 29, 35 AsylVfG. Gemäß § 29 AsylVfG ist ein Asylantrag unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass der Ausländer bereits in einem sonstigen Drittstaat - hier: Italien - vor politischer Verfolgung sicher war und die Rückführung in diesen Staat oder in einen anderen Staat, in dem er vor politischer Verfolgung sicher ist, möglich ist. In diesen Fällen ergeht eine Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylVfG bezogen auf den Staat, in dem der Ausländer vor Verfolgung sicher ist. Ob eine Umdeutung einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG in eine Abschiebungsandrohung nach § 35 AsylVfG zulässig wäre, ist zweifelhaft. Hier scheidet eine Umdeutung jedenfalls aus, weil die Dreimonatsfrist des § 29 Abs. 2 AsylVfG für die Rückführung abgelaufen ist und das Bundesamt weder eine Grundentscheidung nach § 29 AsylVfG getroffen hat, noch die gemäß § 31 Abs. 3 AsylVfG erforderlichen Entscheidungen über die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 AufenthG erfolgt sind. [...]